Thomas und Birgit Sengwitz
Lernen an Vorbildern
Einführung
Das Thema „Vorbilder" wurde in den letzten Jahrzehnten in Pädagogik und Didaktik weitestgehend ausgeklammert, da sich hiermit der Gedanke an bloßes Nachahmungslernen verband. Dieser Ansatz war jedoch mit den pädagogischen Zielsetzungen nicht mehr vereinbar und erschien in seinem Erfolg fragwürdig. Ebenso schienen Vorbilder im Leben von Kindern und Jugendlichen an Bedeutung verloren zu haben. In den letzten Jahren lässt sich hier eine Trendwende festmachen. Aktuelle Studien belegen, dass sich Kinder und Jugendliche wieder an Vorbildern orientieren und häufig konkrete Vorbilder benennen. (Vgl.: Bizer, u.a. [Hg.], S.45ff.). Gleichzeitig gibt es vermehrt Anregungen und Konzepte, wie ein zeitgemäßes Lernen an Vorbildern gewinnbringend im Unterricht umgesetzt werden kann. Dieses verstärkte Interesse erscheint angesichts der heutigen Gesellschaft mit ihrem breitgefächerten und unübersichtlichen Angebot an Lebensentwürfen und Wertoptionen auch plausibel. Kinder und Jugendliche brauchen „Orientierungsmarken", um eine stabile Identität entwickeln zu können, welche ihnen letztendlich ermöglicht, sich in der pluralen Welt zurechtzufinden. (Vgl.: Mendl, S. iyff.). Außerdem gehören zu den wesentlichen Aufgaben des Religionsunterrichts die Förderung religiöser Urteilsfähigkeit, christlicher Haltungen und Einstellungen und ein Wissen darüber, welche Orientierungsleistung die christliche Religion für die menschliche Lebensgestaltung haben kann. (Vgl.: Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz). Die Beschäftigung mit Vorbildern aus Bibel und Tradition, aber auch Menschen, die sich im Kleinen als vorbildhaft erwiesen haben, kann einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung dieser Ziele leisten.
Dabei werden die jeweiligen Personen nicht in ihrer Gesamtheit vorgestellt, sondern Auszüge aus ihren Biografien und Situationen, in denen sie vor wichtigen bzw. schwierigen Entscheidungen standen. Die dahinterstehenden Entscheidungsmöglichkeiten, ihre Folgen und dazugehörigen Wertoptionen werden näher beleuchtet, kritisch hinterfragt und diskutiert.
Angestrebt wird dabei weniger eine direkte Verhaltensänderung (ab jetzt handle ich wie ...), sondern die Förderung der moralischen Urteilsfähigkeit und die Schaffung eines Wertebewusstseins. Die Schülerinnen und Schüler sollen dazu im Sinne eines orientierenden Lernens mit den jeweiligen Personen in einen Dialog treten, indem sie sich in bestimmte Lebensabschnitte „einklinken" (Vgl.: Hans Mendl, S. 183). Methodisch geschieht dies durch ein breites Repertoire an kreativen Arbeitsformen, wie Dilemmageschichten, Rollenspielen, kreativen Schreibprozessen oder Recherchen in Internet und Zeitungen. Die in diesem Heft vorgestellten Personen stammen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Aus den Biografien der biblischen und bekannten Vorbilder werden Lebensabschnitte oder Situationen thematisiert, in denen sie auch als Menschen mit Fehlern und Schwächen erscheinen. Dadurch wird verhindert, dass sie als perfekte Wesen dargestellt werden, deren Lebensideale unmöglich nachgelebt werden können und die somit eher befremdend, als interessant erscheinen. Im Focus stehen Aufgaben, die den Blick auf die Schülerinnen und Schüler und ihre subjektiven Interessen und Lebenswelten lenken. Daneben werden reale oder fiktive Personen in den unterschiedlichsten Kontexten präsentiert, die direkt aus der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler stammen könnten. In einem letzten Bereich werden bestimmte Aspekte von Vorbildern kritisch hinterfragt. Dazu gehören neben Computerhelden und Stars auch „falsche" Vorbilder und ihre Auswirkungen. Die rein theoretischen Beschäftigungen mit Vorbildern sollten jedoch unbedingt durch echte Erfahrungen ergänzt werden durch unmittelbare Begegnung mit Vorbildern in Unterricht oder beispielsweise Sozialpraktika. So können Schüler ethischem Handeln konkret begegnen. Die Ideenbörse am Ende des Heftes liefert dazu Anregungen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1
2. DIDAKTISCHE HINWEISE 2–11
3. MATERIALIEN 12-31
Eine Einführung 12
m1 Mein Vorbild – Über einen Steckbrief eine Definition entwickeln.
Lernen an christlichen Vorbildern 13–22
m2 Mein persönliches Bild von Jesus – Schreiben eines Briefes und Galerietour.
m3 Jesus isst mit Sündern – Kreative Arbeit mit einem Bibeltext: verschiedene Blickwinkel einnehmen.
m4 Das Gleichnis von den zwei Söhnen – Rollenspiele zu einem Bibeltext.
m5 Die Tempelreinigung – Textarbeit und Standbilder.
m6/1 Martin Luther King: Hintergründe – Informationstext.
m6/2 Martin Luther King: Der Busboykott von Montgomery – Internetrecherche.
m7/1 Die Bibel im Kino – Vier Personen/vier biblische Geschichten als Grundlage für Filmszenen.
m7/2 Die Bibel im Kino – Filmszenen entwerfen.
Menschen wie du und ich 23–26
m8/1 Wie soll ich mich entscheiden? – Dilemmageschichte aus einem x-beliebigen Internetforum.
m8/2 Wie soll ich mich entscheiden? – Mindmap und Aufgaben zur Erarbeitung des Dilemmas.
m9 Menschen, die sich einsetzen – Interviews und kreative Präsentationsformen.
m10 Engagierte Jugendliche – Internetrecherche für eine Präsentation.
m11 Helfen steht jedem gut (Folie 1)
m12 Lehrer als Vorbild/Vorbilder und Computerspiele (Folie2)
Kritische Auseinandersetzung mit Vorbildern 27–31
m13 Comic-Helden – Recherche und Präsentationen.
m14/1Erschaffung und Vermarktung von Vorbildern – Multiperspektivische Arbeit an einem Fallbeispiel.
m14/2 Erschaffung und Vermarktung von Vorbildern – Multiperspektivische Arbeit …
m15 Falsche Vorbilder – Textarbeit zur Klärung des Begriffs „Falsche Vorbilder“.
m16 Vorbilder und Computerspiele – Diskussion durch Bildimpulse.
4. IDEENBÖRSE 32