Gunther vom Stein
Amos: ich klage an!
Thematik
..,Der Löwebrüllt- wer fürchtet sich nicht? Gott, der Herr, spricht -wer wird da nicht zum Propheten?" (AmOs 3,8). Jahwe, der Gott der Bibel, tritt immer wieder mit seinem Volk in Verbindung. Er tut dies durch Menschen, die von ihm beauftragt, die unmittelbar von ihm berufen sind. Diese Propheten reden nicht über Gott, sie treiben keine Theologie, sondern sie verstehen sich einzig und allein als Boten Gottes. Daher benutzen sie die Botenspruchformel "So spricht Gott".
Das Auftreten der Propheten stand - mit je unterschiedlichen Gewichtungen - mit vier Gegebenheiten in Zusammenhang:
Verwilderung des Glaubens an den einen Gott durch Religionsmischung
politische Autonomie Israels, indem es sich von Gott und dem Angebot seines Schutzes emanzipierte
wirtschaftlichsoziale Entwicklung: Verstädterung bzw. Entstehen eines Proletariats auf dem Lande
außenpolitische Bedrohung durch die Assyrer unter Tiglat-Pileser III. (747-727): die Zeit der Propheten Hosea, Amos, Jesajä und Micha
Bei allen Propheten sind folgende Gemeinsamkeiten festzustellen:
Sie sind in den grundlegenden sakralen Überlieferungen der Frühzeit verwurzelt, wobei sie diese oft eigenwillig aktualisieren und radikalisieren.
Die Propheten blicken in die Zukunft; dabei wird die außenpolitische Bedrohung als Strafe Gottes angesehen.
Aus der Zukunftsaussage folgt die Gegenwartskritik. Das Kennzeichen der Prophetie ist die Verbindung von Diagnose und Prognose: Im Gegensatz zur Futurologie wird die Zukunftsaussage in der Gegenwart verstehbar gemacht, d. h. aus der Prognose folgt die Diagnose. Die Propheten "reden nicht aus unkontrollierbarer Eingebung, sondern wollen den anderen Augen und Ohren öffnen, so wie sie ihnen geöffnet wordensind. Was geschieht, soll nicht wortlos kommen, nicht als dumpfes Geschick, sondern begreifbar. Gott hat den Zusammenhang gesetzt zwischen der erkennbaren Schuld und der heraufziehenden Katastrophe, er verbürgt sich ihnen für die Wahrheit dessen, was sie sagen. Was daraus bei den Hörern wird, darüber verfügen sie nicht. Sie setzen aber alles daran, Sperren des Verstehens zu durchbrechen, verbal oder mit drastischen Maskeraden." (Ingo Baldermann)1 Die Frage nach dem Sein des Propheten wird in Jesaja 6 und Jeremia 23 mit dem hebräischen Verb schalach (senden) beantwortet. "in der Stunde seiner Berufung hört Jesaja die Frage, die Luther sinngemäß und zutreffend übersetzt hat: Wen soll ich senden, wer will mein Bote sein?' (Jes 6,8). Jesaja antwortet: 'ich will es, sende mich!' Der biblische Prophet ist Bote Gottes. In der Stunde der Berufung geschieht seine Bevollmächtigung und Sendung. Er kann sich auf alles das, was die Seher und die 'ekstatischen Sprecher' im Erscheinungsbild auszeichnet, also auf das visionäre Charisma, auf die,innere Stimme', auf Träume, auf die theophone Gewalt enthusiastischer Rede, nicht berufen, sondern allein auf das in der Berufungsstunde begonnene Ereignis: Der Herr hat mich gesandt' (Jer 23,6 ff.). Der biblische Prophet ist Bote Gottes." (Hans-Joachim Kraus)2
Um die Mitte des 8. Jahrhunderts v. Chr. tritt in der alttestamentlichen Überlieferung eine Reihe von bedeutenden Propheten her-vor. Der Älteste unter ihnen ist Amos, der wie sein etwas jüngerer Zeitgenosse Hosea im Nordreich Israel auftritt. Sein Wirken fällt in die Zeit des Königs Jerobeam II. (787-747), unter dessen Regierung das Nordreich noch einmal eine Zeit äußerer Ruhe und innerer Stabilität erlebt. Nach dem Tod Salomos zerfiel das davidische Großreich 926 in die zwei Kleinstaaten Israel im Norden und Juda im Süden. Die Hauptstadt Jerusalem, also auch das Heiligtum mit dem Tempel, gehörte zu Juda. Anfangs wallfahrten die Frommen des Nordreiches noch nach Jerusalem, doch je mehr sich die politische Trennung verfestigte, desto mehr mussten die Regierenden in Israel bemüht sein, auch im Nordreich ein Heiligtum zu finden, um dort den Kultus und die Feste zu feiern. Es gab in Israel alte Kultstätten, die zunächst nur lokale Bedeutung hatten, von den Königen aber nun zu Reichsheiligtümern erhoben und prunkvoll ausgestattet wurden, damit sie Jerusalem gegenüber konkurrenzfähig waren. In diesen Heiligtümern - in erster Linie die Stätten Bethel und Gilgal - waren fest angestellte Propheten tätig. Die Stadt Samaria bildete sich als Hauptstadt und Sitz des Königs heraus. Auch hier befand sich ein "königliches Heiligtum", in dem kultische Feste gefeiert wurden.
Außenpolitisch hatte sich die Lage seit dem Zusammenbruch des Großreiches stark verändert. Schon unter Davids Nachfolger war die aramäische Provinz im Nordosten wieder abgefallen. In Damaskus hatte sich ein selbstständiges aramäisches Königtum etabliert. Nach und nach fielen auch die anderen von David eroberten Gebiete wieder ab: Ammon und Moab im Ostjordanland, die Philister an der Mittelmeerküste.
"Mit Amos setzt eine ganz neue und eigentümliche Überlieferung in Israel ein. Vielerlei wurde zuvor in Israel von Generation zu Generation weitergetragen. Eines aber gab es bisher schlechterdings nicht: reine Sammlungen von Prophetensprüchen, die nur im Ausnahmefall, von knappen blografischen Notizen ergänzt werden, die ihrerseits eigentlich immer nur dem Verständnis der Sprüche selbst dienen. Diese Prophetenspruchsammlungen setzen eben mit Amos aus Thekoa ein." (Hans Walter Wolff)3
Überlegungen zu den Intentionen
Die Schülerinnen und Schüler sollen mit der vorliegenden Unterrichtseinheit an die Botschaft des Amos herangeführt werden und sie auf heutige Lebenssituationen beziehen. Dazu dienen die verschiedenen Medien(bausteine), die untereinander und miteinander - auch in Abänderung der gedruckten Reihenfolge vernetzt werden können. So ist es möglich, schon bei der Beschäftigung mit dem Leben und der Botschaft des Amos Beispiele aus der heutigen Zeit heranzuziehen, um eine direkte Korrelation herzustellen.
Einführend wird in aller Kürze über das Wesen und das Besondere von Propheten nachgedacht. In einein zweiten großen Teil steht der Prophet Amos im Mittelpunkt. Dabei wird sein Leben und Auftrag vor dem Hintergrund der damaligen politischen und sozialen Verhältnisse betrachtet. Dazu werden unterschiedliche Medien - Erzählungen, Quellentexte, Bilder, Leseszene - angeboten. Voraussagen der Vernichtung beschließen als Beispiele seiner radikalen Botschaft die Sequenz zu Amos.
Inhaltsverzeichnis
EINFÜHRUNG
UNTERRICHTSVERLAUF
MATERIALIEN
Einstieg
M 1 Rede an die Menschheit
Die Schüler/innen bringen ihre Fantasien zur Weltgestaltung zum Ausdruck.
M 2 Prophetenbilder
Bei der Erarbeitung mit Bildern werden die konstitutiven Elemente von Prophetie erkannt.
Amos - Prophet und Maulbeerfeigenzüchter
M 3 Unrecht in Israel
Mithilfe einer Erzählung bekommen die Schülerlinnen einen ersten Eindruck über Amos und die damaligen Zustände.
M 4 Gesetze für das Volk Israel
Die Schülerlinnen machen sich Gedanken über Funktion und Sinn ausgewählter mosaischer Gesetze.
M 5 Heuschrecken und Feuer (1. und 2. Vision)
Die Schülerlinnen erfahren, dass Amos aufgrund seiner Visionen einen Auftrag Gottes sieht.
M 6 Ein Platz in Samaria
Die Schülerlinnen lernen anhand einer Leseszene die Zustände in Israel kennen.
M 7 Arm und Reich in Israel
Die Schülerlinnen erfahren durch eine Erzählung exemplarisch von unsozialem Handeln in Israel.
M 8 Gesetz oder Vertrag?
Die Schülerinnen vollziehen nach, wie ein freier Bauer in die Abhängigkeit gerät.
M 9 Worte des Amos gegen das LUXUS-leben
Das Streben nach Reichtum wird infrage gestellt.
M 10 Gegen falsche Gottesdienste
Die Schülerlinnen erfahren von dem Gerichtsbeschluss Gottes.
M 11 Bleilot und reifes Obst (3. und 4. Vision)
Die Visionen des Amos zeigen das Gericht Gottes.
Prophetische Sprache heute
M 12 Prophetische Sprache heute
Umweltzerstörung - ein verantwortliches Gebet korreliert mit verantwortlichem Handeln.
M 13 "ich habe einen Traum"
Die Schülerlinnen werden für das weltweite Unrecht an Menschen sensibllisiert.
M 14 Das Erlassjahr
Die Schülerlinnen lernen die Bedeutung des ErlassJahres kennen und beziehen Stellung.
Brauchen wir heute Propheten?
M 15 In der Diskussion: Der Sonntag
Die Schülerlinnen reflektieren ihre Einstellung zum Sonntag.
M 16 "quantitativer irrtum"
In einem Gedicht werden gesellschaftliche Zustände unserer Zeit aufgedeckt.
M 17 Verteilungsgerechtigkeit?
Die Schülerlinnen arbeiten globale und nationale Verteilungsungerechtigkeiten heraus.
M 18 "Die Dinge sehen wie sie sind" (Folie)
Die Schülerlinnen werden angeregt, über einen Perspektivenwechsel und mögliche Konsequenzen nachzudenken.
IDEENBÖRSE
TAFELBILDER
Brennpunkte