Dr. Hilke Achten-Rieske / Dr. Uwe Rieske
„Was ist evangelisch?
Wege zu reformatorischen Entdeckungen
Nach dem „Jahr der Reformation 2017“ lässt sich neu nach dem Profil und dem Kennzeichnenden des Evangelisch-Seins fragen. Welche Impulse und Anregungen der Reformation lassen sich heute neu aufspüren? Welche Inhalte der reformatorischen Botschaft sind für Schülerinnen und Schüler entdeckenswert? lm Prozess der ökumenischen Annäherung gab es anlässlich der 500. Erinnerung an Luthers Thesen gegen den Ablasshandel deutliche neue Impulse. In der EKD, in vielen evangelischen Landeskirchen und zahlreichen Reformationsgottesdiensten wurde das Reformationsjubiläum sehr bewusst als ökumenisches Fest gefeiert. Die Bemühungen um weitere ökumenische Annäherungen aber regen ihrerseits ein verstärktes Nachdenken an: Was ist - in der Besinnung auf evangelische Positionen und Einsichten des 16. Jahrhunderts - heute Kennzeichen und Programm evangelischen Christseins? Wo zeigt und bewährt es sich in der Vielfalt von religiösen Orientierungen und gesellschaftlichen Trends? Das vorliegende Heft sucht gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern nach dem Proprium und der Vielfalt des Evangelischen, aber auch des „Protestantischen“. Es schaut auf das 16. Jahrhundert, aber auch auf heutige ökumenische Chancen. Insbesondere aber bietet es Möglichkeiten, den eigenen Glauben und die eigene Glaubensgeschichte neu zu entdecken und zu verfolgen. Das didaktische Ziel und der Aufriss dieses Heftes folgen der Dynamik und den Anliegen der Reformation: Luthers Impuls galt nicht nur dem Kampf gegen den von den Ablasspredigern enıveckten Eindruck, als sei Gottes Gnade käuflich. Sein Kampf - und der vieler anderer Reformatoren - galt der Ermutigung zur eigenen, persönlichen Glaubensbeziehung und zum unbedingten Vertrauen auf Gottes Liebe. Diese reformatorische Stärkung der individuellen, persönlichen Verankerung im Gottvertrauen verbindet sich mit dem Charakter der Reformation als einer Bildungsbewegung. Luthers Bibelübersetzung entspricht beiden eng miteinander verflochtenen Anliegen: Sie sollte vielen Menschen eine eigene Gottesbeziehung ermöglichen, die sich aus dem Bibelstudium entwickelte und in einer eigenen Überzeugung und Gewissensorientierung äußerte. Dieses reformatorische Anliegen nimmt das vorliegende Heft auf; es setzt zunächst damit ein, dass Schülerinnen und Schüler entdecken, dass sie evangelisch sind - und dann nachfragen, was dies eigentlich bedeutet (M1). Mit der Suche nach dem protestantischen Profil, bzw. der Frage nach dem, was „einen guten Christen bzw. eine gute Christin“ ausmacht (M2), wird implizit auch Luthers intensives Ringen um das christliche Ideal aufgenommen, das ihn in seiner Klosterzeit sehr beschäftigte. Diese Suche nach dem profiliert Christlichen liegt vor der reformatorischen Erkenntnis des Wittenberger Augustiners: Er gelangte zur reformatorischen Wende als der Entdeckung von Gottes Gnade (M3). Der Ablassstreit (M4) und die Bibelübersetzung (M5) münden in der Unterscheidung der römisch-katholischen und der evangelischen Glaubensentfaltungen (M6). Damit entwickelt sich auch ein Unterschied im Kirchenverständnis (M7). Der Weg zum evangelischen „Bekenntnis“ - in Augsburg 1530 wirkungsträchtig formuliert (M8 und M9) - ist damit vorgezeichnet. Auf diesem Weg erfolgt auch die Entdeckung der Freiheit der Christenmenschen (M10 und M11).
Die didaktische Anregung im Religionsunterricht besteht nun darin, über dem eigenen Bibelvers zur Taufe oder mit dem Konfirmationsspruch (M12) eine das eigene Leben berührende Wahrheit zu suchen, die im persönlichen Erleben und Handeln Entfaltung sucht; nicht selten sind es die Bibelworte zur Taufe oder zur Konfirmation, die Menschen ein Leben lang als ein persönliches Lebensmotto begleiten. Daraus erwächst die Anregung, aus solchen Impulsen im evangelischen Schulgottesdienst kreativ eigene Themen und Anliegen anzusiedeln (M13). Zur Hinführung zum eigenen Schulgottesdienst gehört auch die Information über die ihn tragenden Teile und Elemente (M14) und die Beschäftigung mit evangelischem Liedgut (M15). Mit Cranachs Bildtypus „Gesetz und Evangelium“ (M16) soll nicht nur das hörbare „Erlebnis Reformation“ präsent werden, sondern mit dem Medium Bild ein anderer Lernkanal genutzt werden. Dieses „reformatorische Wimmelbild“ darf bei den Schülerinnen und Schülern Entdeckerfreude wecken. Vielleicht produziert es ganz eigene Interpretationen des Cranach'schen Bildtypus. Der Impuls der Reformation zur eigenen Gottesbeziehung mündet nicht nur historisch in eine bunte Vielfalt der evangelischen Konfessionen (M17), sondern vielleicht auch in die Formulierung eines eigenen Bekenntnisses (M17). Bonhoeffers Glaubensbekenntnis von 1940 kann dazu Anregungen bieten. Sofern die Vielfalt der evangelischen Überzeugungen aus der Dynamik des reformatorischen Aufbruchs plausibel wird, wird auch für Schülerinnen und Schüler deutlich, dass aus evangelischer Erkenntnis stets eine entsprechendes Erkenntnis erwächst (M18/1 und M18/2). Damit wird deutlich, dass angesichts der Bekenntnisvielfalt die ökumenische Annäherung als kirchliche Gemeinschaft keine leicht anzugehende Aufgabe ist. Bereits die Struktur der konfessionell verschiedenen Kirchlichkeit istjeweils ganz verschieden entfaltet (M19). Aber die Aufgabe bleibt: Die Frage nach dem Proprium des Protestantischen verlangt die Klärung des Christlichen. Am Ende steht eine Sichtung: „ Evangelisch ist“ eine Fülle von Wahrheiten, Einsichten, Freiheiten, die nur im eigenen, individuellen Glaubensweg wahrgenommen und entfaltet werden kann. Dazu soll das vorliegende Heft ermutigen! Die Reformation ist eine niemals endende Bildungsbewegung: zu einem evangelischen Glauben, der sich seiner Wurzeln und seiner Entfaltungen bewusst wird.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1–2
2. DIDAKTISCHE HINWEISE 3–11
3. MATERIALIEN 12–32
Evangelisch – eine Entdeckung
m1 Evangelisch – eine Entdeckung – Textarbeit. 12
m2 Die Suche nach dem guten Christen und der guten Christin – Stichworte finden. 13
Wege zu reformatorischen Entdeckungen
m3 Luthers Entdeckung des evangelischen Glaubens – Einen Zeitstrahl füllen. 14
m4 Der Ablassstreit – Positionen abwägen. 15
m5 Luthers Übersetzung der Bibel – Übersetzungen vergleichen/selbst versuchen. 18
m6/1 Aus einer Wurzel (Folie 1)
m6/2 Aus einer Wurzel – Begriffen zuordnen. 19
m6/3 Aus einer Wurzel (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
m7 Martin Luther: Seine Freunde und seine Gegner – Einschätzungen unterscheiden. 20
m8 „Protestantisch“ oder „evangelisch“: Was ist was? – Textarbeit. 21
Auf dem Weg zum evangelischen Bekenntnis
m9 Augsburg 1530: Die Entstehung der evangelischen Kirche – Bildanalyse. 22
m10 Die Freiheit eines Christenmenschen – was ist „echte Freiheit“? – Bilder für Freiheit. 23
m11 Die „vier Säulen“ des evangelischen Glaubens – Textarbeit. 24
m12 Die Bibel und der eigene Glaube – Bibelwort zur Taufe/Konfirmationsspruch. 25
m13 Gottesdienst erleben, verstehen und gestalten (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
m14 Gottesdienst – Ablauf und Elemente im konfessionellen Vergleich. 26
m15 Evangelische Lieder – Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“. 27
m16 Evangelisch glauben – Eine Bildbetrachtung. 28
m17 Evangelische Kirchen und Konfessionen heute: Ein Überblick – Schaubild. 29
m18/1 (M)ein evangelisches Glaubensbekenntnis (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
m18/2 (M)ein evangelisches Glaubensbekenntnis – Einen Brief Bonhoeffers analysieren. 30
Unterschiede und Annäherungen: Was wird daraus?
m19/1 Aufbau und Gestalt der Kirchen – eine Gegenüberstellung – Struckturschema. 31
m19/2 Aufbau und Gestalt der Kirchen – eine Gegenüberstellung (Folie 2)
m19/3 Aufbau und Gestalt der Kirchen ... (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
m19/4 Aufbau und Gestalt der Kirchen ... (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
m19/5 Aufbau und Gestalt der Kirchen ... (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
m20 Luther und die Reformation – Autogrammjagd. 32
INHALT