Andreas Bolha
Tod und Sterben
Einführung
Im Alltagsleben wird der Tod weitgehend ausgeblendet. Noch zu Anfang des vergangenen Jahrhunderts wurden Verstorbene meist von Familienmitgliedern gewaschen, aufgebahrt, wurde Totenwache gehalten. Die Toten gehörten noch eine Weile dazu. Heute werden Sterbende - fast automatisch - noch schnell ins Krankenhaus überwiesen. Sterbebegleitung wird den "Profis" überlassen - nicht aus Gleichgültigkeit, sondern weil wir den Umgang mit dem Tod verlernt haben.
Wie mit dem Sterben und den Toten umgegangen wird, offenbart viel über die Kultur einer Gesellschaft. Alle Hochkulturen in der Vergangenheit hatten einen ausgeprägten Totenkult. Auch in unseren Breiten zeugte Beliebtheit und weite Verbreitung der so genannten "Ars Moriendi"-Literatur ("Über die Kunst des Sterbens") im Mittelalter davon, dass sich die Menschen früher mit dem Tod und den Ritualen des Abschieds intensiv beschäftigten. Feste Rituale vergegenwärtigen unsere Sterblichkeit und halfen bei der Bewältigung des Abschieds. Wer auf all dies Greifbare, Sichtbare verzichten muss, hat es nach der Erfahrung von Seelsorgern und Psychologen mit der Bewältigung des Abschieds schwerer. Denn der Trauerprozess, die Trauerarbeit, kann erst dann heilend einsetzen, wenn den Hinterbliebenen deutlich und auch schmerzlich vor Augen steht: Der geliebte Mensch ist tot und kehrt nicht mehr zurück.
Aber nicht nur das Verhalten hat sich gewandelt. Auch die Einstellung Tod und Sterben gegenüber ist anders geworden. Der Tod erschien als Schicksal, das man zwar beklagen, konnte, in das man sich aber ergeben musste. Heute wird der Tod eher als überraschender Störfaktor erlebt.
Eine Art Allmachtsglaube an die Möglichkeiten medizinischer Technik und moderner Chemie kommt dazu. Er lässt Ärzten wie Familien den Tod des Angehörigen oft als persönliche Niederlage erscheinen. Der Tod wird beinahe fanatisch bekämpft und dadurch der Zeitpunkt verpaßt, zu dem es Zeit wäre, ihn einfach hinzunehmen.
Der Text über den "Blick in ein x-beliebiges Sterbebett" von Gabriele Göttle und der Text einer jugendgruppe über den Besuch in einem Hospiz am Niederrhein bilden den Rahmen des vorliegenden Materials. Diese Ausgabe schlägt einen weiten Bogen, vom reinen Faktum, dass wir sterblich sind, über die Antworten und Hoffnungsaussagen also die Versuche, dem Faktum zu begegnen - hin zu den Zeichenhandlungen, die den Umgang mit Abschied und Trauer erleichtern sollen. Um konstruktiv mit dem Thema umzugehen (so merkwürdig sich das anhören mag), stehen die christlichen Hoffnungsaussagen und die (sakramentalen) Zeichen der Kirche im Zentrum.
Auf die Themenbereiche "Euthanasie" und "Bio-Ethik" konnte trotz des hohen Schwierigkeitsgrads nicht verzichtet werden. Das Thema "Todesstrafe" wird ausgelassen; zu diesem Themenbereich wird gegebenenfalls eine eigene Ausgabe entstehen.
Aus Platzgründen musste auf die Darstellung des häufig erbarmungslosen Umgangs mit Tieren, das Absprechen ihrer Kreatürlichkeit und das qualvolle Leiden vor ihrem Tod verzichtet werden.
Didaktische Überlegungen/Zielsetzungen
Die Behandlung des Themas soll keine Ängste wecken. Die Publikation bietet deshalb sowohl eher konfrontierende wie auch sanfte Zugänge zur Beschäftigung mit Tod und Sterben in Auswahl. Ziel ist, Tod und Sterben als Faktum des Alltags bewusst werden zu lassen. Dabei soll der Kampf um's Sterben zur rechten Zeit ebenso in den Blick gerückt werden, wie die Selbsttötung als vermeintliche Lösung für verzweifelte Menschen.
Das vorliegende Material beinhaltet darüber hinaus eine ganze Palette von historischen und aktuellen Weisen, der Sterblichkeit zu begegnen. Es bietet sich hier an, Fehlschlüsse, die Unterschiedlichkeit der Gegenstandsbereiche und die Verschiedenartigkeit der Sprache herauszuarbeiten. So wird sich u.a. die Vielschichtigkeit des Begriffs "Unsterblichkeit" problematisieren lassen.
Um vor platten Verallgemeinerungen und Schwarz-Weiß-Malerei zu bewahren, werden die möglichen Interessenkonflikte auf allen Ebenen des Themas ausdrücklich betrachtet. Dennoch soll sich eindeutig die ethisch verantwortbare, genuin christliche Haltung von zeitgeistigen und ethisch nicht zu rechtfertigenden Positionen abheben.
Die Begriffe "Gericht, Strafe, Hölle, Paradies, Himmel" werden im Sinne der neueren Theologie inhaltlicfi gefüllt. Die (sakramentalen) Zeichenhandlungen und die Beschreibung des Lebens und Sterbens im Hospiz vermitteln Bilder und Handlungsweisen der Hoffnung. Die Beschäftigung mit dem Thema sollte - so weit möglich - immer auch diese "erlösende" Perspektive in den Blick nehmen, damit keine Schülerin und kein Schüler in tiefe Hoffnungslosigkeit fällt, sondern zu einer verantworteten und bewussten Glaubens- und Lebensentscheidung gelangen kann.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG
2. DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN/ZIELSETZUNG
3. MATERIALIEN
1. FAKTUM: TÖDLICHE WELT
M1 Der Tod und der Gänsehirt - Nach einem Märchen der Gebrüder Grimm
M2 Umfrage - Was ist der Tod?
M3 Foto: Buch des Lebens - Verdis Maskenball, Begrenzer Festspiele, Spielzeit 1999/2000
STERBEN IN ABSOLUTER VEREINSAMUNG
M 4/1 Ein x-beliebiges Sterbebett - Sterben biologisch
M 4/2 Ein x-beliebiges Sterbebett - Fortsetzung
EUTHANASIE: DAS STERBEN VERKÜRZEN
M 5/1 Das Sterben verkürzen - Gesetzeslage
M 5/2 Pro + Contra - Gefahren
M 5/3 Pro + Contra - Das Recht zu töten
STERBEN ALS AUSWEG
M 6/1 Selbstmord - Ein Augenblick in der Dunkelheit
M 6/2 (Hinter-)Gründe für den Suizid - Was sagt die Kirche?
2. ANTWORTEN UND HOFFNUNGSAUSSAGEN POPULÄRE ANTWORTEN
M 7 Seelenwanderung etc. Tradition oder Illusion
UNSTERBLICH DURCH TECHNIK BZW. FORTSCHRITT
M 8/1 Kryonik - Fortschrittsglaube
M 8/2 Überleben durch Gentechnik - Argumente gegen embryonale Stammzellenforschung
DIE PHILOSOPHISCHE ANTWORT
M 9 Leben als Vorbereitung auf den Tod - Stoa/Epikur/Existenzphilosophie
DIE CHRISTLICHE ANTWORT
M 10 Wir sind Kinder Gottes - Sprachbilder der Vollendung
M 11/1 Gericht und Strafe - Eine Bedeutung wandelt sich
M 11/2 Hölle - Gericht als Selbstgerticht
M 12 Himmel/Paradies - Ein Bild vom Paradies
ZEICHEN DER HOFFNUNG
M 13 Krankensalbung - Stärkung statt letzte ölung
M 14/1 Beerdigung - Die Zeichensprache der Beerdigung
M 14/2 Beerdigung - Beerdigung anders
DER CHRISTLICHE (SICH UNTERSCHEIDENDE) WEG
M 15 Sterben im Hospiz - Den Heiligen Geist spüren
4. IDEENBÖRSE
5. TAFELBILDER
Verlagstext
":in Religion" ist eine Reihe für den katholischen und den evangelischen Religionsunterricht in der Sek. I. Jede Ausgabe enthält eine Einführung ins Thema, einen Unterrichtsverlauf, einsatzfertige Arbeitsblätter, eine farbige OH-Folie sowie Vorschläge für offenen Unterricht.