Zum Inhalt und zur Zielsetzung dieser Ausgabe
Immer mehr und auch immer jüngere Menschen in Deutschland fühlen sich überfordert, müde, erschöpft und ausgebrannt. Stress und Burnout (von engl. [to] burn out: „ausbrennen“ oder „durchbrennen“) scheinen zum neuen Volksleiden zu werden. Aktuelle Zahlen des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen zeigen, dass von 2004 bis 2011 die Krankheitstage wegen Burnout um das Achtzehnfache gestiegen sind. Psychische Probleme und Störungen stellen nach Muskel- und Skeletterkrankungen bereits den zweithäufigsten Grund für Fehltage bei Pflichtversicherten dar (s. I. Grabitz/F. Wisdorff, 1800 Prozent mehr Krankentage durch Burn-out, in: Die Welt, 27.01.2013). Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat beruflichen Stress daher zu „einer der größten Gefahren des 21. Jahrhunderts“ erklärt und in ihrer Studie „Global Burden of Disease“ dramatisch steigende Kosten für Arbeitgeber und Krankenkassen prognostiziert.
Der Terminus „Burnout“ ist vielschichtig und nicht einheitlich definiert. Er kann einerseits „den Prozess des Ausbrennens“ bezeichnen, und andererseits „den Endzustand“ (von Heyl 2011, 34) totaler Erschöpfung. Psychologisch-metaphorisch ist mit Burnout eine „langdauernd zu hohe Energieabgabe für zu geringe Wirkung bei ungenügendem Energienachschub (gemeint) – etwa so, wie wenn eine Autobatterie nicht mehr über die Lichtmaschine nachgeladen wird, dennoch aber Höchstleistungen abgeben soll“ (Burisch 2010, 7). Mit Burnout können sich sehr verschiedene körperliche und psychische Symptome verbinden. Das Spektrum reicht von „chronischer Müdigkeit, Energiemangel, Konzentrationsschwäche, Muskelverspannung, Kopfschmerzen, Alpträumen, Schlafstörungen, Angstzuständen über Herz-Kreislauf-Probleme, Magen-Darm-Störungen, vegetative Dystonie, reduzierte Immunabwehr bis hin zu massiven klinischen Krankheitsbildern wie Depression“ (Besser-Scholz 2007, 27).
Viele Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass für eine Burnout-Erkrankung das gleichzeitige Auftreten von drei Symptomgruppen kennzeichnend ist: emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und abnehmende Leistungsfähigkeit. Die andauernde emotionale Erschöpfung ist dabei das „Kern- oder Leitsymptom für Burnout“ (Bergner 2012, 9). Depersonalisation (Dehumanisation) äußert sich oft durch eine abgestumpfte, lethargische, negativistische, sarkastische oder zynische Einstellung gegenüber sich selbst, den Mitmenschen und der eigenen Arbeit. Hinzu kommt der Eindruck, den Aufgaben im beruflichen und privaten Bereich nicht (mehr) gewachsen zu sein.
Der Begriff Burnout wurde das erste Mal 1974 von dem deutsch-amerikanischen Psychoanalytiker Herbert J. Freudenberger aufgrund eigener Erfahrungen und Beobachtungen bei ebenso engagierten Kollegen für die verbreitete Erschöpfung von Menschen in helfenden Berufen verwandt. Bei Freudenberger führten zahlreiche „Tätigkeiten – seine Praxis, familiäre Verpflichtungen, ehrenamtliche Arbeit mit drogensüchtigen jungen Prostituierten – (…) zu einer zunehmenden Erschöpfung, zu Ausgelaugtheit, dauerhafter Müdigkeit, Resignation, Unausgeglichenheit und Gereiztheit“ (Fiedler/Goldschmidt 2010, 10). Beschäftigten sich frühere Studien zum Burnout-Syndrom demnach mit Personen in den helfenden und sozialen Berufsfeldern (wie Krankenschwestern und -pflegern, Psychiater/innen, Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen und Erzieher/innen), ist heute weithin anerkannt, dass „Burnout jeden Menschen treffen kann. Burnout kann in jedem Beruf auftreten, allerdings auch in der Arbeitslosigkeit und im Privatleben“ (Kypta 2008, 41).
Burnout ist ursprünglich ein exklusiv für Erwachsene reservierter medizinisch-psychologischer Begriff. Inzwischen wird – nicht unumstritten – bei Kindern und Jugendlichen immer häufiger die Diagnose Burn-out gestellt (vgl. z.B. G. Schütte, Leistungsdruck. Viele Jugendliche leiden unter Burn-Out-Syndrom, in: Die Welt, 16.10.2011). Bereits Grundschulkinder leiden aufgrund von äußeren oder inneren Überforderungen zuweilen unter Niedergeschlagenheit, depressiven Verstimmungen und massiven Erschöpfungszuständen. Nach Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie (DGKJP) sind bis zu 5 Prozent der 15-19 jährigen Jugendlichen in Deutschland derzeit an einer behandlungsbedürftigen Depression erkrankt (vgl. http://www.depression-do.de/kinder).
Burnout ist kein Phänomen der Moderne. Bei genauer Betrachtung finden sich nicht nur Ähnlichkeiten, sondern auch frappierende „Übereinstimmungen mit einer Erscheinung, die unsere Väter und Mütter einmal ‚Elias-Müdigkeit‘ nannten und damit jenen Zustand resignierter Erschöpfung umschrieben, an dem schon früher Menschen litten“ (Schall 1993, 12; kursiv C.L./G.v.S). Gemäß dem biblischen Bericht fällt der Prophet Elija nach Wunderheilungen und Großtaten im Namen Gottes in eine tiefe Ermüdung und depressive Verzweiflung (1 Kön 17-19). Er setzt sich unter einen Ginsterstrauch und wünscht sich zu sterben (1 Kön 19,4). Erst ein langer Schlaf und Gottes Fürsorge führen zur Elijas Genesung (vgl. m11). Beschreibungen dessen, was heute als Burnout-Syndrom bezeichnet wird, finden sich auch in anderen biblischen Erzählungen (vgl. z.B. Mose: Ex 18,17-18 und Num 11,11-15 und die Emmausjünger: Lk 24,13-35; vgl. m12).
In einigen Fachbüchern zur Zeitkrankheit Burnout wird auf „die gesundheitliche Bedeutung einer erlebten Rückbindung im Glauben“ (Nelting 2010, 135) eigens hingewiesen. Viele wissenschaftlich-klinische Studien zeigen, dass eine solche Rückbindung im (christlichen) Glauben, mit der weder „Frömmelei“ noch eine bloße „Zugehörigkeit durch Eintrag auf der Lohnsteuerkarte“ gemeint ist, einen „Schutzfaktor für die Gesundheit bedeutet und im Krankheitsfall eine schnellere und komplikationsärmere Genesung/Heilung ermöglicht. (…) Auch für den Burn-out-Schutz und den Ausstieg aus dem Burn-out kann diese Rückbindung von großer Bedeutung sein“ (ebd., 134f.). Andererseits kann der christliche Glaube aber auch eine Burnout fördernde bzw. Burnout verstärkende Wirkung haben. So ist immer wieder beobachtet worden, dass es gerade unter Protestanten viele perfektionistisch veranlagte Menschen gibt, die sich selbst und ihre Mitmenschen massiv unter Druck setzen. „Ausgerechnet in der Kirche, deren zentrale Botschaft darin besteht, dass der Mensch nicht durch seine Leistung, sondern allein durch seinen Glauben vor Gott gerechtfertigt ist, tummeln sich Menschen, die meinen, sie müssten sich die Liebe Gottes (…) durch ihre Leistung verdienen“ (von Heyl 2011, 21). Auch in der modernen Hochleistungsgesellschaft, in der die persönlichen Leistungen des Individuums für sein Ansehen, seine soziale Stellung und seinen Erfolg ausschlaggebend sind, ist die Botschaft von der Rechtfertigung (vgl. m13 und m14) von hoher Aktualität und Relevanz.
Die vorliegende Ausgabe möchte Schülerinnen und Schüler auf vielfältige Weise in die Themen „Burnout“ und „Rechtfertigung“ einführen. Die Arbeitsaufträge zu den Materialen sind so gestaltet, dass sie ihre eigene Lebenswirklichkeit einbringen und ihre eigenen Deutungen und Übertragungen entwickeln können. Methodisch zeichnet sich das Heft durch ein breites Repertoire an handlungs- und erfahrungsorientierten Arbeitsformen aus. Mit dieser Vielfalt wird auch dem Inklusionsgedanken Rechnung getragen.
Mögliche Kompetenzen
Methodenkompetenz: Die Schülerinnen und Schüler können biblische und religiös relevante Texte durch selbstständig gewählte Zugänge erschließen (u.a. Perspektivwechsel).
Sachkompetenz: Die Schülerinnen und Schüler können wesentliche Züge der Rede von Gott und dem Menschen im Alten und Neuen Testament benennen.
Urteilskompetenz: Die Schülerinnen und Schüler können ausgewählte individuelle, gesellschaftliche und religiöse Handlungsweisen und Überzeugungen vor dem Hintergrund christlicher Maßstäbe bewerten.
Handlungskompetenz: Die Schülerinnen und Schüler können zu aktuellen gesellschaftlichen Themen Ideen zur Bewältigung dieser Lebenswirklichkeit anhand von Deutungen zentraler biblischer Texte entfalten.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG
1–2
2. UNTERRICHTSVERLAUF
3–10
3. MATERIALIEN
11–32
Ausgebrannt?
11
m1 Feuer und Flamme [Nur auf CD-ROM]
– Ambivalente Wirkungen des Feuers beschreiben.
m2 „Burnout: Ich fühl mich wie ...“
– Sich dem Burnout-Syndrom über Bilder annähern.
Burnout – Definition, Symptome und Ursachen
12–20
m3/1 Was ist Burnout?
– Gründe für das Burnout-Syndrom kennenlernen.
m3/2 Was ist Burnout?
– Stufen des Burnouts erkennen.
m3/3 Was ist Burnout? (Folie 1)
m4 Prominente und Burnout
– Sich in die Gefühlslage von Erkrankten versetzen.
m5 Eine Woche im Leben des Julian P.
– Den eigenen Wochenplan überdenken.
m6 Jugendliche sind burnoutgefährdet
– Ursachen des Burnouts bei Jugendlichen ergründen.
m7 Mächte, die (mich) bedrohen
– Wovon fühle ich mich bedroht?
m8 Innere Antreiber
– „Innere Antreiber“ als Gründe für einen Burnout erkennen.
m9 Exklusive Tipps für den sicheren Kollaps [Nur auf CD-ROM]
– Perspektivwechsel einnehmen.
Das Menschenbild in der Bibel
21–28
m10 Psalm 102
– Trostworte in einem Standbild darstellen.
m11/1 Elija, der große Prophet, ist müde
– Die Hilfe Gottes in der Erzählung von Elija nachvollziehen.
m11/2 Elija, der große Prophet, ist müde (Folie 2)
m12/1 „Brannte nicht unser Herz?“– Auf dem Weg nach Emmaus
– Bildbetrachtung.
m12/2 „Brannte nicht unser Herz?“ ...
– Text- und Bildvergleich zu Lk 24,13-33a.
m12/3 „Brannte nicht unser Herz?“ ...
– Die Doppeldeutigkeit von „brennen/Feuer“ herausstellen.
m13/1 Die neue Gerechtigkeit – Luthers Erkenntnis
– Luthers reformatorische Erkenntnis erarbeiten.
m13/2 Die neue Gerechtigkeit ...
– Unterschiede einer Übersetzung erkennen.
m14 Die zwei Taschen
– Das Menschenbild der Bibel als Lebensgrundlage herausstellen.
Anders leben
29–32
m15 Sonntagsarbeit?
– In einem Rollenspiel Argumente pro/contra Sonntagsarbeit entwickeln.
m16/1 Mit der Zeit umgehen [Nur auf CD-ROM]
– Texte zum Sabbat.
m16/2 Mit der Zeit umgehen [Nur auf CD-ROM]
– Seine Welt steht still am Sabbat.
m16/2 Mit der Zeit umgehen [Nur auf CD-ROM]
– Gedicht: Zwischenzeit.
m17 Eine Fabel über die Ameisen
– Sinn und Zweck von Arbeit bedenken.
m18 Regeln der Gelassenheit
– Ein Ranking vornehmen.
m19 Burnout – damit es nicht so weit kommt
– Möglichkeiten der Prophylaxe gegen Burnout.