Andreas Bolha Uwe Rieske
Was glaubte Jesus?
Zur Fragestellung dieser Ausgabe
Die Frage nach Jesus gehört zu den interessantesten Fragen des Christentums; wer war der Zimmermannssohn aus Nazareth, aus dessen Wirken in Galiläa eine Weltreligion entstand? Seit dem 19. Jahrhundert hat das historische Interesse an Jesus ganze Bibliotheken gefüllt. Die Frage nach dem Glauben Jesu variiert diese etablierte geschichtliche Perspektive und fragt nach dem, was ihn religiös bestimmte: Was charakterisiert den Glauben Jesu im Horizont des Judentums seiner Zeit? Wie lassen sich ausgehend vom Glauben Jesu seine Predigt vom „Reich Gottes", seine Gottesbeziehung und schließlich auch seine Bedeutung für den christlichen Glauben neu verstehen?
Die Perspektive auf den Glauben Jesu muss damit zugleich die Glaubensformen seiner Zeit in den Blick nehmen; immer neu ist zu betonen, dass Jesus von Nazareth Jude war und in den Überlieferungen seines jüdischen Volkes aufgewachsen ist. Auch seine Jünger und die ersten „Christen" waren zunächst eine von vielen jüdischen Gruppen dieser Zeit, neben den Pharisäern, den Jüngern des Johannes, Zeloten, Essenern und anderen. Wie diese blieben sie auf die Heilige Schrift Israels bezogen und damit in der Tradition des Glaubens und der Hoffnung Israels, auch wenn sie diese neu interpretierten. Ihr Bekenntnis, Jesus sei der „Christus" (der Messias = der Gesalbte) und ebenso viele andere Bilder und Begriffe, die sie zum Verständnis von Gestalt und Geschichte Jesu nutzten, entstammten dem Horizont des Judentums ihrer Zeit. Die Tora ist also nicht allein die vorbereitende Vorgeschichte Jesu, sondern eine „innere Voraussetzung und bleibend konstitutive Dimension Jesu und des Christusglaubens." (1)
Zugleich aber wird deutlich, dass der Glaube Jesu sich nicht nur vom zeitgenössischen jüdischen Glauben seiner Zeit, sondern auch von dem der späteren Christen charakteristisch unterscheidet. Seine besondere Gottesbeziehung bestimmt die Predigt vom „Reich Gottes" und prägt das Handeln in der neuen Wirklichkeit des Glaubens, der mit ihm beginnt und sich bald auf ihn selbst richtet.
Jesus ist Mensch, Glied der einen und doch so zerrissenen Menschheitsfamilie, die Liebe und Leid kennt und sich nach wahrem Glück oder Heil sehnt; was aber mit Jesus in die Menschheitsgeschichte kommt, antwortet auf Ängste, Hoffnungen und Sehnsüchte der Menschen und führt auf einer neuen Spur zu Gott.
Die Materialien entsprechen dieser Suchbewegung: Nach einer Einführung in das Judentum seiner Zeit können sich Schülerinnen und Schüler ein Verständnis der Gottesanrede Jesu - „Abba!" und seine Äußerungen zum anbrechenden Reich Gottes erarbeiten. Die Behandlung dieser beiden Aspekte wird vertieft durch einen Exkurs über die wichtigsten religiösen Gruppen der Zeit Jesu. Die Übersicht über Herkunft und Selbstverständnis der Sadduzäer, Pharisäer, Essener und Zeloten kann auch für andere Unterrichtseinheiten zum historischen Verständnis Jesu herangezogen werden.
Der Versuch, die Frage nach dem Glauben Jesu zu beantworten, bleibt immer - nicht anders als die Frage nach dem „historischen Jesus" — ein konstruierender Versuch, der die Zeugnisse des Neuen Testaments unter dieser Perspektive zu lesen sucht. Zu dieser Rekonstruktion, die sich ihres experimentellen Charakters bewusst bleibt, sind die Schülerinnen und Schüler eingeladen. Damit verbunden ist die Chance, ihre eigenen Vorstellungen vom Reich Gottes zu konkretisieren und zu differenzieren.
(1) Hans Kessler, Handbuch der Dogmatik, Düsseldorf (Patmos Verlag) 2002, Bd. 1, S. 244
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG
2. UNTERRICHTSVERLAUF
3. MATERIALIEN
Grundlagen zur Fragestellung
m1 Zu Beginn: Suche in den Texten des NT - Bibeltextrecherche.
m2 Jesus - ein Mensch, der vor mehr als 2000 Jahren lebte - Basisinfos zur historischen Person.
m3 Jesus - ein Mensch mit jüdischem Glauben - Basisinfos zum Juden Jesus.
m4 Gottesverehrung zur Zeit Jesu - Basisinfos zur jüdischen Religiosität.
m5 Jesus im Tempel - Vergleich von zwei biblischen Textstellen.
1. Hinweis auf den Glauben Jesu: Wie Jesus Gott anspricht
m6/1 Jesus betet zu Gott und nennt ihn „Abba" - Vergleich von drei biblischen Textstellen.
m6/2 Jesus betet zu Gott und nennt ihn „Abba" - Gegenüberstellung Gottesbild ATund NT.
m6/3 Jesus betet zu Gott und nennt ihn „Abba" - Transfer von „Geborgenheit und Nähe".
Exkurs: Die Sehnsucht der Juden nach dem Messias
m7/1 Aus dem Menschen Jesus von Nazareth wird „Jesus Christus" - „Menschensohn" und „Messias".
m7/2 Aus dem Menschen Jesus von Nazareth wird „Jesus Christus" - „Salbung".
m8/l Was glaubten Gruppen der Juden zur Zeit Jesu? - Weltbild und Selbstverständnis d. Sadduzäer.
m8/2 Was glaubten Gruppen der Juden zur Zeit Jesu? -... der Pharisäer.
m8/3 Was glaubten Gruppen der Juden zur Zeit Jesu? -... des Täufers, der Essener u. Zeloten.
m8/4 Jüdische Gruppen zur Zeit Jesu - Lückentabelle/-text
m9 Glaubten die Juden an die Auferstehung? - Basisinformationen.
2. Hinweis auf den Glauben Jesu: Seine Rede vom „Reich Gottes"
m10/1 Das Reich Gottes stelle ich mir so vor... - Eine eigene Vorstellung vom Reich Gottes darstellen.
m10/2 Das Reich Gottes stelle ich mir so vor... (Folie 1) - Expressionistisches Kunstmotiv.
m10/3 Das Reich Gottes stelle ich mir so vor... (Folie 2) - Bild einer 14-jährigen Schülerin
m10/4 Das Reich Gottes ... als Mahlgemeindschaft - Bildinterpretation.
m11 Jesu Gewissheit vom anbrechenden Reich Gottes - Bibeltextarbeit.
m12 Jesu Predigt vom Reich Gottes - Interpretation eines fiktiven Dialogs.
m13 Jesu Worte vom Reich Gottes - Wiedergabe von Bibeltextpassagen mit eigenen Worten.
m14 Das Reich Gottes kommt - aber es ist schon da! - Wiedergabe von Bibeltext mit eigenen Worten.
Sammlung
m15 Unser Bild von Jesu Botschaft: eine Baustelle - Bildarbeit mit Impulsfragen.