Günther vom Stein
Die Evangelische Kirche im Dritten Reich
„Um der historischen Wahrheit willen bleibt festzuhalten: Die Bekennende Kirche und die Katholische Kirche haben zwar im Rahmen des ihnen Möglichen protestiert, den Raum der Kirche verteidigt und für Bedrohte ihre Stimme erhoben; doch zu einem auch nur passiven Widerstand konnten sie sich nicht durchringen." Diese Aussage der Historiker Georg Denzler und Volker Fabricius (in: Christen und Nationalsozialisten, Frankfurt/M. 1993, S. 245) macht die Problematik des Themas deutlich: Im Bereich der Evangelischen Kirche hat noch nicht einmal die bei vielen Kirchenvertretern gerühmte Bekennende Kirche wirklichen Widerstand geleistet. Wie kam es zu diesem obrigkeitsfreundlichen Denken der Protestanten, die doch eigentlich aufgrund des Aufbaus der Kirche und ihres Denkens zum Widerstand prädestiniert gewesen wären? Zum einen muss bedacht werden, dass seit der Reformation in den evangelischen Landeskirchen der jeweilige Landesherr Oberhaupt der Kirche war, daraus resultierte ein über Jahrhunderte entwickeltes Obrigkeitsdenken. Zum anderen war die Evangelische Kirche in selbstständige Landeskirchen zersplittert, so dass sie nie mit einer Stimme sprechen konnte. Und schließlich spalteten sich die Protestanten in die „Deutschen Christen" und in die „Bekennende Kirche"; damit wurde letztlich ein geschlossener Widerstand verhindert. Die Ideen Hitlers fanden in der Evangelischen Kirche anfangs großen Anklang: Er schuf das Bollwerk gegen einen Liberalismus und besonders gegen den Kommunismus. Auch der AntiJudaismus wurde - zumindest stillschweigend - in großen Teilen der Kirche gebilligt. Besonders durch die Gruppierung der „Glaubensbewegung Deutsche Christen" fanden die Ideen der NS-Ideologie Eingang in das kirchliche Denken. Das Ziel dieser Bewegung war eine Synthese von Nationalsozialismus und Christentum. In ihrem Bekenntnis zum „positiven Christentum" nahmen sie ein Stichwort aus dem Parteiprogramm der NSDAP von 1920 auf. Mit diesem Schlagwort wurde ein arisches, germanisches Christentum der Tat verstanden. Konsequenterweise sollte alles Jüdische aus der Bibel entfernt werden. Als allerdings 1933 auf einer Großkundgebung im Berliner Sportpalast die Abschaffung des Alten Testaments und die Verkündigung eines heldischen und germanischen Jesus gefordert wurde, wandten sich evangelische Christen massenweise von den Deutschen Christen ab. Eine der Wurzeln der Bekennenden Kirche war der Pfarrernotbund. Dieser Notbund war gegründet worden, um den Kirchenbeamten jüdischer Abstammung, die aus ihren Ämtern in der Kirche entlassen werden sollten, zu helfen. Gegen die Judenverfolgung wurde allerdings nicht protestiert. Im Frühjahr 1934 entstand die Bekennende Kirche, deren Bekenntnis richtungsweisend für den Kirchenkampf wurde („Barmen 1934"). Doch die Bekennende Kirche spaltete sich in zwei Gruppen: den lutherischen Flügel, der sich bereit erklärte, sich der Obrigkeit zu unterwerfen (unter Berufung auf Römer 13,1: „Jedermann sei Untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.") und nur in offenen Verhandlungen mit dem Staat versuchte, Widerstand zu leisten, und die Gruppe um Martin Niemöller, die sich aktiv gegen Rechtsbrüche zur Wehr setzte. Viele Pfarrer und Mitarbeiter der Bekennenden Kirche wurden in „Schutzhaft" genommen, gefoltert und getötet. So blieb die Symbolfigur Martin Niemöller bis Kriegsende persönlicher Gefangener Hitlers im Konzentrationslager Dachau.
Die Kriegsführung wurde von der Kirche nicht kritisiert. Vielmehr gab auch die Evangelische Kirche Durchhalteparolen aus.
1945 formulierte der Rat der Evangelischen Kirche das „Stuttgarter Schuldbekenntnis": In dieser Erklärung bekannte sich die Kirche zu ihrer Verantwortung an den Vorgängen im Nationalsozialismus.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1
2. UNTERRICHTSVERLAUF 2-8
3. MATERIALIEN 9-31
Wohin geht der Weg? 9-19
m1 Seine erste Wahl - Argumente der Parteien 1932
m2 Die NSDAP und die Kirche - Die Entwicklung der nationalsozialistischen Kirchenpolitik
m3 Die Deutschen Christen - Die Verbindung von Staat und Kirche
m4 Der Lauschangriff - Martin Niemöller und der Pfarrernotbund
m5/1 Die Bekennende Kirche - Die Bekenntnissynode in Barmen 1934
m5/2 Die Theologische Erklärung von Barmen 1934 - Die Bekenntnissynode
m5/3 Ein neues Barmen? - Die Position der Reformierten Kirchen zur Weltwirtschaft
Widerstand von Einzelnen 20-26
m6 Aufruhr in St. Marien - Umgang mit dem Arierparagraph in der Kirche
m7/l Ein Märtyrer aus dem Hunsrück - Paul Schneider - Widerstand bis zur letzten Konsequenz
m7/2 Ein Märtyrer aus dem Hunsrück - Paul Schneider im Angedenken
m8/l Dietrich Bonhoeffer - Widerstand und Ergebung - Die Biografie Dietrich Bonhoeffers m8/2 Dietrich Bonhoeffer-Widerstand und Ergebung
m9 Dietrich Bonhoeffer (Folie 1) - Collage: Bilder zur Biografie
m10 Ethik im Konflikt - Ist Lügen erlaubt?
m11 Beten und Tun des Gerechten - Gesinnungs- und Verantwortungsethik
m12 Bonhoeffer-Denkmal und ein Telegramm (Folie 2) - Bildimpulse
m13 Katharina Staritz - eine Theologin im Widerstand - Einsatz für Juden
Wie geht es weiter? 28-31
m14 Das Stuttgarter Schuldbekenntnis - Konsequenzen für die Zukunft
m15 Alle geht das an! - Zivilcourage in einer Alltagssituation 1
m16 ABC-Darium zum Begriff „Zivilcourage" - Eine Wortcollage erstellen
m17 Zivilcourage in unterschiedlichen Situationen - Bilder zu ausgewählten Situationen
4. IDEENBÖRSE 32