Thematik
Frauen in der Hebräischen Bibel
„Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn und er schuf ihn als Mann und Frau" (i. Mose 1,27). So heißt es gleich zu Beginn im priesterlichen Schöpfungsbericht. Auch die Frau ist Gottes Ebenbild. Sie ist mit der gleichen Würde ausgestattet wie der Mann.
Zu Beginn der Menschheitsgeschichte steht Eva, das Urbild einer Frau und Mutter. Sie genießt hohes Ansehen im Judentum. Im weiteren Verlauf erzählt die Tora liebevoll von den Frauen der Erzväter: Sara, Rebekka und Rahel. Sie sind lebenstüchtig, haben aber auch Charme und sind in ihrer Art einzigartig.
„Frauen wie Rut, Ester oder Judit nehmen in der Geschichte Israels einen wichtigen Plat% ein. Im Hohen Lied wird die erotische hiebe zwischen einem jungen Mann und einer jungen Frau in poetischer Sprache wunderbar gefeiert. Viele Ehefrauen und Mütter sind in der Hebräischen Bibel mit Respekt und Sympathie beschrieben."
Werner Trutwin, Die Weltreligionen - Judentum, Patmos Verlag, Düsseldorf 1998, S. 66
Die Frauen der Tora, ob sie namentlich bekannt oder namenlos sind, spiegeln in ihrem Leben alle Lebensbereiche. Sie sind Täterinnen und Opfer, Heldinnen und Leidende. Sie verhindern Gewalt und setzen sich für den Frieden ein. Sie sind neidisch aufeinander, sie bekämpfen sich gegenseitig und helfen einander.
In der Öffentlichkeit allerdings treten die Frauen hinter die Männer zurück, die in der vom Patriarchat geprägten damaligen Welt die Bestimmenden und Handelnden waren. Frauen sind nicht gleichberechtigt. So waren sie z.B. vom Priesteramt ausgeschlossen und durften sich auch nur im Vorhof des Tempels aufhalten. Ihre Aufgaben erstreckten sich auf den häuslichen Bereich: die Haushaltsführung und die Kindererziehung. Die Frau sollte dem Mann eine gute Ehefrau sein. In allem war sie sich aber der Achtung ihres Ehemannes bewusst.
Frauen im Neuen Testament
Auch in vielen Geschichten des Neuen Testaments stehen Frauen im Mittelpunkt. Häufig wenden sie sich an Jesus als Helfer. Ihr Glaube bringt sie zu ihm. Überwiegend haben sie keinen eigenen Namen. Sie werden durch ihre Herkunft, ihre familiären Beziehungen oder ihren sozialen Status beschrieben.
Auf seinen Wanderungen kehrt Jesus bei Frauen ein. Er wird von Frauen begleitet. Frauen sind Zeuginnen seines Redens und Handelns. Fast ausschließlich die Frauen bleiben in der Stunde des Todes am Kreuz in Jesu Nähe. Frauen sind die ersten Zeuginnen des Ostergeschehens.
Die Apostelgeschichte macht deutlich, dass Frauen zu den ersten Christinnen und Christen gehörten und dass die Reisen des Paulus ohne die tatkräftige Unterstützung durch Frauen kaum möglich waren.
Es wird also ein überaus positives Bild der Frauen gezeichnet. Dabei muss man allerdings bedenken, dass Jesu Umgang mit den Frauen anders war, als es damals in den patriarchal geprägten Gesellschaften üblich war. So löste er oftmals große Verwirrung aus. Paulus zeigt ein gespaltenes Bild: Viele seiner Äußerungen spiegeln durchaus das Frauenbild seiner Zeit und können aus unserer Sicht frauenfeindlich verstanden werden, andererseits ist er sich ihrer tragenden Rolle bei der Ausbreitung des Christentums bewusst.
In der Frühen Kirche hatten Frauen einen besonderen gesellschaftlichen Stand und genossen hohes Ansehen in den Gemeinden. Später verschwanden sie dann aus dem kirchlichen Leben.
Biblische Geschichten im Unterricht
Grundlage eines jeden Religionsunterrichts sind die Geschichten der Bibel. Aus ihnen heraus entwickeln sich der Glaube, die Traditionen und die Wirkungsgeschichte. Beim Hören oder Lesen der Geschichten erkennen wir, dass sie uns etwas zu sagen haben, dass wir uns mit unseren Gedanken und Gefühlen in ihnen wiederfinden, dass sie uns in unseren Entscheidungen und unserem Handeln noch heute beeinflussen und tragen können. Sie laden ein zu Zustimmung und Kritik und tragen so zur Identitätsfindung bei. In vielen Geschichten, vor allen Dingen in den großen Erzähltexten der Hebräischen Bibel, geht es um die Lebensbilder von Menschen. Darum stellen sie uns, indem wir uns mit ihnen gleich stellen oder indem wir uns von ihnen distanzieren, in die Reihe der Menschheitsgeschichte. So können sie das Gefühl des Nicht-Alleinseins mit den eigenen Ängsten und Problemen, aber auch Freuden und Stärken minimieren und aus Depressionen und Lethargie führen.
Gerade Kinder und Jugendliche hören die biblischen Erzählungen mit großem Interesse, großer Offenheit und Wissbegierde. Mit vielen Personen können sie sich identifizieren, denn an ihnen können sie ihre eigenen Fragen und Probleme erkennen. Vielen von ihnen fällt es dadurch leichter, diese dann zur Sprache zu bringen.
Im Laufe der Kirchengeschichte sind fast ausschließlich die Erzählungen tradiert worden, in denen Männer handeln. Erst allmählich, dank der Befreiungstheologie und in deren Folge der Feministischen Theologie, wird das Bewusstsein für die vielen großen Frauen der Bibel geschärft. Dies findet auch in den neueren Lehrplänen seinen Niederschlag.
Die Weitergabe biblischer Geschichten als „Männergeschichten" hat u.a. mit zwei Tatsachen zu tun:
- In der Überzahl kommen Frauen in der patriarchal geprägten Zeit der Entstehung der Bibel in sozial schwächeren Rollen vor. Im Normalfall sind die Männer die Handelnden.
- Die Anfänge der Kirche wurden von Männern bestimmt, die der Weitergabe das Siegel ihrer Sichtweise aufdrückten. Bis auf wenige Ausnahmen, z.B. Hildegard von Bingen, hat sich dies bis in das vorige Jahrhundert fortgesetzt.
Intentionen
Das vorliegende Unterrichtsmaterial will durch die Vorstellung und Auseinandersetzung mit fünf Frauengestalten der Bibel dazu beitragen, die Schüler/-innen mit ihnen bekannt zu machen, ihr Umfeld vorzustellen und die Beweggründe ihres Verhaltens zu verdeutlichen. Es werden Frauen vorgestellt, die vorgegebene, übliche Handlungsmuster durchbrechen und ihre ihnen zugewiesene Rolle als Frau selbst bestimmen.
Exemplarisch wird gerade für die Mädchen am Beispiel einiger weiblicher Persönlichkeiten deren Glaube, ihre Kraft und ihr Engagement zur Sprache gebracht. In der Auseinandersetzung mit diesen Frauen, in Zustimmung und Kritik, Verhalten und Rollenübernahme zu reflektieren, ermutigt dazu, sich gegen Ungerechtigkeit und Diskriminierung zu wenden. Vielleicht erleichtert es den Mädchen generell einen Zugang zur Bibel, dass Frauen im Mittelpunkt der Geschichten stehen.
Die am Unterricht teilnehmenden Jungen erfahren, "wie biblische Frauen denken, wie sie sich in ihrer Zeit Männern gegenüber verhalten, wie sie mit ihrem Handeln mutige Wege beschreiten und Veränderungen bewirken. In der Diskussion mit ihren Klassenkameradinnen erfahren sie deren Sichtweisen und können sich mit ihnen auseinander setzen. So kann gegenseitiges Verstehen wachsen und zu einem besseren Umgang miteinander führen.
Den vier Bausteinen für den Unterricht liegen jeweils zwei Geschichten von Frauen aus der Hebräischen Bibel und aus dem Neuen Testament zu Grunde:
- Abigail - eine Frau, die sich über die Anordnungen ihres Ehemannes hinwegsetzt und so Frieden schafft.
- Ester - eine Königin, die durch Anpassung und List ihr jüdisches Volk vor dem Untergang rettet. m Maria und Marta - zwei Frauen, deren erwartetes Rollenverhalten in der Begegnung mit Jesus neu
definiert wird.
- Lydia - eine Frau, die sich selbstständig und tatkräftig für die Ausbreitung des Christentums einsetzt.
Sie stehen stellvertretend für viele andere Frauen der Bibel und wurden ausgewählt, weil sich vorliegende Unterrichtsvorschläge noch nicht so häufig mit ihnen beschäftigt haben. Allerdings kann es auf der Altersstufe, für die diese Bausteine vorgeschlagen sind, vorrangig um das Bekanntmachen mit den biblischen Geschichten gehen. Eine vertiefende Arbeit sollte im Sinne eines Spiralcurriculums zu einem späteren Zeitpunkt weitergeführt werden.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG
2. UNTERRICHTSVERLAUF
3. MATERIALIEN
Frauen in der Bibel
m 1 Frauen in der Hebräischen Bibel und im Neuen Testament - Rätsel zum Kennenlernen biblischer Frauengestalten
Abigail
m 2 Zurück in die Vergangenheit - Durch eine Fantasiereise in die Zeit Davids versetzt werden
m 3 Abigail - eine kluge Frau - Durch vier Szenen die Geschichte der Abigail kennen lernen
m 4 Essen und Trinken - Zeichen des Friedens und der Gerechtigkeit - Meditationstext für eine Klassen feier mit gemeinsamem Essen und Trinken
Ester
m 5 Königin Ester (Folie) - Erste Vorstellung der Königin Ester anhand einer mittelalterlichen
Darstellung
m 6 Am Hofe des persischen Königs in Susa - Leben an einem orientalischen Königshof
kennen lernen und sich mit dem Verhalten einer mutigen Frau auseinander setzen
m 7 Aus dem Tagebuch der Ester - Vom Leben der Königin Ester, ihrer List und der Rettung
des jüdischen Volkes erfahren
m 8 / m 9 Juden feiern Purim - Jüdisches Alltagsleben beim Feiern des Purimfestes kennen lernen
Maria und Marta
m 10 Zwei ungleiche Schwestern? - Sich anhand der Geschichte von Maria und Martha mit dem Rollenverständnis von Mädchen und Frauen auseinander setzen
m 11 Jesus im Haus von Maria und Martha (Folie) - Durch ein Bild die Konfliktsituation der beiden Schwestern reflektieren
m 12 Maria hat das bessere Teil - Eigene Lösungsvorschläge zur Konfliktlösung suchen
Lydia
m 13 Lydia - von der Sklavin zur Meisterin - Auf narrative Weise Lydia als erste Christin
in Europa kennen lernen
m 14 Lydias Tischrede - Dem roten Faden in Lydias und im eigenen Leben nachspüren
4. IDEENBÖRSE