Anette Töniges-Harms
Judas und die Schuldfrage
er war Judas Iskariot? Die Antwort scheint zunächst recht einfach: Judas war ein Apostel, der Jesus für Geld verriet, seine Tat anschließend bitter bereute und seinem Leben durch Selbstmord ein Ende setzte. Was lässt sich noch entdecken oder mutmaßen? War er nur Verräter Jesu oder doch ein Freund? Oder gar ein Märtyrer, durch den die Schrift erfüllt wurde? Hat seine Tat die Geschichte der Kirche und die des Christentums entscheidend beeinflusst? Alle Mutmassungen über den historischen Judas, seine Absichten und Motive sind mit Vorsicht anzugehen. 2000 Jahre liegen zwischen diesen Ereignisssen und unserer Gegenwart. Das Einzige, was uns zur Verfügung steht, sind die Texte der Evangelisten:
Bei Markus ist Judas bloß eine Randfigur, über die nicht viel berichtet wird. Namentlich wird Judas erwähnt, als Jesus die Apostel einsetzt, beim Verrat und bei der Gefangennahme Jesu -mehr wird nicht gesagt.
Matthäus und Lukas berichten umfassender. Bei Matthäus spielt Geld als-Motiv eine wichtige Rolle. In der Abendmahlsszene offenbart Jesus, dass Judas ihn verraten wird. In der anschließenden Szene von der Gefangennahme wird der Freundschaftsaspekt zwischen Judas und Jesus aufgegriffen. Jesus bezeichnet Judas als Freund; gleichzeitig aber wird der KUSS - ein Zeichen der Freundschaft — zum Zeichen des Verrats. Daran anschließend beschreibt Matthäus, dass Judas Reue zeigt, mit der Tat nicht zurecht kommt und sich daraufhin erhängt. Im Lukasevangelium erscheint Judas wesentlich dunkler als bei Markus und Matthäus. Der Verräter wird hier in Beziehung zum Satan gesetzt, der von ihm Besitz ergriffen hat. Judas liefert Jesus für Geld aus. Bei der dargestellten Gefangennahme Jesu lässt dieser den KUSS, durch den Judas ihn verraten und an die römischen Soldaten ausliefern will, nicht zu. Die Beziehung zwischen Jesus und Judas, die man vielleicht als Freundschaft bezeichnen kann, war in dieser Betrachtung bereits entgültig zerstört. In der Apostelgeschichte schließlich beschreibt Lukas auf grausame Weise Judas Tod.
Im Johannesevangelium wird die Person des Judas „verteufelt". Als sein Name zum ersten Mal auftaucht, wird er bereits als Dieb dargestellt, der Einkünfte veruntreut. Bei der Abendmahlsszene wird dann kein Zweifel daran gelassen, dass Judas der Verräter Jesu und die Personifizierung des Teufels ist.
Ein endgültiger Bruch zwischen Jesus und den Jüngern auf der einen Seite und Judas auf der anderen Seite wird vollzogen, indem Judas nach dem gemeinsamen Mahl alleine hinaus in die Nacht geht. Auch bei der Verhaftung Jesu kommt kein Kontakt mehr zustande. Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Berichte der Evangelisten zu keinem einheitlichen Profil der Person des Judas führen. Die Entwicklung des „Judasbildes" in den Evangelien zeigt, dass er von Markus über Matthäus und Lukas bis Johannes immer negativer dargestellt wird und immer mehr die Rolle des Verräters einnimmt. Auch in der Folgezeit nimmt er in den Gemeinden den Typ des Verräters ein.
In neuerer Zeit ist man aufgeschlossen dafür, über die verschiedenen Charakterzüge, Einflüsse, Motive und das biblische Geschehen zu mutmaßen; dabei kommt es auch zu Deutungen, die für Judas verständnisvoller ausfallen. So schrieb zum Beispiel der Schriftsteller Walter Jens: „Ohne Judas kein Kreuz, ohne Kreuz keine Erfüllung des Heilsplanes."
Didaktische Überlegungen / Intentionen
Dieses Material knüpft an das weit verbreitete Bild des Verräters Jesu an, der mit seiner Schuld nicht zurecht kommt und seinem Leben durch Selbstmord ein Ende setzt.
Durch die Beschäftigung mit den Evangelien wird die Persönlichkeit des Judas differenziert erarbeitet. Mögliche Motive seiner Tat werden besprochen. Neben dem Aspekt des Verrats kommt auch der Aspekt der Freundschaft zu Jesu in den Blickpunkt der Schüler/innen. Judas wird als Mensch dargestellt, der schwere Fehler begeht und dessen Leben scheitert.
Im letzten Teil der Unterrichtseinheit wird die Schuldfrage des Judas auf die Schuldfrage heutiger Menschen übertragen: Nach einer allgemeinen Einführung konstruieren die Schüler/innen konkrete Fälle, in denen Menschen schuldig werden und in denen die Auswirkungen dieser Schuld auf andere Menschen und auf die Person selbst deutlich werden soll. Zur Sprache kommt deshalb auch der Aspekt der Reue. Zum Abschluss rückt der persönliche Bereich der Schuldfrage in den Blick der Schüler/innen. Weiterhin wird das Bekennen der Schuld vor anderen Menschen und vor Gott thematisiert.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1-2
2. UNTERRICHTSVERLAUF 3-10
3. MATERIALIEN 11-29
Einstieg
m1 Ein Selbstmord in Jerusalem • Vorwissen der Schüler/innen
Das Judas-Bild in den synoptischen Evangelien und bei Johannes
m 2 Die Freunde JeSU • Eine Geheimschrift enträtseln
m 3 Mögliche Motive für den Verrat an Jesus »Judas spricht mit einem Apostel
m 4 Die Szene des Verrats im Matthäus-, Markus- und Lukasevangelium • Gemeinsamkeiten und Unterschiede
m 5 Das Mahl im Matthäusevangelium • Die Voraussage des Verrats
m 6 Emil Nolde: Das Abendmahl • Folie
m 7 Die Gefangennahme im Matthäusevangelium • KUSS und Verrat
m 8 Die Gefangennahme im Lukasevangelium • Ein Textpuzzle
m 9 Das Ende des Judas • Der Einsame
m 10 Judas im Johannesevangelium: Jesu Hinweis auf den Verrat • Gedanken des Judas und des Petrus
m 11/1 Judas im Markusevangelium • Über Markus und sein Judasbild
m 11/2 Judas im MatthäUSevangeNum • Über Matthäus und sein Judasbild
m 11/3 Judas im Lukasevangelium • Über Lukas und sein Judasbild
m 11/4 Judas im Johannesevangelium Ȇber Johannes und sein Judasbild
m 12 Hilfestellungen zu den Kurz referaten und zur Auswertung der Referate • Wie bereite ich ein Kurzreferat vor
m 13 Judas: Freund und Verräter Jesu • Das Judasbild der Schüler/innen
Die Schuldfrage der Menschen
m 14 Judas Iskariot • Der Dolchmann
m 15 Menschen begehen Fehler • Schuldig sein bzw. werden
m 16 Ich werde schuldig • Gewissenserforschung
m 17 Ich bringe meine Schuld vor Gott • Beten: Schuld vor Gott tragen
4. IDEENBÖRSE 30
5. TAFELBILDER 31