Jean-Pierre Sterck-Degueldre
Die Apostelgeschichte des Lukas
Bis ans Ende der Erde
Die Apostelgeschichte im Unterricht
Die Apostelgeschichte wird seltener im RU behandelt, oftmals stehen die Geschichten aus den vier Evangelien im Mittelpunkt von Unterrichtsreihen. Dabei enthält die Apg nicht nur viele spannende Erzählungen, sondern bietet die erste und zugleich im NT einzige erhaltene Geschichte der ersten Christen und somit des frühen Christentums. Trotz aller Vorsicht, die geboten ist - die Apg ist eine „Tendenzschrift", bietet Heilsgeschichte und ist somit kein Geschichtsbuch im modernen Sinne -, eignet sich das Buch in besonderer Weise, mit Schülerinnen und Schülern (SuS) die Welt und Umwelt der ersten Christen und Christinnen zu erkunden und zugleich einige wichtige Kompetenzen im Umgang mit der Bibel zu erwerben. Dies soll Gegenstand der Unterrichtseinheit sein: den SuS die Apostelgeschichte als Buch voller spannender Geschichten näherzubringen und zu verstehen, wie die Bibel als Wort Gottes und zugleich Buch von Menschenhand gestaltet zu verstehen ist. Die Schülerinnen und Schüler sollen an dem Beispiel des Lukas eine Einsicht erhalten, wie ein ntl Autor arbeitet. Sie werden dem Lukas quasi über die Schultern schauen. Natürlich steht der Lebensbezug der Frohen Botschaft für SuS im Vordergrund. Es werden ebenfalls Fähigkeiten und Fertigkeiten über die kognitiven Kompetenzen hinaus gefördert.
Bis ans Ende der Welt
Neben dem dritten Evangelium wird dem Lukas ebenfalls die Apostelgeschichte zugeschrieben, nicht zuletzt zeigen die Übereinstimmungen in den Inhalten (so z.B. die theologischen Grundgedanken, ferner Apg i,i in Übereinstimmung mit Lk 1,1-5; die Himmelfahrt Jesu als Scharnier Apg 1,4-14 vgl. Lk 24,50-52) und in der Form (vor allem die Sprache und Stil), dass beide Bücher aus derselben Feder stammen. In der Regel wird davon ausgegangen, dass Lukas, der das MkEv als Vorlage nimmt, in den 8oer-Jahren des ersten Jahrhunderts sein Evangelium und etwas später die Apostelgeschichte geschrieben hat.
Diese Schrift ist wie die Evangelien zunächst anonym überliefert worden. Erst die frühchristliche Tradition identifiziert den Schreiber dieses Doppelwerkes als Lukas, den Arzt und langjährigen Reisebegleiter des Paulus (Papias von Hierapolis um 1}0; IrenäusAdversusHaereses III, 1,1 um 180 n. Chr.; Canon Muratori um 200 n. Chr. mit Blick auf die sog. Wir-Passagen Apg 16,10-17; 2 0,5-15; 21,1-18; 27, 1-2 8,16 und Phlm 24; Kolosser 4,14), der als Einziger bei Paulus in dessen römischer Gefangenschaft ausharrt (2 Tim 4,11). Doch in der Forschung ist sehr umstritten, ob Lukas Paulus-Schüler und dessen Reisebegleiter war. Sehr wahrscheinlich haben die Kirchenväter aus den oben genannten Bibelstellen diese Identifikation abgeleitet. „Lukas bewundert Paulus, aber aus großer Ferne"1. Er gibt sich selber als Christ der dritten Generation zu verstehen (Lk 1,1-4). Als Entstehungsort sind u.a. Antiochia am Orontes (Syrien), Rom, aber auch die Ägäis, d.h. Ephesus (Kleinasien, heutige Türkei), Achaia (römische Provinz mit Korinth als Hauptstadt) oder Makedonien, näher die römische Kolonie Philippi genannt worden. Auf jeden Fall lebt er in einer römisch geprägten Stadt im Mittelmeerraum, die Geografie der Ägäis kennt er besonders gut: Das ist die Lebenswelt, die sich in seinen Schriften widerspiegelt.
Lukas hat den Ehrgeiz, als Geschichtsschreiber mit seinem Doppelwerk eine, gar die entscheidende Phase der Weltgeschichte zu schreiben: Wie in antiker Historiografie üblich, legt er Rechenschaft über seine Quellen und seine Vorgänger ab (s. die Proömien in Lk 1,1-4 und Apg 1,1-2), verknüpft Handlungen seiner Erzählungen mit der Weltgeschichte (sog. Synchronismen, s. z.B. Lk 2,1ff; 3,1ff; 13,31f Apg 11,28; 13,7.12; 18,12ff),
versichert dem Leser seine Augenzeugenschaft (Wir-Berichte). Den Tugenden des antiken Historikers entsprechend deutet er an, dass er sich sachkundig gemacht hat, sei es durch eigene Reisen oder Befragen von Experten. Lukas lässt die Personen in der jeweiligen Situation in der passenden Sprache zu Worte kommen und legt durch Reden seine Deutung den handelnden Personen in den Mund: Er schildert somit die Entstehung und Verbreitung einer neuen Bewegung, die der Christen, die er als „den Weg" (he hodos) bezeichnet. Nach modernem Verständnis ist er deshalb weniger ein Historiker, der möglichst objektiv die Vergangenheit rekonstruiert, sondern vielmehr ein Erzähler, der auf die ersten Jahrzehnte Christentum zurückblickt und die Verbreitung des Wortes bis ans Ende der Erde als von dem Geist Gottes gewollt und durch ihn gelenkt deutet.
Der Titel des Buches (im Griechischen praxeis apostolön — Taten der Apostel) mag den modernen Leser in die Irre führen: Zwar berichtet Lukas von den Taten der Apostel bzw. frühchristlicher Missionare, trifft dabei jedoch eine selektive Wahl, indem er den Blick zunächst auf Petrus, Stephanus, Philippus und später auf Barnabas, Timotheus und vor allem Paulus richtet. Genau genommen schildert Lukas die Taten des Heiligen Geistes, unter dessen Wirkung sich das Evangelium dank des eifrigen Einsatzes der Missionare im ganzen Römischen Reich bis hin nach Rom verbreitet. Es gibt mehrere Möglichkeiten, das Buch zu gliedern. Einerseits kann man z.B. die Ausbreitung des Evangeliums als Grundlage der Einteilung wählen: Es beginnt im Kleinen (Apg i), in Jerusalem festigt sich die Gemeinde (Apg 2-7), dann verbreitet sich die Bewegung nach und nach in Samaria, Judäa, Antiochia und Kleinasien (Apg 8-1$), schließlich bis ans Ende der Welt, das heißt unter anderem von Griechenland bis hin nach Rom (Apg 15-28). Andererseits kann man auch die handelnden Personen zugrunde legen: Dann rückt der Apostel Petrus vor allem in den ersten zwölf Kapiteln in den Vordergrund, in den Kapiteln 13 bis 28 lenkt Lukas das Augenmerk besonders auf den Heidenmissionar Paulus. In der Mitte stehen dann das Apostelkonzil (Apg 15) und der Beschluss, die neue Heilsbewegung den Heiden zu öffnen, ohne dass diese vorab dem Judentum beitreten müssen.
Zu den zentralen Themen der Apg gehört natürlich vorrangig die durch den Geist gewirkte Ausbreitung des Christentums bis an die Grenzen der Erde (= Rom als Hauptstadt der damaligen Welt). Die Naherwartung der Parusie ist in den Hintergrund gerückt, die Geistausgießung eröffnet eine neue Zukunft: die der andauernden Gegenwart des endzeitlichen Geistes Gottes. Die christliche Botschaft ist nicht mehr an eine bestimmte Kultur oder Sprache gebunden, sondern übersetzbar (s. das Sprachenwunder im Pfingstereignis Apg 2,5-11). Die Trennung zwischen Synagoge und Kirche vollzieht sich zunehmend als Konsequenz der Weigerung Israels, Christus anzunehmen (4,27-30; 5,29-32). Auf dem Apostelkonzil wird entschieden, dass die Kirche aus Juden und Heiden nun den Platz des Gottesvolkes einnimmt. Christ wird man durch die Taufe, nicht durch Beschneidung! Auch die Missionsgebiete sind fortan aufgeteilt: Petrus zu den Juden und Paulus zu den Heiden. Deshalb richtet Lukas von nun an den Fokus auf die paulinische Heidenmission. Wenngleich Paulus ein treuer Jude bleibt (21,18-26; 23,6), so lehnen doch die Juden sein Zeugnis ab (22,18.22; 28,24-28). Die Zukunft der Kirche sieht der Autor wohl vorwiegend im Heidenchristentum. Zudem sollen Christen und Nichtchristen an den Beispielen der Missionsgeschichten erkennen, dass die entstehende und wachsende Kirche keinerlei Gefahr für das Römische Reich darstellt. Der neue Weg bietet die Erfüllung der Hoffnung Israels: die Verheißung, die Gott an sein Volk und an alle Völker (auch an römische Bürger) für die Endzeit richtet und erfüllt. „Reisen und Reden", so könnte man das Motto der Apostelgeschichte grob umreißen. Die Weitergabe der Botschaft Jesu geschieht durch die vielen Bekehrungen auf den vielen Missionsreisen. Neben der Erfüllung unterstreicht Lukas deshalb auch die Gewährleistung der Authentizität des Evangeliums durch Zeugen Jesu (Apg 1,21 f.), ein Evangelium, das unverfälscht bleibt und authentisch bis in die Hauptstadt der römischen Welt gelangt. Wenn dies auch nicht ganz ohne Auseinanderssetzungen geschieht, die Grundperspektive ist klar: Die in Jesus erfüllte Hoffnung Israels gilt allen Völkern. Hierfür ist nicht zuletzt Paulus ein entscheidender Gewährsmann! Daneben entwickelt Lukas noch viele andere theologische Gedanken: So z.B. skizziert er sein Gemeindeideal (Apg 2,44-47 u- 4>32~37) oder hebt intensiver als die anderen Evangelisten die Mitarbeit von Frauen in der Jesusbewegung hervor. Einigen Themen werden wir in ausgewählten Perikopen näher auf die Spur gehen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1–2
2. DIDAKTISCHE HINWEISE 3–11
3. MATERIALIEN 12–31
Lernvorhaben – Einleitung: deutende Wortbilder 12–19
m1 Feuer und Flamme – kreative Bildbearbeitung zu einem Bild von Emil Nolde.
m2 Feuer und Flamme – Worte zum Bild von Emil Nolde.
m3 Entmutigt – begeistert – Bild- oder Textproduktion.
m4/1 Der Fahrradunfall – Beschreibung einer Unfallskizze.
m4/2 Der Polizeibericht und der Schutzengel – Bild- oder Textproduktion.
m5 Mit den Augen des Glaubens sehen – Vergleich wissenschaftliche Sicht – Glaubenssicht.
m6 Die Taufe der Lydia – Transfer: Erzählperspektive des Lukas zu Apg 16,13-15.
Auf Schusters Rappen: Interview mit Professor Pilhofer 20–29
m7 Auf Schusters Rappen (Folie 1) – Bildimpuls: ein wandernder Mann.
m8/1-3 Auf Schusters Rappen: Interview mit Professor Pilhofer – Gruppenarbeit, Placemat.
m9 Placemat
m10 Auf Schusters Rappen – Collage.
m11 Lydia, hautnah – lebensnahes Erzählen.
m12 Karte und Lageplan – Karte lesen und mit Bildmaterial anreichern.
m13 Wenn Steine reden … – Deutung einer Weihe-Inschrift.
Voller Begeisterung unterwegs 29–30
m14 Umfrage: Begeisterung, Enttäuschung … – Transfer: Kirche zur Zeit der Apostel und heute.
m15 Das haut mich um … (Folie 2) – Bildbetrachtung und Deutung.
m16/1 Eine schwierige Entscheidung – Rollenspiel am Beispiel eines Sportvereins.
m16/2 Das Apostelkonzil – Bibelarbeit, Transfer.
Lernerfolgsüberprüfung 31
m17 Was haben wir gelernt? – Bildimpuls, Lerntapete.
4. IDEENBÖRSE 32