Das Thema
Jüngst war es der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der im Zuge des bayerischen Landtagswahlkampfes (2018) dafür sorgte, dass in jeder bayerischen Behörde ein Kreuz hängt. Sein „Kruzifixerlass“ wurdein Politik und Gesellschaft äußerst umstritten diskutiert.
Als Symbol des christlichen Glaubens wurde das Kreuz in den Klassenräumen in einer sich immer stärker säkularisierenden Gesellschaft schon vor Jahrzehnten zum Stein des Anstoßes. Am 16. Mai 1995 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Anbringung eines Kreuzes oder Kruzifixes in den Unterrichtsräumen einer staatlichen Pflichtschule, die keine Bekenntnisschule ist, gegen Art. 4 Abs. 1 GG verstößt. Der Kruzifix-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts blieb jedoch weitestgehend ohne praktische Folgen. Noch heute hängen in vielen Klassenzimmern Kruzífixe an den Wänden, denn nur in speziellen begründeten „atypischen Ausnahmefällen“ soll es aufeinzelne Klagen hin abgehängt werden.
Dieses Beispiel zeigt, dass Schule neben einem Ort des Lernens auch eine „Konfliktzone Religion“ sein kann. Schülerinnen und Schüler können durch dieses aktuelle religionspolitische Beispiel verstehen, dass der Lebensweltbezug des Unterrichts nicht am Schreibtisch des Lehrers entsteht, sondern tatsächlich in ihrer unmittelbaren Lebenswelt zu verorten ist. Deutschlands Schülerinnen und Schüler kommen nämlich in ihrer unmittelbaren schulischen Lebenswelt mit dem Phänomen „Religion“ in Schule in Kontakt, wie nicht nur die Kontroverse um Kruzifixe in Klassenzimmern zeigt. Auch die Kontroverse um das Kopftuch bei muslimischen Lehrerinnen und die Kontroverse, ob es Schweinefleisch (wieder) in den Schulekantine geben solle, berühren die unmittelbare Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler.
Interessanterweise werden diese Kontroversen, die an einigen Schulen zu regelrechten Konflikten geworden sind, selten im Religionsunterricht aufgegriffen und thematisiert. An dieser Stelle setzt das hier angebotene Material an und greift religiös aufgeladene Konflikte an Schulen auf, um sie religionsdídaktisch so fruchtbar zu machen, dass die Schülerinnen und Schüler eigene Positionen herausarbeiten und argumentativ vertreten lernen.
Die übergeordnete, schülerorientierte Leitfrage „Religion in Schulen. Erlauben oder verbieten?“ strukturiert die Unterrichtseinheit zur „Konfliktzone Religion“. Um die Frage adäquat beantworten zu können, sollen sich die Schülerinnen und Schüler im ersten Schritt über ihr eigenes Von/vissen klar werden und über ihre eigenen Vorkonzepte miteinander ins Gespräch kommen. Schnell sollte den Schülerinnen und Schülern deutlich werden, dass der Anspruch darüber hinausgeht, sich „einfach eine eigene Meinungen zu bilden“, denn in mehreren Arbeitsschritten werden sie in die Lage versetzt werden, eine individuell geprägte Position auch durch fundiertes Hintergrundwissen argumentativ zu vertreten. Folgerichtig arbeiten die Schülerinnen und Schüler im nächsten Schritt wichtige religionsverfassungsrechtliche Argumente aus dem Grundgesetz heraus. Herzstück der Unterrichtseinheit bildet dann die Auseinandersetzung der Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Fällen („Kruzifix-Urteil“, „Schweinefleisch in Schulkantínen“ und „Kopftuch bei muslimischen Lehrerinnen“) aus unter-schiedlichen religionspolítischen Perspektiven: laizistisch, liberal, kulturalistisch. Durch den Perspektivwech- sel- die Schülerinnen und Schüler nehmen verschiedene religionspolitische Positionen ein - lernen sie ein breites Spektrum an verschiedenen Meinungen zu den jeweiligen Fällen kennen. Daran anschließend setzen sie sich mit den wichtigsten religionspolítischen Strömungen unserer Tage (verfassungsliberal, laizistisch und kultura- listisch) auseinander. Dabei bildet die Auswahl der Fälle die multireligiöse Realität in Deutschlands Klassenzimmern ab und lädt zur Begegnung mit anderen religiösen und religionspolítischen Traditionen ein, wodurch so schlussendlich die Urteilskompetenz der Schülerinnen und Schüler gefördert wird. Am Ende der Unterrichtseinheit steht eine individuelle, schriftliche Stellungnahme zu einem der Fälle, in der (auch) religionsverfassungsrechtlich argumentiert werden soll. An der Stellungnahme kann die Lehrkraft schlussendlich die Lernprogressi- on der Schülerinnen und Schüler erkennen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1–2
2. MATERIALIEN 3–25
3. DIDAKTISCHE HINWEISE 26–32
Das Verhältnis von Staat und Religion
M 1/1 Speeddating 3
M 1/2 Speeddating (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
M 1/3 Speeddating (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
M 2/1 Religion im Grundgesetz: Strukturlegetechnik (s.a. CD-ROM/EXTRA) 4
M 2/2 Religion im Grundgesetz: Strukturlegetechnik 5
M 3/1 Religionspolitische Positionen: Textanalyse 6
M 3/2 Religionspolitische Positionen: Textpuzzle (zum Ausschneiden) 7
M 3/3 Religionspolitische Positionen (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
M 3/4 Religionspolitische Positionen:: Venn-Diagramm 8
M 3/5 Religionspolitische Positionen: (Folie 1)
M 4/M 5 Arbeitsaufträge für die Podiumsdiskussion 9
Beispiel 1: Sollen Kruzifixe im Klassenraum hängen?
M 6 Statement: Maria Flachsbarth: Textanalyse 10
M 7 Statement: Michael Schmidt-Salomon: Textanalyse 11
M 8 Aus der Praxis: Drei-Religionen-Schule: Textanalyse 12
M 9 Laufbogen: „Sollen Kruzifixe im Klassenraum hängen?“ 13
Beispiel 2: Soll es Schweinefleisch in der Mensa geben?
M 10 Eine Umfrage durchführen: Anleitung 14
M 11 „Inklusion durch Schulverpflegung“: Vorstellung eines Projekts 15
M 12 „Jeder soll nach seiner Façon glücklich werden“: Textanalyse 18
M 13 „Soll es Schweinefleisch in der Mensa geben?“: 1. Laufbogen 19
M 14 Statement: Daniel Günther (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
M 15 Statement: Eka von Kalben (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
M 16 Statement: Ayşe Demir (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
M 17 „Soll es Schweinefleisch ...?“: 2. Laufbogen (nur auf der CD-ROM/EXTRA)
Beispiel 3: Soll eine muslimische Lehrerin Kopftuch tragen dürfen?
M 18 Statement: Alexander Gauland 20
M 19 Statement: Zana Ramadani 21
M 20 Statement: Bettina Jarasch 22
M 21 Statement: Nevzat Yaşar Asikoglu: Gedankenstopplektüre 23
M 22 „Soll eine muslimische Lehrerin Kopftuch tragen dürfen?“: Laufbogen 24
M 23 Cartoon: „Was tragen Sie denn da?“ (Folie 2)
(Lernerfolgskontrolle) Eine eigene Position finden und argumentativ einnehmen
M 24 Wie positioniere ich mich?: Sprachbausteine 25