Guido Hunze/Christina Thomas
Schöpfung
Thematik
Die Frage nach der Schöpfung bleibt aufgrund des Forschritts der Technik aktuell. Sie erscheint allerdings fast immer als Forderung nach der Bewahrung der Schöpfung und als ethische Frage: Was darf der Mensch? Das ist aber eine Verkürzung des theologischen Schöpfungsbegriffes.
Schöpfung ist ein genuin theologischer Begriff mit einer Vielzahl von Implikationen. Auch als theologisches Synonym zu "Weltentstehung" oder "urknall" greift er zu kurz. Sprechen wir von der Welt als "Schöpfung", dann sprechen wir zugleich von der Beziehung der Welt zu ihrem Schöpfer und verbinden damit die Hoffnung einer gemeinsamen Geschichte mit Gott. "Schöpfung" wird also nie direkt wahrgenommen, vielmehr strukturieren die beiden Kategorien der Beziehung und der Hoffnung unsere Wahrnehmung von Welt: "Schöpfung" ist also eine Kategorie der Glaubenserfahrung und -deutung von Welt und ist nur verständlich vor dem Hintergrund des Glaubens.
Die vorliegende Unterrichtsreihe will die theologische Tiefe der Schöpfungsidee ausloten, wobei die ethischen Konsequenzen und das Gespräch mit den Naturwissenschaften gerade nicht den Ausgangspunkt bilden. Sie werden aber auch nicht ausgeblendet.
Der beschriebene Schöpfungsbegriff beruht wesentlich auf Erfahrung - entsprechend wählen wir einen erfahrungsbezogenen Ansatz. Dieser setzt ein hohes maß an eigener Glaubenserfahrung (Gotteserfahrung) voraus, was bei den Schülerinnen und Schülern kaum zu erwarten ist. Deshalb wollen wir den Erfahrungen anderer nachspüren - hier in Kunst und Literatur. Ein solcher Zugang muss sich immer vor der Theodizee-Frage verantworten.
Am priesterschriftlichen Schöpfungsbericht lässt sich der Zusammenhang von Glaubenserfahrung, ihrer Infragestellung und der Entstehung universeller Hoffnungsbilder nachvollziehen. Es zeigt sich: Zu einem Weltbild gehören Beschreibung und Interpretation. Beide sind zeitgebunden. Erhalten bleiben aber die es konstituierenden Grunderfahrungen. Überholbar sind daher nur die zeitbedingten Komponenten, nicht das ganze Weltbild. Dies gilt sogar für naturwissenschaftliche "Weltbeschreibungen", die auch interpretaterische Komponenten aufweisen.
Wie versteht sich nun der Mensch in der Schöpfung? Als homo creans, als schaffender Mensch, der seine Welt durch Naturwissenschaft und Technik beherrscht, wird er auf die aus seiner Geschöpflichkeit erwachsende Verantwortung reduziert. Nach jüdischchristlichem Verständnis muss die Geschöpflichkeit als Ausdruck des Beziehungsaspektes verstanden werden: Der Mensch ist von Gott geschaffen, homo creatus, und trägt aufgrund seiner Berufung zur kreativen Kultivierung der Welt Verantwortung. Wir gehen von einer"Mit-Täterschaft" von Mensch und Gott aus, die Wechselseitigkeit und Kommunikation bei>nhaltet. Gott hat mit seiner Schöpfung nicht nur "am Anfang",
sondern beständig zu tun. Er steht ihr gegenüber und ist ihr zugleich immanent. Das neutestamentliche Bild hierfür ist das "Reich Gottes", in dem uns die Idee von der "Mit-Täterschaft" (vgl. Mt 3,2) erneut begegnet. Damit werden noch einmal verstärkt die Kategorien "Beziehung" und "Hoffnung" in den Blick genommen.
Biblisch ist die Krone der Schöpfung nicht der Mensch sondern der Sabbat. Gott räumt der Schöpfungnach seinem Schöpfungshandeln ein, in der er sie zu sich selbst kommen lässt. Der Sabbat ist Schöpfungszeit, Zeit des Fyuchtbarwerdens menschlichen und göttlichen Handelns. in der Erinnerung des Anfangs und der Erwartung der Vollendung schließt sich im Sabbat der Spannungsbogen der Schöpfungszeit. Schöpfung ist kein punktuelles Geschehen (auch nicht auf der Ebene der Beziehung oder der Hoffnung), sondern umfasst den ganzen Spannungsbogen zwischen dem "bereschit bara elohim" (im Anfang schuf Gott; Gen ij) und dem "maranatha" (Komm, Herr; Offb
22,20) - ein Verständnis, das die theologische Tiefe des Schöpfungsbegriffes auslotet.
Didaktische Überlegungen/Zielsetzungen
Die Unterrichtsreihe verfolgt ein vierfaches Ziel. Zum einen soll den Schüleninnen und Schülern deutlich werden, dass eine Wahrnehmung der Welt als Schöpfung bereits eine Glaubensperspektive darstellt. Diese hat eine lange Geschichte und ist durch Situationen der inneren Not und des Zweifels gefestigt worden. Dieser Perspektive sollen die Schülerinnen und Schüler nachgehen.
Zum Zweiten geht es um das Verständnis von Weltbildern: Die Schülerinnen und Schüler sollen ihre beschreibenden und interpretatorischen Anteile und die ihnen zu Grunde liegenden, teilweise zeitunabhängigen Grunderfahrungen erkennen. Dies führt zu einem kritischen Umgang mit naturwissenschaftlichen Weltbildern und zu einer Reflexion der eigenen Weltanschauung.
Als Drittes rückt die doppelte Rolle des Menschen als Schöpfer und Geschöpf in den Mittelpunkt. Die Betonung der Teilhabe an der Schöpfungsgemeinschaft und die Hervorhebung des Sabbats zielen auf eine theologisch fundierte Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Menschen in seinem kreativen Handeln.
Schließlich soll im Verlauf der Reihe deutlich werden, dass es beim Thema "Schöpfung" nicht um einen fernen Anfangspunkt (bzw. Zeitpunkt) geht. Die Wahrnehmung der Welt als Schöpfung beinhaltet immer die Frage nach der Zukunft, nach Erwartungen und Hoffnungen - und das ist letztlich eine persönliche Frage.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1-2
2. UNTERRICHTSVERLAUF 3-10
3. MATERIALIEN 11-30
1. Erfahrungen nachspüren - in Wort und Bild 11-12
M 1 Gedicht von Rose Ausländer - Schöpfer und Geschöpf
M 2 Gottes lebenspendende Kraft - Ruach
M 3 Folie: Korpus/Schöpfung - Gott - in die Schöpfung verwoben
Im Kontext der Theodizee-Frage
M 4 Herbert Grönemeyer - "Mensch"
M 5 Psalm 69 - Gute Schöpfung?!
M 6/1 Elie Wiesel - "DieNacht"
M 6/2 Babylonische Gefangenschaft - Exoduserfahrung
M 7/1 Gen 1-2,4a - Ein kunstvolles Schöpfungslied
M 7/2 Gottes gute Schöpfung - Mindmap
M 8 Gott als Hebamme - Schöpfung als Geburtshilfe
2. Von der Glaubenserfahrung zum Weltbild
M 9 Anfragen an den Schöpfungsbericht - Skeptische Einwände
M 10 Was ist ein Weltbild? - Der subjektive Anteil
M 11 Weltbilder entwerfen - Eine Vorlage aus dem Alten Orient
M 12 Naturwissenschaftl ich es Weltbild - Was ist das Eigentümliche?
3. Der Mensch: horno creans et creatus
M 13 Psalm 8 - Was ist der Mensch?
M 14 Grenzen menschlichen Handelns - Bewahrung der Schöpfung
4. Biblische Hofnnungsbilder der Vollendung 26-30
M 15/1 Wie verbringe ich meinen Sonntag? - Persönlicher Stellenwert des Sonntags
M 15/2 Woher kommt unser Sonntag? - Was ist eigentlich das Revolutionäre daran?
M 16 Vollendung der Schöpfung - Die Rolle des Menschen
M 17/1 Römer 8,18-25 - Paulus über die Schöpfung
M17/2 Die Schöpfung liegt in Geburtswehen - Der neue Mensch
4. IDEENBÖRSE 31
5. TAFELBILDER 32-33