Thematik
Reformation und Renaissance - Erneuerung und Wiedergeburt - sind zwei scheinbar ähnliche Bewegungen des 15. und 16. Jahrhunderts, am Ende des Mittelalters und im Übergang zur Neuzeit, jedoch mit verschiedenen Ausgangspositionen, mit unterschiedlicher Ausrichtung und mit anderen Wirkungen.
Während die Renaissance ein neues Menschenbild verkündet und den Menschen in eine von religiösen Bindungen befreite Welt zu entlassen versucht, suchen die Reformatoren die Erneuerung der menschlichen Beziehung zu Gott. Die offizielle Kirche reagierte abwehrend, aber die öffentliche Zustimmung zu der befreienden Botschaft war enorm. Die Reformatoren lehnten viele traditionelle kirchliche Praktiken ab. Ohrenbeichte, Wallfahrten, Reliquien, Gebet für die Verstorbenen, Zölibat der Priester und der Reichtum der Kirche hatten keine biblische Begründung und untergruben die Botschaft, dass allein der Glaube an Jesus Christus zu Gott führt. Es gab aber auch radikale Folgerungen aus der Lehre der Reformation, den so genannten Bildersturm. Aufgebrachte Rotten zerstörten Klöster, warfen Heiligenstatuen von ihren Sockeln, zerstörten die Glasfenster der Kirchen, übertünchten Fresken und zerschnitten Altarbilder.
Der Protestantismus breitete sich wie ein Flächenbrand aus. Fürsten, Gelehrte und Künstler schlossen sich ihm an. Mitte des 16. Jahrhunderts war Westeuropa unwiderruflich in Protestanten und Katholiken gespalten.
Neben Martin Luther, der bekanntesten Gestalt der Reformation in Deutschland, gab es auch andere Strömungen. So führten die Aktivitäten der Gruppe, die stärker die sozialen Interessen betonte, unter ihrem Anführer Thomas Müntzer zum Bauernaufstand (1525). Der so genannte linke Flügel der Reformation, Wiedertäufer und Charismatiker, errichteten in Europa keine nennenswerten Gemeinden, wanderten schließlich nach Nordamerika aus und gründeten dort Gemeinschaften (wie z. B. HutteTey und Mennoniten).
Für den deutschen Protestantismus sind neben Luther vor allem Zwingli und Calvin entscheidend gewesen. Ihre Theologie hat bis heute starke Auswirkungen auf einzelne Gemeinden und das theologische Denken.
Horst R. Flachsmeier schreibt über Zwingli: "An seinem Geburtstag, Neujahr 1519, betrat der nun fünfunddreißig Jahre alte Ulrich Zwingli ehrfurchtsvoll zum ersten Mal die Kanzel des gewaltigen Großmünsters in Zürich. Als ahnte der Prediger, dass ihm nur noch zwölf Jahre der Wirksamkeit auf Erden beschieden waren, verkündete er der erstaunt aufhorchenden Gemeinde, dass er sich hinfort nicht mehr an die von der Kirche vorgeschriebenen Perikopen halten werde, sondern stattdessen das Matthäus-Evangelium von Anfang bis zu Ende durchzupredigen beabsichtige Nicht mehr die Messe mit
ihrem Messopfer war fortan für Zwingli der Mittelpunkt des alltäglichen Gottesdienstes, sondern das Wort Gottes mit seiner frohen und selig machenden Botschaft. Entscheidend für seine eigene Stellung zum Papst wurde ihm Luthers mutiges Vorgehen während der Leipziger Disputation von 1519, wo dieser kühn vor aller Welt die Behauptung wagte, Christus habe nicht das bestehende Papsttum gestiftet, wie es auf katholischer Seite gelehrt wurde. Nicht nur der Papst, sondern auch ganze Konzilien könnten irren. Unfehlbar für alle Zeiten sei allein die Heilige Schrift. Wie für Luther war für Zwingli Christus das alleinige Fundament der Kirche. Dabei versteht er die Kirche als Gemeinschaft derer, deren Glaube sich in Christus gründet.
Für Johannes Calvin, den Reformator aus Genf, war die Souveränität Gottes ein Grundzug seiner Theologie: Gott ist der souveräne Herrscher und alle Autorität auf Erden wird aus seiner letztgültigen Autorität abgeleitet. Daher traten in Calvins Verkündigung zwei Dinge besonders hervor: Zum einen der Ruf nach dem Gehorsam gegen Gottes Gebote und zum anderen die Aufforderung, dass alles im Leben des Christen zur Ehre Gottes dienen müsse. Daher ist seine Strenge zu erklären, die bis zur Ausstattung der Kirchen noch heute feststellbar ist. Calvins "Zur Ehre Gottes" hatte ebenfalls Auswirkungen in der Wirtschaftspolltik. So hat der Sozial- und Wirtschaftshistoriker Max Weber den Einfluss des Calvinismus auf den Kapitalismus nachgewiesen.
"Bei der Sicherung des Gehorsams gegenüber den göttlichen Bestimmungen verließ Calvin sich auch auf die Mithilfe des Staates, da Gott als letztgültige Autorität in dieser Welt auch durch die Regierung wirke [ ... ]. Die weltlichen Mächte wurden von Calvin aufgefordert, dafür zu sorgen, dass die zweite Tafel der Zehn Gebote befolgt wurde, und man ermahnte sie zum Gehorsam gegenüber der ersten Tafel. Da letztlich nur die geistliche Obrigkeit beurteilen könne, was angemessene Lehre ist, müssten sie sich auch mit religiösen, moralischen und sozialen Fragen befassen. Um den kirchlichen Entscheidungen dann aber Nachdruck zu verleihen, verließ man sich gern auf die weltliche Macht, fehlten doch eigene weltliche Machtmittel. Damit war unvermeidbar, dass die kirchlichen Mächte eine Position zu erreichen versuchten, die der der Regierung übergeordnet war. Dies bedeutete, dass es keine religiöse Freiheit geben konnte: Staat und Kirche existierten allein zur Ehre Gottes und waren verpflichtet, die reine Lehre zu gewährleisten.
Luther, Zwingli und Calvin wollten eine Kirche, die sich nur auf die Autorität der Bibel gründete. Deshalb kam es zum Bruch mit der katholischen Kirche. Doch auch ihre Lehre war nicht einheitlich. Besonders deutlich wurde das bei der Frage nach der Bedeutung des Abendmahls. Während Luther die Auffassung vertrat, dass während der Abendmahlsfeler Jesus in Brot und Wein leiblich anwesend sei, betonte Zwingli den Aspekt der Erinnerung an das Leiden und Sterben Jesu Christi, Calvin dagegen stellte die Gemeinschaft mit Jesus Christus, die durch Brot und Wein sichtbar gemacht wird, in den Vordergrund.
Überlegungen zu den Intentionen
Bei der Thematisierung der Reformation anhand des Wirkens von Zwingli und Calvin kann aufgezeigt werden, dass neben Luther, der in den Klassen 7 und 8 behandelt wurde, noch andere Personen die Reformation - in Deutschland und weltweit - bewirkt haben. Dabei sollte versucht werden, die Bedeutung und die Auswirkungen der Reformatoren Zwingli und Calvin auf heutige Strukturen und Denkweisen deutlich zu machen. Nicht zuletzt werden die Schülerinnen und Schüler an dem Beispiel des unterschiedlichen Verständnisses des Abendmahls darauf verwiesen, sich selbst mit seiner Bedeutung auseinander zu setzen.
Empfehlenswert bei der Behandlung des Themas ist eine Zusammenarbeit mit dem Geschichtsunterricht, um die historischen Hintergründe voraussetzen zu können. Auf die wirtschaftspolitischen Konsequenzen des Calvinismus wurde bewusst verzichtet, da dieser Aspekt in der Oberstufe thematisiert wird.
Inhaltsverzeichnis
EINFÜHRUNG
UNTERRICHTSVERLAUF
MATERIALIEN
Einstieg
M 1 Die christliche Kirche ist gespalten Die Schülerlinnen werden auf Spaltungen der Kirche aufmerksam und ordnen ihnen bekannte Kirchen zu.
Huldrych Zwingli
M 2 "Es geht um die Wurst"
Die Freiheit zeigt sich in der demonstrativen Durchbrechung der Fastengebote
M 3 Zwingli -sein Leben und Wirken
Die Schülerlinnen lernen die Biografie Zwinglis kennen.
M 4 Huldrych Zwingli: Kirche als Basisgemeinschaft
Der Kirchenbegriff Zwinglis - im Gegensatz zur mittelalterlichen Kirche - wird herausgearbeitet.
M 5 Die Zürcher Disputation
Die Schülerlinnen lernen die Zürcher Disputation als Grundlage für die Reformation Zwinglis in Zürich kennen.
Johannes Calvin
M 6 Calvins Begegnung mit Farel
Die Schülerlinnen vollziehen die Begegnung der Genfer Reformatoren Calvin und Farel nach
M 7 Johannes Calvin (1509-1564)
Die Schülerlinnen lernen die Blografie Calvins und erkennen seine Strenge anhand eines Porträts.
M 8 Calvins Kirchenreform in Genf
Die Struktur der Gemeinde in Genf (und ihre Strenge) wird herausgearbeitet
M 9 Kirchenzucht in Genf
Anhand von Beispielen wird die Kirchenzucht in Genf verdeutlicht.
M 10 Aus der Genfer Kirchenordnung (1561)
Die Schülerlinnen lernen die Organisation in Genf kennen.
M 11 Der Genfer Gottesstaat
Die Schülerlinnen lernen Einzelheiten des Genfer Gottesstaates kennen und vergleichen sie mit heutigen Verhältnissen
M 12 Johannes Calvin: Unterricht in der christlichen Religion
Die Schülerlinnen beschäftigen sich vertiefend mit der Lehre Calvins
(Schöpfung und Vorsehung, Prädestination).
M 13 Die Ausbreitung der Reformation Die Reformation wird als weltweit erfahren.
Da Abendmahl - ein Problem seit der Reformation
M 14 Uneinigkeit in der Lehre vom Abendmahl
Die Schülerlinnen lernen die unterschiedliche Auffassung der Reformatoren vom Abendmahl kennen.
M 15 RealeTischgemeinschaft(Folie) Bei der Interpretation des Bildes wird entdeckt dass das Abendmahl Menschen unterschiedlicher Kulturen verbinden kann.
M16 Das Abendmahl in unserer Gemeinde
Die Schülerlinnen beschäftigen sich mit dem Abendmahl in ihrer Gemeinde.
M17 Brot in deiner Hand
Die Schülerlinnen vollziehen das Verbindende des gemeinsamen Essens nach.
IDEENBÖRSE
TAFELBILD
Brennpunkte