Vorwort
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Für die zentrale Entwicklungsaufgabe der Jugendlichen, nämlich den Aufbau einer autonomen Persönlichkeit bzw. die Identitätsfindung, spielt die Auseinandersetzung mit dem Themenfeld Liebe, Partnerschaft, Sexualität eine große Rolle. Sie erleben enorme körperliche Veränderungen, die sie zur Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Geschlechtlichkeit bzw. ihrer Geschlechtsrolle herausfordern; gleichzeitig erwacht das Interesse am anderen Geschlecht und damit beginnt die Suche nach geeigneten Formen von Partnerschaft und sexueller Intimität. Verschiedene Umfragen und Studien zum Jugendalter (z. B. die Shell-Studie) belegen dabei, dass die Jugendlichen diese Fragen entgegen gängigen Vorurteilen i. d. R. mit einer großen Ernsthaftigkeit angehen. Das Aufwachsen in einer pluralistischen Gesellschaft stellt sie bei der Suche nach geeigneten Wertmustern und Sinnkriterien zur Orientierung ihres Verhaltens in Bezug auf Partnerschaft und Sexualität vor eine schwierige Aufgabe.
Innerhalb der pluralen Gesellschaft steht das christliche Welt- und Sinndeutungsmuster in Konkurrenz zu einer Vielzahl anderer Lebensmuster und hat gerade in Bezug auf Fragen der Sexualmoral stark an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Nicht selten entsteht in der Öffentlichkeit - nicht zuletzt durch die Darstellung der Medien - das Bild einer sexualpessimistischen oder gar -feindlichen Kirche. Jede/r Religionslehrer/in kennt z. B. die - nicht nur von Jugendlichen - immer wieder angeführte Kritik am "Papst, der die Pille verbietet" und das angesichts von Überbevölkerung. Nur ein Beispiel für die scheinbar antiquierten und lebensfernen Vorstellungen und Vorschriften zum Thema, die den Jugendlichen keinerlei Orientierung mehr bieten. Es besteht sogar die Gefahr, dass die Sexualität zum Störfaktor in der wachsenden Gottesbeziehung der Jugendlichen wird.
Ein Blick auf zentrale biblische Texte wie den Schöpfungsbericht oder das Hohelied Salomos zeigt indes, dass die jüdisch-christliche Tradition in ihrem Ursprung keineswegs so sexualfeindlich ist, wie es die Wirkungsgeschichte vor allem kirchenväterlicher Aussagen von Origines bis Augustinus innerhalb der katholischen Kirche vermuten lässt. Diese hatten lange Zeit dazu geführt, dass Sexualität als ein durch den "Sündenfall" verursachtes Übel angesehen wurde, das nur zur Zeugung von Nachkommen hingenommen werden kann. Die Auffassung von Sexualität als Sprache der Liebe, eingebettet in ein ganzheitliches, leib-seelisches jüdisch-christliches Menschenbild, wie sie sich in den Ausführungen von Theologen wie Franz Böckle, Wolfgang Bartholomäus u. a., aber auch in kirchenamtlichen Texten seit dem II. Vatikanischen Konzil widerspiegelt, eröffnet indes den Blick auf die vielfältigen Sinndimensionen der Sexualität als Ausdruck von Liebe, Erfahrung von Identität, Lust und Fruchtbarkeit. Sie ist durchaus geeignet, junge Menschen auf der Suche nach lust- und liebevoll erlebter menschenwürdiger Sexualität zu begleiten und ihnen auch in diesem Bereich die befreiende und sinnstiftende Botschaft Christi zu erschließen.
Didaktische Überlegungen/Zielsetzungen
Leider finden gerade diese oben angedeuteten positiven Impulse aus dem christlichen Glauben zum Thema Sexualität in der Öffentlichkeit wenig Beachtung. Gerade hier setzt die Aufgabe des Religionsunterrichts an, der sich nicht damit zufrieden geben sollte, die Verteidigung gegen medienwirksame Schlagzeilen zu übernehmen. Vielmehr sollte er die Jugendlichen anregen, sich mit einer im kirchlichen Raum gegenwärtigen positiven Sicht von Sexualität und Partnerschaft auseinander zu setzen, aber zugleich auch die z.T. durchaus hohen Ansprüche an das eigene Verhalten zu bedenken, die für das Gelingen menschenwürdiger Partnerschaft und Sexualität Voraussetzung sind. Diesem Ziel dient die vorliegende Unterrichtsreihe. Ausgehend von der - für die Jugendlichen zumeist keineswegs leicht zu beantwortenden - Frage, was denn Liebe sei, möchte die vorliegende Unterrichtssequenz die Jugendlichen ermutigen, eigene Vorstellungen von Partnerschaft zu entwickeln und zugleich zu überprüfen. Zuerst wird angestrebt, die Schüler/innen zum Nachdenken anzuregen und den Austausch über dieses Thema innerhalb der Lerngruppe durch geeignete Methoden und Medien zu fördern - nicht selten haben die Jugendlichen Hemmungen, sich offen und zugleich sachlich im Unterricht zu diesem Thema zu äußern. Eine Auseinandersetzung mit zentralen biblischen Texten soll die für die Schüler/innen vielleicht überraschend positive Wertung der Sexualität in der jüdisch-christlichen Tradition verdeutlichen. Für die Jugendlichen beschränkt sich das Wissen über Lehraussagen der Kirche zu diesem Thema zumeist auf das Verbot von vorehelichem Geschlechtsverkehr und Verhütungsmitteln - eine Auseinandersetzung mit den vielfältigen Sinndimensionen von Sexualität sowie die Lektüre von Auszügen diesbezüglicher kirchenamtlicher Texte soll den Jugendlichen die Begründungszusammenhänge solcher Thesen verdeutlichen sowie sie selbst anregen, Kriterien für das Gelingen menschenwürdiger sexueller Beziehungen zu entwickeln. Ein Blick auf das kirchliche Eheverständnis, bei dem der Zusammenhang zwischen Gottes- und Nächsten- bzw. Partnerliebe in den Blick genommen wird, rundet die Beschäftigung mit den christlichen Wertvorstellungen in Bezug auf das Thema ab. Fakultativ - abhängig von den Interessen der Lerngruppe - können noch Konfliktfälle wie das Zerbrechen von Partnerschaften, die Frage nach sexuellen Beziehungen angesichts von Aids oder der Umgang mit Homosexualität besprochen werden. Grundsätzlich ist bei diesem Thema ein fächerübergreifendes Arbeiten etwa mit den Fächern Biologie und Sozialwissenschaften anzuregen.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG UND DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN/ZELSETZUNGEN
2. UNTERRICHTSVERLAUF
3. MATERIALIEN
Einführung
M1 Liebe ist - Erkläre mir die Liebe!
M2a Begriffsklärung: - Erotische Liebe
M2b Begriffsklärung: - Platonische Liebe - Nächstenliebe (Agape)
M3 Was Dichter unter Liebe verstehen - Lieben kann alles mögliche heißen
M4 Das Hohelied - Ein Beispiel für erotische Lyrik in der Bibel
Auf dem Weg zur Partnerschaft
M5 Impulskarten für ein Gespräch über Partnerschaft - Fragen, die man stellen muss
M6 Bausteine für ein Partnerschaftshaus - Worauf bauen wir unsere Beziehung?
Sexualität - mehr als körperliche Liebe
M7 Sexualität hat viele Dimensionen - Liebe ist viel mehr
M8a Das erste Mal - Wie soll ich mich entscheiden?
M8b Das erste Mal - Kriterien zur Entscheidungsfindung
M9 Mit oder ohne Liebe? - Sich lieben ohne zu lieben
M10 Streitfall: Voreheliche Sexualität - Was hat die Kirche dazu zu sagen?
Von der Partnerschaft zur Ehe
M11 Was erwarte ich von der Ehe? - Alles oder nichts
M12 Bis dass der Tod uns scheidet - Kann man das überhaupt versprechen?
M13 Der Zusammenhang von Gottes- und Partnerliebe - Eines ohne das Andere?
M14a Das kirchliche Eheverständnis - Ehe als Gabe, Aufgabe und Sakrament
M14b Folie - Sieger Köder - Vollendung
M14C Vollendung - Gott - immer der Dritte im Bunde
M15 Konfliktfall Aids - Darüber müssen wir sprechen
4. ZEITAUFGABEN
5. OFFENER UNTERRICHT
6. TAFELBILDER