Vorwort
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
"Gott hat mich gerufen, immer wieder gerufen, und ich bin Seinem Ruf gefolgt." Das ist die Antwort auf die Frage: "Wie kamen Sie darauf, ins Kloster zu gehen?" Diese Frage ist der 84jährigen Ordensschwester, die noch in ihrem Alter den Dienst an der Schulpforte eines kirchlichen Mädchengymnasiums versieht, schon hunderte Male von Schülerinnen gestellt worden. Diesen Mädchen fällt es schwer nachzuvollziehen, dass man seit 60 Jahren im Kloster lebt.
Eigentlich hat die Ordensschwester in diesen sechs Jahrzehnten viele Berufe ausgeübt. Sie hat fast zwanzig Jahre ein großes Kinderheim geleitet, später, bald ebenso lange, eine Berufsfachschule für Mädchen. Seit weiteren zwanzig Jahren wäre sie eigentlich im Ruhestand. Doch Berufe von Ordensleuten sind Rufe Gottes, der sie berufen hat, nicht einem Job nachzugehen, sondern den Demut = Mut zum Dienen als eine Lebensaufgabe zu verstehen. Tatsächlich gibt ein Mensch Vieles auf, wenn er sich dem Dienst an Gott durch den Dienst am Mitmenschen verschreibt. Denn das bedeutet: Aufgabe der persönlichen Freiheit und vieler Wünsche, Verzicht auf Ehe, Familie und privaten Besitz, Jasagen zu den zugeteilten Aufgaben an einem vorgeschriebenen Aufenthaltsort.
Letzteres fällt unter das Gelöbnis des Gehorsams, an dem manche starke Persönlichkeit zu zerbrechen droht. Vielleicht kommt aber auch alles auf die Perspektive an: Gehorche ich bedingungslos den Anordnungen eines Menschen oder horche ich darauf, welche Aufgabe Gott mir zugedacht hat, wobei er die jeweilige Ordensleitung als Sprachrohr wählt? Das Ordensleben fordert einen hohen persönlichen Einsatz: jederzeit und überall dem Herrn zu dienen, wo Menschen für Menschen gebraucht werden. Ordensleute wissen, dass Gott ihnen einen Platz im Leben zugedacht hat, den nur sie voll ausfüllen und nicht verlassen können, weil sie nur von diesem, ihrem spirituellen Standort aus am Aufbau des Reiches Gottes mitwirken können. Einen zugewiesenen Platz beibehalten bedeutet aber nicht Stillstand, Bewegungslosigkeit und Abschottung vom Leben - im Gegenteil. Erwartet wird eine große Offenheit für die verschiedensten Anforderungen, die eine Ordensgemeinschaft an sich stellt, um das nie endende Elend zahlloser Menschen lindern zu können. Richtig verstandener Gehorsam setzt genau hier an: Da, wo Kräfte gebraucht werden, müssen sie auch zum Einsatz kommen; dann treten private Berufsziele einzelner Ordensleute in den Hintergrund, ebenso die Wahl des Einsatzortes.
Selbstverleugnung statt Selbstverwirklichung oder Selbstverwirklichung durch Selbstverleugnung? Darüber lohnt es sich nachzudenken.
Die alte Ordensfrau hat viel darüber nachgedacht und ist zu einem Resümee gekommen: "Wir Ordensleute führen ein sehr reiches Leben: Wir verlassen das Elternhaus, um in der Welt zu Hause zu sein; wir verzichten auf eine Familie zugunsten der großen Gemeinschaft im Orden. Wir sind frei, weil wir uns nicht weltlichen Götzen sondern nur dem Willen des allwissenden Schöpfers unterstellen. Wir werden unendlich beschenkt durch das Leuchten in den Augen der Menschen, deren Leid wir ein wenig zu lindern vermögen."
DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN/ZIELSETZUNGEN
"Klosterleben - um Himmels Willen - das wäre das Letzte für mich!"
Erwarten Sie eine andere Reaktion von den Schülerinnen und Schülern?
Warum haben die Orden ein so schlechtes Image, warum gilt das Ordensleben als höchst unattraktiv?
Diese Fragen sollten im Hinterkopf präsent sein, wenn das Thema im Religionsunterricht behandelt wird. Es gilt, ein alternatives, positives Bild aufzubauen über Lebensgemeinschaften, die sich dem Gebet und dem selbstlosen Dienst am Nächsten verschrieben haben. Wie aber kann man jungen Menschen, die in der westlichen Welt mit den ihr eigenen Werten der Konsumsucht, des Karrieredenkens, der fortschreitenden Individualisierung aufwachsen, verdeutlichen, dass die Arbeit mit dem Mitmenschen am Mitmenschen letztendlich die einzige ist, die sinnerhaltend bleibt? Teamwork und Gemeinschaftsdenken, weltweite Kommunikation und Selbstverwirklichung durch Mobilisierung aller Kraft und Kreativität sind doch Begriffe, die das moderne Denken prägen. Genau das aber praktizieren die Ordensgemeinschaften schon seit Jahrhunderten. Ist das nur vergessen oder missverstanden worden? Gerade in den letzten Jahren haben sich viele Ordensmitglieder neu darauf besonnen, dass sie stets Pioniere waren, die das Evangelium immer wieder in fremden Kulturen, unter veränderten Bedingungen und in Anpassung an den wechselnden Zeitgeist interpretieren mussten. Die Frohe Botschaft auf einen Punkt gebracht lautet unverändert: "Liebe Gott und (damit) deinen Nächsten wie dich selbst". Nur die Ausdrucksformen dieser Liebe dürfen nicht erstarren; einem Menschen des 20. Jahrhunderts darf man nicht unter den Bedingungen des Mittelalters begegnen, das verstände er nicht mehr. Christliche Normen und religiöse Werte bleiben der Maßstab des Handelns; die Handlungen selber haben ein neues Gesicht. Es gilt, den Schülerinnen und Schülern dieses neue Selbstbild der Orden zu vermitteln, das dann auch den jungen Menschen faszinieren kann. Denn dass das Bedürfnis nach Lebensgemeinschaften besteht, die durch ein "Programm" und feste Regeln Sinngebung vermitteln, haben falsche Propheten erkannt, die den jugendlichen in Sekten "eine heile Welt" versprechen. Welche Chancen verpassen die traditionellen Orden, wenn sie die Sinnsuche der heranwachsenden Generationen nicht erkennen und gar nicht oder völlig unzureichend darauf reagieren? Ohne Gehirnwäsche, finanzielle Ausbeutung und Vernichtung der Persönlichkeit Vieler zum Nutzen eines Einzelnen (Gurus) könnten sie mit einer Freiheit, die nur das Evangelium ermöglicht, jungen, kreativen, toleranten, weltoffenen und einsatzwilligen Menschen Wege eröffnen, die ihnen kein noch so attraktiver Arbeitsplatz bieten kann: und das ohne Gehaltssorgen, denn jeder hat alles, was er braucht; ohne Angst vor Arbeitslosigkeit, denn Arbeit ist mehr da, als man bewältigen kann; ohne Notwendigkeit der Altersvorsorge, denn auch im Alter sind Ordensmitglieder nie einsam oder unversorgt. Die vorliegende Reihe sollte allerdings auch nicht verschweigen, dass das Leben in einer Klostergemeinschaft nicht den Himmel auf Erden bedeutet, dass auch dort, wie in jeder Gemeinschaft, die aus (fehlbaren) Menschen besteht, Gefühle wie Neid, Eifersucht und Zweifel aufkommen. Auch dort geht es nicht ohne tägliche Neubesinnung auf das Wesentliche, um nicht zu scheitern und menschlich zu versagen. Vielleicht aber geben der tägliche Gottesdienst und das regelmäßige Gebet als Mitte des Tages stets neue Kraft für ein Verbleiben in der Nachfolge Christi.
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG UND DIDAKTISCHE ÜBERLEGUNGEN/ZELSETZUNGEN
2. UNTERRICHTSVERLAUF
3. MATERIALIEN
Einstieg
M1 Brainstorming: "So stelle ich mir das Leben einer Nonne/eines Mönches vor"
M2 So viel Unbekanntes: Erklärung wesentlicher Fachbegriffe zum Ordensleben - alternativ erläutert durch einen Lückentext
Organisatoirisches, Formales und Wesentliches
M3 Klosterzelle (Folie) - Eine kärglich ausgestattete Klosterzelle verdeutlicht das "andere" Leben
im Orden
M4 Tagesablauf: Sinn eines festen Tagesablaufs einschließlich aller sieben Gebetszeiten
M5 Hierarchie in einem Orden: Stufen vom Postulat bis zur Ordensleitung
M6 Voraussetzungen für ein Leben im Kloster - Gesundheit/Mindest- bzw. Höchstalter/tieferGlaube/christliche Gesinnung
M7 Berufung - Berufung als Voraussetzung für eine ungewöhnliche Lebensform
M8 Armut: Sinn und Ziel des Verzichtes auf privaten Besitz
M9 Gehorsam - ein Problem? - Sinnvoller Gehorsam zum Wohl der Gemeinschaft contra Gehorsam als Selbstzweck
M10 Einheitlichkeit - oder auch Sonderformen? - Ordensleute "in Zivil" und "Dritte Orden"
Unterschiedliche Orden für unterschiedliche Aufgaben
M11 Missionsorden - Vermittlung der Frohen Botschaft durch Wort und Tat
M12 Kontemplative Orden: Beten für die Welt als Lebensaufgabe
M13 "Aussteiger-Steckbriefe" - Kurzes Vorstellen dreier Ordensgründer/Innen und eines Eremiten
M14 Evangelische Kommunitäten - Hörszene zu evangelischen Ordensgemeinschaften
M15 Eine Woche Klosterleben: Klöster bieten Exerzitien an für gestresste Menschen (Rollenspiel)
Zusammenschau
M16 Collage Anregungen und Vorschläge
4. ZEITAUFGABEN
5. OFFENER UNTERRICHT/IDEEN
6. TAFELBILDER