Einführung
Nach einer Emnid-Umfrage aus dem Herbst 1997 ist der Islam diejenige Weltreligion, die in der deutschen Öffentlichkeit auf die meisten vorbehalte stößt. 52 Prozent der Deutschen stehen demnach Muslimen "eher negativ" gegenüber. Dahinter steht wohl weniger eigene Erfahrung als vielmehr das medial vermittelte Bild eines fanatischen und aggressiven Islam, das an zum Teil Jahrhunderte alte Ressentiments des europäischen "Abendlandes" gegenüber dem muslimischen "Morgenland" anknüpft. Die Attentate vom 11.September 2001 haben dem häufig von wechselseitiger Feindseligkeit gekennzeichneten Verhältnis fundamental geschadet und auf beiden Seiten das Misstrauen noch vertieft. Im Kontext aktueller Zuwanderungsdebatten drohen so nicht zuletzt die über 3 Millionen in Deutschland lebenden Muslime zum Feindbild unserer Gesellschaft zu werden.
Das Bild, das sich so tief in unser Bewusstsein eingeprägt hat, wird indes weder der überwältigenden Zahl friedlich lebender Muslime noch der Friedensbotschaft des Korans gerecht. Aufklärung tut also Not, zumal Unwissenheit und Ignoranz der Nährboden für ein vermeintliches Überlegenheitsgefühl sind, das schließlich in Fremdenhass umschlagen kann.
So kann nur auf der Basis fundierter Kenntnisse entschieden werden, inwiefern bei extremistischen Anschlägen einzelner Muslime die Religion zur Legitimation von brutaler Gewalt im Kontext politischer und sozialer Auseinandersetzung missbraucht wird. Es gilt also auch im Religionsunterricht den Zugang zu einer Religion zu eröffnen, die sich facettenreich darstellt. Die großartigen Traditionen des Islam, in denen ein großer und vielgestaltiger geistlicher und ethischer Reichtum angelegt ist und die gleichsam von Versöhnung, Respekt und Gewaltlosigkeit zeugen, müssen stärker ins Bewusstsein gerückt werden. Was also kennzeichnet den Islam, dem über eine Milliarde Menschen angehören? Welches Bild entspricht der Wirklichkeit, welches ist bloßes Vorurteil?
Die hierfür notwendig erklärte Aufklärung nährt sich aus dezidiert christlichem Impuls und Selbstverständnis. Nach dem II. Vatikanum verwirft die katholische Kirche "nichts von dem, was in [den] Religionen wahr und heilig ist" (Nostra aetate2).wer glaubwürdig aus dem Geist Christi zu leben versucht, der wird sich für das ihm Fremde öffnen und für einen beständigen Dialog mit den anderen Religionen bereit sein - für einen wechselseitigen Austausch, der weder unkritisch ist noch die eigene Unverwechselbarkeit vergessen macht. Es ist diese sich aus der Kraft des eigenen Glaubens nährende Gesprächsbereitschaft, die es im Religionsunterricht zu wecken gilt und die in eine Haltung dauerhafter Achtung vor dem Anderen münden sollte.
Auch wenn hier das komplexe und vielgestaltige Phänomen des Islam nicht in seiner Fülle in den Blick geraten kann, so geht doch bereits mit jeder über bloße Vordergründigkeiten hinausgehenden Annäherung an ihn eine Profilierung des Eigenen einher. In der Beschäftigung mit dem Fremden wird die eigene Religion in ihren Grundelementen deutlicher fassbar; ein Gedanke, der der vorliegenden Reihe strukturell zugrunde liegt.
Didaktische Überlegungen / Zielsetzungen
Die vorliegende Ausgabe knüpft an das komplexe, evtl. widersprüchliche Bild des Islam an, das die Schüler/innen durch persönliche Begegnungen, aber auch immer stärker durch die Vermittlung der Medien mitbringen und in den Unterricht einbringen (M1-2). Vorschnelle Urteile und diffuse Bilder sollen für den Unterricht fruchtbar hinterfragt werden und zur Beschäftigung mit den Grundlagen des Islam (M3-6) motivieren. Die Materialien M1-6 sind besonders für die Jahrgangsstufen 7/8, evtl. auch für jüngere Schüler/Innen geeignet; wohingegen sich die Bearbeitung der aktuellen Brennpunkte (M8-12) wohl eher in den höheren Jahrgangsstufen 9/10 anbietet.
Gerade bei der Beschäftigung mit dem Fundament des Islam sollte der Blick zum tieferen Verständnis immer wieder auch auf die eigene Religion gewendet werden. Dies ist vor allem dort nötig, wo wir fundamentalen orthodoxen Glaubensaussagen und Positionen des Islam argumentativ begegnen wollen. Kennen wir unseren christlichen Glauben und den Glauben der Muslime gut genug, um Rechenschaft geben und im Gespräch urteilen zu können?
Zu einem kontrastierenden Vergleich reizt auch eine Gegenüberstellung der beiden Religionsgründer: Jesus Christus und Mohammed. Jesus gilt für Muslime als Prophet aber keineswegs als Gottessohn. Ferner können auch Koran und Bibel auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin befragt werden.
Angesichts der eingangs angesprochenen Ressentiments sollen vor dem Hintergrund tagesaktueller Ereignisse die Brennpunkte im christlich-muslimischen Miteinander in aller Offenheit angegangen werden. Exemplarisch sind dies die Entstehung und die Bedeutung des Fundamentalismus (M11/12), die Frage nach der Stellung der Frau (in beiden Religionen?) (M 10 a/b), das schwierige Verhältnis von Scharia und Menschenrechten (M9a/b) sowie die häufig missbrauchte Rede vom "Heiligen Krieg" (M8).
Ein tieferes Verständnis beugt der Gefahr vor, den Reichtum beider Religionen gegeneinander auszuspielen - eine wichtige Voraussetzung für einen offenen und befruchtenden Dialog. Dies kann und sollte durch einen lebendigen Austausch mit muslimischen Schülern und Lehrern, ggf. auch im fächerübergreifenden Unterricht (Geschichte, Deutsch, Sozialwissenschaften) vertieft werden. Ein gutes Ergebnis läge in der Erkenntnis, dass beide Religionen Impulse geben können für eine von Respekt, Wertschätzung und Frieden geprägte Gesellschaftsordnung.
Inhaltsverzeichnis
EINFÜHRUNG
UNTERRICHTSVERLAUF
MATERIALIEN
Einstieg
M 1 Folie
M 2 Was weißt du über den Islam? Überblick über Verbreitung
Grundlagen
M 3/1 Das Leben des Propheten Mohammed Textpuzzle 1
M 3/2 Das Leben des Propheten Mohammed TextpuzzIe2
M 4/1 Der Koran 1 Entstehung
M 4/2 Der Koran 2 Probleme der Auslegung
M 5/1 Die Grundlagen des Glaubens Die fünf Säulen des Islam
M 5/2 Die fünfte Säule Die Pilgerfahrt nach Mekka
M 6 Allah Der eine Gott
Die wichtigisten Gruppen im Islam
M 7/1 Schiiten und Sunniten Die beiden größten Gruppen
M 7/2 Sufismus Die Mystik des Islam
Brennpunkte
M 8/1 Was bedeutet Dschihad? Äußerer und innerer Kampf
M 8/2 Dschihad -ein heiliger Krieg? Ein vieldeutiger Begriff
M 9/1 Scharia Gesetz und Pflicht
M 9/2 Scharia Konfliktfall: Scharia und Menschenrechte
M 10/1 Stellung der Frau 1 Streitfrage Kopftuch
M 10/2 Stellung der Frau 2 Über die Ehe
M 11 Fundamentalismus Das falsche Bild
M 12 Dialogbereitschaft des Islam Kontroverse Positionen
IDEENBÖRSE
TAFELBILD