Jean-Pierre Sterck-Degueldre
Skurrile Storys der Bibel
Mk 5,1-20 und 12,1-12 einmal anders erschlossen
Zum Inhalt und zur Zielsetzung dieser Ausgabe
Vom schlauen Bilanzfälscher, dem Geld, das die Welt regiert, von Mord und Totschlag
Manche Gleichnisse (z.B. Lk 16,1-13; Mk 12,1-12; Mt 18,23-35; 25,14-30) haben es in sich: Theologinnen und Theologen schlagen exegetische Purzelbäume, um die Frohe Botschaft zu retten. Mk 12,1-12 ist ein Paradebeispiel dafür: eine Geschichte voller Hass, Gewaltausschreitungen bis zum Mord. Das Blut spritzt den Leserinnen und Lesern vom Blatt förmlich ins Auge. Wo ist da die Frohe Botschaft vom Reich Gottes? Auch manche Wundergeschichten schrecken den modernen Leser eher ab. Weiß man doch um den Symbolgehalt der erst nachösterlich entstandenen Naturwundergeschichten (z.B. Jesu Gang über das Wasser, die Brotvermehrung, Sturmstillung), die nicht auf ein historisches Ereignis im Leben Jesus zurückzuführen sind, so gelten Exorzismen und Heilungsgeschichten als im Kern historisch. Was ist aber dann mit solch kuriosen Wundererzählungen wie z.B. „Die Heilung des Besessenen bei Gerasa“ (Mk 5,1-20)? Können sich die meisten noch mit einem Jesus anfreunden, der auf Fremde, Unreine und Kranke zugeht, so muten Dämonenaustreibungen eher befremdlich an. Die Vorstellung, Jesus sei ein Exorzist gewesen, löst bei Lehrpersonen und noch mehr bei Schülerinnen und Schülern Assoziationen aus, die allgemein von Horrorszenen aus Gruselfilmen geprägt sind. Oder war Jesus so etwas wie ein Pater Amorth der Antike? (Der italienische römisch-katholische Priester Gabriele Amorth war seit 1986 Exorzist der Diözese Rom; 1994 wurde er zum Präsidenten der Internationalen Vereinigung der Exorzisten gewählt.) Ein didaktisches Unbehagen macht sich breit und ist im Klassenraum fast mit Händen zu greifen. Bewirkt Jesus durch sein Heilshandeln den Tod von 2000 Schweinen, so schreien spätestens hier Natur- und Tierschützer auf. Das hat nun gar nichts mehr mit dem herkömmlichen Jesusbild zu tun. Dieser Jesus wirkt eher unbekömmlich! Die Arbeit mit der Wundererzählung vom Gerasener tangiert die biblische Begrifflíchkeit von Besessenheit im Rahmen dieser Perikope, allerdings ohne eine übergreifende Thematisierung der Topoi „Dämonen“/„Exorzismus“ zu liefern. Diese Aufgabe bleibt einer weiteren Ausgabe im Jahrgang 2017 vorbehalten. Exemplarisch an diesen beiden skurrilen Erzählungen sollen didaktische Impulse aufgezeigt werden, die neutestamentlichen Texte mit Schülerinnen und Schülern sowohl diachron als auch synchron zu erschließen. Neben der Aneignung von bibelkundlichem Wissen, dem Einüben metaphorischer Sprache stehen dabei die Lebensrelevanz und Übertragung biblischer Zeugnisse auf aktuelle gesellschaftliche Belange im Vordergrund. Zwei didaktische Ansätze: Kriminalistik und filmhermeneutische Bibeldidaktik Tatort Bibel: Das Buch der Bücher fesselnd wie ein Krimi? Die Bibel ist voller Verbrechen, Gaunereien und Rätsel! Die Heilige Schrift inszeniert in ihren Erzählungen nicht nur die Sonnenseiten des Menschen und seiner Beziehung zu Gott, sie wirft auch den Blick in die Abgründe menschlichen Lebens: Es kommen „Kriminalgeschichten“ zum Vorschein, die Neid, Eifersucht, Streit, Mobbing, Feigheit, Gewalt und Hinterlist bis hin zu Mord und Totschlag zum Thema haben. Gleichsam wie ein Detektiv können die Schülerinnen und Schüler mit diesem Material auf Spurensuche gehen, den Tathergang und die Motive zu klären. Exemplarisch zu Mk 12,1-12 bietet das Heft einige Impulse, die Erzählung einmal anders zu betrachten und zugleich diachrone und synchrone Exegese an den biblischen Text heranzutragen und diese mit der Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler heute zu korrelieren. Als Adressaten sind hier vorrangig Schülerinnen und Schüler der Klassen 7-8 angesprochen.