Ulrike Lissekj/Arnhild Nachreiner
Kirche vor Ort - Kirche konkret
Einführung
Der schulische Religionsunterricht (in der Folge abgekürzt: RU) ist spätestens seit den 70er Jahren aus der Funktion der kirchlich gebundenen Glaubensunterweisung herausgetreten, in welcher der Katechismus ein zentraler Unterrichtsgegenstand war. In den letzten 30 Jahren hat er vielfältige konzeptionelle Entwicklungslinien durchlaufen. Aktuell ist der RU geprägt von den pluralistischen und multikulturellen Einflüssen einer zunehmend säkularisierten Gesellschaft. Die aktuelle 14. Shell Jugendstudie vermittelt dies im Hinblick auf die Jugendlichen des Jahres 2003 in eindrücklicher Weise: Nur noch 19% der Jugendlichen nehmen in den alten Bundesländern die kirchlichen Angebote wie Gottesdienst und Jugendgruppen an. In den neuen Bundesländern, in denen nur ca. 30% der Schülerinnen und Schüler überhaupt konfessionell gebunden sind, ist diese Entwicklung noch einschneidender (14% halten Gott hier für „wichtig"). Gleichzeitig ist jedoch das Interesse an Religion ungebrochen (Jugend 2002. 14. Shell Jugendstudie; Frankfurt a.M. 2003). Häufig wird hierzu in den Medien die Begeisterung Jugendlicher auf monumentalen Veranstaltungen wie dem Weltjugendtag, den Katholikentagen oder den Evangelischen Kirchentagen thematisiert. Dieser Situation sehen sich der Religionslehrer und die Religionslehrerin gegenüber, die ein Unterrichtsvorhaben zum Themenfeld Kirche konzipieren wollen.
„Die Kirche" ist eine Ausdrucksform, die Schüler und Schülerinnen (im Folgenden abgekürzt: SuS) oft verwenden. Häufig wird dabei auch im konfessionellen RU nicht zwischen evangelisch und katholisch, zwischen offiziellen Verlautbarungen oder singulären Positionen von kirchlichen Amtsträgern differenziert.
„Die Kirche" steht unter Generalverdacht. So konnte sich in den letzten Jahren das Genre des religiösen Thrillers im Jg. 9/10 fest etablieren (Sakrileg, Illuminati etc), das einen Wust von Verschwörungen mit Vorliebe unter den Dächern des Vatikans vermutet. Die Beschäftigung mit dem breiten Themenfeld „Kirche" ist deshalb immer auch apologetisch (vgl. dazu Neuhaus).
In den vorliegenden projektorientierten Bausteinen für eine Unterrichtsreihe soll die Kirche als Forschungsgegenstand fokussiert werden, soll bewusst eine konkretisierende und regional angebundene Perspektive eingenommen werden.
Eine Prämisse dieser Elemente bildet das entdeckende Lernen, das gleichzeitig Erfahrungen ermöglicht. Diese Vorgehensweise ermöglicht heterogenen Lerngruppen unterschiedliche Zugangsweisen für unterschiedliche SuS mit ihrem je eigenen Leistungsvermögen und Vorwissen sowie ihren Sozia-lisationsbedingungen — in konfessioneller Verschiedenheit. Somit berücksichtigt dieses Unterrichtsvorhaben sowohl die Individualität des Lernenden („Hilfe zur Identitätsbildung") wie die des Lehrenden. Die vorherrschende Sozialform ist die Gruppenarbeit, da das soziale Lernen ebenso wie die Orientierung auf Eigenverantwortlichkeit, die Zielorientierung, die Produkt- und Prozessorientierung (u.v.a.m.) den Projektgedanken kennzeichnen. Die interkonfessionelle, ökumenisch-dialogische Zusammenarbeit ist angelegt, aber nicht zwingend. Sie wird begünstigt durch die projektartigen, er-fahrungsbezogenen und handlungsorientierten Elemente, die die Öffnung des RU zur Ortsgemeinde (als außerunterrichtlichem und -schulischem Lernort) hin anbahnt (s.o.). Wir empfehlen ein ökumenisches Teamteaching oder „Wahlunterricht" — beide Lehrkräfte bieten verschiedene Aspekte einer Thematik an, die SuS können (einmal ohne die konfessionelle Bindung) auswählen. Der spezifische Blickwinkel der Jugendlichen der Jahrgangsstufe 7/8 soll hierzu in den jeweiligen Bausteinen berücksichtigt werden, d.h. persönliche Erfahrungen und Einstellungen finden Gehör
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1
2. UNTERRICHTSVERLAUF 3–10
3. MATERIALIEN 11–31
Positionierung: Wo stehe ich? 11–12
m1 Das Verhältnis zur Kirchengemeinde vor Ort – Positionsanalyse: Wo stehe ich?
m2 Bausteine für eine Kirche der Zukunft – Vorschläge für eine fiktive Kommission verfassen
Projekt Pfarranalyse: Proträt (m)einer Kirchengemeinde 13–18
m3/1 Ein Leib – viele Glieder – Paulusbrief als Grundlage für das Selbstverständnis einer Gemeinde
m3/2 Checkliste zur Analyse der Pfarrgemeinde – Fragebogen
m3/3 Fragen zum Kirchenbesuch – Einen Fragebogen für eine Hospitation erstellen
m3/4 „Imageforschung“ – Leitfragen für die Imageforschung: Wie stellt sich die Gemeinde dar?
Kirche geographisch – von der Ortskirche zur Landeskirche 19
m4/1 Eine Kirche/viele Kirchen – Deutschlandkarte
m4/2 Eine Kirche/viele Kirchen (Folie 1) – Landeskirchen der EKD
m4/3 Die Katholische Kirche in Deutschland (Folie 2) – Bistumskarte
Kirche amtlich 20–24
m5 Glossar – Ankreuzübung: Welche Bezeichnung gehört zu welcher Konfession?
m6/1 Katholisch bzw. evangelisch werden: Wie geht das? – Basisinformationen ohne Arbeitsauftrag
m6/2 Katholisch bzw. evangelisch werden: Wie geht das? – Basisinformationen II: Textarbeit
m7 Kirchenaustritt – Basisinformationen und Bildanalyse
m8 Kircheneintritt – Anleitung zur Recherche
Kirche aus Menschen – Beruf(ung) 25–27
m9/1 Ein katholischer Pfarrer berichtet – Originalton als Beispiel für eine Berufung
m9/2 Eine Pfarrerin berichtet – Originalton einer Pfarrerin zum Vergleich
m10 Gesucht: Der perfekte Pfarrer/die perfekte Pfarrerin – Eine Stellenanzeige entwerfen
Kirche hilfreich und „jugendlich“ 28–31
m11 „Glaube und Tat“ – Bibeltextarbeit
m12 Kirchliche Hilfswerke – Eine Internetrecherche
m13 Jugendkirche Tabgha – Basisinformation und Impuls zur Recherche
m14 Eine eigene Jugendkirche? – Die Schüler/-innen bilden eine Werbeagentur.
4. IDEENBÖRSE 32