Christhard Lück / Günther vom Stein
Krimis in der Bibel
Zu Inhalt und Zielsetzung dieser Ausgabe
Ein Mann erschlägt aus Eifersucht auf brutale Weise seinen eigenen Bruder. Eine Frau täuscht aufgrund verschmähter Liebe eine Straftat vor und bezichtigt einen Hausangestellten fälschlicherweise der versuchten Vergewaltigung. Ein Staatsoberhaupt begeht Ehebruch mit der Frau eines seiner besten Offiziere und schreckt bei der Vertuschung der Folgen dieser außerehelichen Liaison vor einem äußerst perfide geplanten Mord nicht zurück. Räuber überfallen einen Mann auf offener Straße und schlagen ihn halbtot. Zwei Menschen gehen achtlos an dem schwer Verletzten und Verwundeten vorbei; erst ein dritter Mann, ein Ausländer, zeigt Zivilcourage und hilft ... Kriminalgeschichten erfreuen sich zurzeit einer großen Beliebtheit. Ein Blick in Bücherbestsellerlisten und Fernsehzeitungen zeigt: Kaum ein Genre boomt gegenwärtig so stark wie Kriminalromane und -filme. Offenkundig faszinieren diese viele Menschen, weil sie spannend sind, zum Mitfiebern und Miträtseln auffordern, detaillierte Einblicke in das Denken und Fühlen von Personen (Täter, Opfer, Ermittler etc.) geben, zwischenmenschliche Verhältnisse beleuchten und zum Nachdenken animieren.
Die oben genannten Beispiele entstammen der Bibel. Sie zeigen, dass diese „Fälle" in puncto „Spannung, psychologische und soziologische Tiefenschärfe sowie moralische Sinnstiftung [...] nicht weniger zu bieten (haben) als die Krimis unserer Tage. [...] Streckenweise liest sich die Bibel fast wie eine Kriminalgeschichte der Menschheit" (Salzmann 2003, 9t".). So wird schon im vierten Kapitel des 1. Buch Mose-je nach strafrechtlicher Interpretation — der erste Mord bzw. Totschlag geschildert, bei dem auch noch der eigene Bruder das Opfer ist. Es folgen Kriminalgeschichten, die von Unterschlagung, Diebstahl, Erpressung, Verleumdung, Betrug, Landraub und sexueller Nötigung handeln. Dass ausgerechnet der Vorvater Jesu Christi, König David, ein Ehebrecher und skrupelloser Mörder ist, hat Menschen zu allen Zeiten bewegt und z.T. auch irritiert. So verschieden die biblischen Kriminalfälle sind, so unterschiedlich ist die vielfach berichtete Reaktion Gottes: Gott stellt den Brudermörder zur Rede, klagt ihn an und schützt ihn zugleich durch ein besonderes Zeichen vor der Tötung durch andere (vgl. Gen 4,1-16). Er verhindert nicht, dass der zu Unrecht beschuldigte Josef ins Gefängnis geworfen wird, steht ihm aber auch in der Folgezeit treu zur Seite und lässt ihn in Ägypten schnell wieder aufsteigen (vgl. Gen 39,1-20 und 41,37fr".). Er schickt König David einen seiner Propheten, um ihn mit seiner schweren Schuld zu konfrontieren. Auch durch ein Schuldgeständnis kann der erwählte König der Strafe, die Gott für das doppelte Verbrechen von Ehebruch und Mord vorgesehen hat, nicht entkommen (vgl. 2. Sam 12,1-19). Im Unterschied zu vielen heutigen Kriminalromanen und -filmen stärkt die Bibel auf diese Weise „das Vertrauen in einen endlichen Sieg des Guten und der Gerechtigkeit nicht einfach durch den glücklichen Ausgang ihrer Kriminalgeschichten, sondern indem sie mit diesen Geschichten auf die Macht und das heilschaffende Wirken Gottes verweist. Dies gilt auch dort, wo sich Gottes Handeln nicht unmittelbar in der Ahndung eines Verbrechens zeigt, sondern wo er dem Bösen Raum und Zeit lässt" (Salzmann 2003, 11).
Biblische Kriminalfälle sind Geschichten, die Kinder und Jugendliche zu fesseln vermögen. Sie können gut mit ihrer Lebenswirklichkeit verknüpft werden und ermöglichen das Reflektieren eigener Erfahrungen. Biblische Kriminalfälle transportieren zudem wichtige theologische und ethische Einsichten, die für die religiöse und moralische Entwicklung von Schülerinnen und Schülern gerade im Alter von 1115 Jahren interessant und relevant sind. Folgende Kompetenzen werden intendiert: 1. Grundformen biblischer Überlieferung und religiöser Sprache verstehen. 2. Ethische Entscheidungssituationen im individuellen und gesellschaftlichen Leben wahrnehmen, die christliche Grundlegung von Werten und Normen verstehen und begründet handeln können. 3. Religiöse Motive und Elemente in der Kultur identifizieren, kritisch reflektieren sowie ihre Herkunft und Bedeutung erklären (in Anlehnung an EKD 2009).
Inhaltsverzeichnis
1. EINFÜHRUNG 1
2. DIDAKTISCHE HINWEISE 2-11
3. MATERIALIEN 12-32
Mord oder Totschlag? (1 Mose 4,1-16) 12-18
m1 Abel macht sich Gedanken - Mithilfe eines Textes Informationen über Kain und Abel sammeln.
m2 Kain macht sich Gedanken (1) - Mithilfe eines Textes die Informationen vervollständigen.
m3 Felix Hoffmann, Kain und Abel - Bildbetrachtung und Koloration einer Zeichnung.
m4 Rottmayr, Adam und Eva klagen ... (Folie 1) - Bildbetrachtung zu den Gefühlen der Betroffenen.
m5 Der Fall Kain - Anklage und Verteidigung - Eine Argumentation erarbeiten.
m6 Kain macht sich Gedanken (2) - Zentrale Begriffe des Textes in Akrostichen erarbeiten.
Vortäuschung einer Straftat (1 Mose 39,1-20) 19-21
m7 Josef, Potifar und Potifars Frau - Textarbeit mit anschließender Standbildarbeit/Verklanglichung.
m8 Rollenspiel zu 1 Mose 39 - Rollenkarten für eine gespielte Gerichtsverhandlung.
m9 Der „Fall Josef" - Das Urteil - Einzel- und Gruppenarbeit zu Impulsfragen.
Ehebruch und Auftragsmord(2 Sam 11,1-12,25) 22-26
m10/1 Ein ungeheures Verbrechen - Hinweise und Beweisstücke - Indizien für ein Kriminalspiel.
m10/2 Ein ungeheures Verbrechen - Hinweise und Beweisstücke - Indizien für ein
Kriminalspiel.
m10/3 Beweisstück des Fotoreporters ... (Folie 2) - Bildinterpretation/Indiz für ein
Kriminalspiel.
m11 Fragen zur Bearbeitung des Kriminalfalls - Hilfen/Impulse für die Bearbeitung des
Kriminalfalls.
m12 Ein ungeheures Verbrechen - Folgen und Nachwirkungen - Textarbeit an einer Parabel.
m13 Ein ungeheures Verbrechen - Das Urteil - Bildinterpretation/Textarbeit zur Bewertung des Urteils.
Zivilcourage (Lukas 10,30-35) 27-32
m14 „... fiel unter die Räuber" - Textarbeit zur Erschließung der Geschichte.
m15 „... und ließen ihn halb tot liegen" - Bildinterpretation und weiterführende Argumentation.
m16 „... als er ihn sah, ging er vorüber" - Bild- und Textarbeit mit Impulsfragen.
m17 „... und als er ihn sah, jammerte er ihn" - Bildinterpretation mithilfe von Sprechblasen.
m18 „... und brachte ihn in eine Herberge" - Bildbeschreibung und weiterführende Dialogerarbeitung.
m1 9 Die Angst eines Studenten - Textarbeit zum Thema „(fehlende) Zivilcourage".