Am Beginn meines Lehrerdaseins beflügelte uns pädagogische Frischlinge das Signalwort »Zielorientierung«. Es hatte die herkömmliche »Stofforientierung« abgelöst. Dank aktuell beflissener Ausbilder fühlten wir uns damals wie Pioniere und Vorreiter. Heißt es jetzt wiederum gründlich umlernen?
»Handlungsorlentierung« ist en vogue, doch noch ist nicht ganz heraus, was sich damit konsistent verbindet . Spitze Zungen machen sich schon ihren Reim darauf: »Dübeln statt grübeln, kneten statt beten« (vgl. Christiane Gehltomholt in diesem Heft). Das Fach RU - ohnehin von außen her gelegentlich als methodischer Luftikus angesehen - hätte nunmehr ein leichtgewichtiges pädagogisch-didaktisches Feigenblatt gefunden? Doch so einfach sollte man es sich nicht machen.
Eigenständiges Schülerhandeln ist nicht Selbstzweck, wohl aber eine (Teil-)Bedingung erfolgreichen Lernens. Was wir Vermitteln oder Darbieten nennen, das sei oft genug ein Hindernis selbstständiger Anverwandlung der »großen Gegenstände« des Unterrichts. »Lehren als Lernbehinderung« abbauen - nicht weniger fordert Herbert Gudjons in seinem grundlegenden Beitrag zum Heftschwerpunkt. Helga Kohler-Spiegel und Peter Orth haben diesen besorgt. In der Konvergenz unterschiedlicher wahrnehmungspsychologischer, konstruktivistischer und didaktischer Ansatzpunkte könnte sich tatsächlich ein verändertes Unterrichtskonzept herausstellen, das heutigem demokratischem Selbstbewusstsein der Einzelnen entgegenkommt. Dabei wird man nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Der bildende Anspruch von (religiösen) Bildungsgütern kann nicht einfach zur Disposition stehen. Wohl aber erweitert sich die Bandbreite von Unterrichts- und Lernmöglichkeiten - mit einigen Konsequenzen für Schule und Lehrkräfte.
Nicht alles ist völlig neu, was in den Beiträgen zum Thema »Handlungsorientierung« vorgelegt wird. Aber es bündelt sich vieles, was an vielen Orten mehr oder weniger experimentell versucht wird. Ein neuer Rahmen beginnt sich abzuzeichnen. Er verdient Aufmerksamkeit, weil er vieldimensionale und didaktisch gut begründbare Wege freigibt, die der Differenziertheit unserer Schülerschaft Rechnung tragen. Und wie weit gespannt die individualiserten Lebensstile Jugendlicher sich heute ausfächern, das lässt sich im Beitrag von Arthur Thömmes zu einem konkreten Segment der »Populären Musik« exemplarisch abschätzen.
Wilhelm Albrecht
Inhaltsverzeichnis
Handlungsorientierung
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392 Was ist handlungsorientierter Unterricht?
Herbert Gudjons
399 Kneten statt beten?
Christiane Gehltomholt
404 Handlungsorientierter Religionsunterricht - Eine Übersicht
Peter Orth
405 Werkstattunterricht und Lernlandschaften
Annemarie Schwegler
409 Erfahrungen mit offenen Lernformen
Josef Fritsche
414 Der Traum vom Reich Gottes
Ludwig Rendle
418 Das Compassion-Projekt
Lothar Kuld
Diskussion
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426 Einführung in eine biblische Science-Fiction-Welt?
Georg Baudler
432 Sexualerziehung zwischen Lust und Frust
Stefan Gärtner
Advent/Weihnachten
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444 Lichtbahnen ins Land ziehen - Magdalena Jetelová
Wilhelm Albrecht
446 Anbetung im Wald
Herbert Fendrich
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390 Zeichen sprühen: Wut
Rudolf Seitz
395 Bildserie: Licht-Bilder von Magdalena Jetelovä (sowie 401, 419, 429, 434, 440, 445, Umschlag und Editorial)
422 Fest im Kalender: Fest des Fastenbrechens
Gertrud Wagemann
424 Gefunden und notiert
438 Werkstatt: Religion im Schulprogramm
Wilhelm Wittenbruch Ulrike Kurth
441 Zurückgeblättert - 125 Jahre KatBl
Reinhard Göllner / Wilhelm Albrecht
(in den KatBl aus Platzgründen gekürzt)
(ungekürzte Fassung der gesamten Artikelreihe - online)
454 Populäre Musik im Religionsunterricht
Arthur Thömmes
457 Bücher
460 Impressurn, Mitarbeiterinnen
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Materialbrief RU 5/2000
Stationen zum Thema "Gebet"