Liebe Leserin, lieber Leser!
Heute spricht man vom »Kick«:
Eine selbst gezündete Glücksrakete schießt uns aus grauen Gewohnheitszuständen heraus. Die Jagd und das Streben nach Glück oder die Hoffnung darauf gehören zu unserer menschlicher Grundausstattung. Nach Glücksversprechern (im Doppelsinn des Wortes) zu greifen ist heute ein Leichtes. Wirtschaftliche Großmächte locken unaufhörlich, unseren materiellen und emotionalen Glücksbedarf zu befriedigen. Ernüchternd dagegen die Feststellung von Thomas Müller-Schneider: In der deutschen Bevölkerung habe das »demoskopisch messbare Glücksniveau« nicht zugenommen (S. 165).
Nun gibt es in unseren Traditionen »Glückslehren«, die über die größtmögliche Summe individueller Glückserlebnisse hinausgreifen, die sich auf ein höchstes Gut - griech. eudaimonia, lat. beatitudo - richten. Der Weg zu den Hellsvorstellungen der christlichen Theologie, zu einer endgültige geschenkhaften Erfüllung in Gott war da nicht weit. Ein solcher Zusammenklang von Glück und Heil ist heute fragwürdig geworden. Die Glücksvorstellungen der Zeitgenossen sind weithin ausgewandert aus gelebter Religion. Glückserwartungen und Heilshoffnungen haben sich getrennt, das eine auf Diesseitiges, das andere auf Jenseitiges gerichtet. Christen können sich damit nicht abfinden. Lassen sich Glück und Heil »handelnd in den Strukturen des Weltlebens« (LG 35) noch zusammenhalten? Genau an dieser Stelle setzt der thematische Schwerpunkt dieses Heftes, betreut von Annegret Reese und Peter Orth, ein, macht die Probe darauf und spielt sie in verschiedenen Varlanten durch. Zugespitzt auf das vielleicht tiefste menschliche Verlangen, auf Liebe, zeigt das etwa Franz-Josef Nocke. Gibt es gar eine Didaktik des Glücks für organisierte Lernprozesse? Annegret Reese und Klaus König verweisen auf »spirituelle Kompetenzen« und auf »Träume«, die durchaus kultivierbar sind und auf indirekte Weise glücksfähiger machen können. Glück als Vorentwurf von Heil sichtbar zu machen steht dem Religionsunterricht gut an, diakonisch, und auch glaubensvermittelnd.
Wilhelm Albrecht
Schriftleiter
Inhaltsverzeichnis
THEMA:
Gedichte
160 Zum Glück - das Kino
Inge Kirsner
über Glücksbilder und Glücksversprechen des Kinos.
164 Eine kuttursoziologische Zeitdiagnose der Glückssuche
Thomas Müller-Schneider
Auf der Suche nach möglichst unmittelbaren Glückserlebnissen.
166 »Glück«zwischen Sinn und Heil ein erster religionsphilosophischer Splitter
Peter Reifenberg
Von der Melancholie des geglückten Augenblicks.
169 Glück - biblische Aspekte
Franz-Josef Ortkemper
Zwischen der Weisheit Kohelets und den Seligpreisungen Jesu.
171Liebe und Glück
Franz-Josef Nocke
Ist die Liebe die Eintrittskarte zum Himmel?
175 Kann Glück ein Ziel religionspädagogischen Handelns sein?
Annegret Reese
Spirituelle Voraussetzungen für das Glückserleben.
181 Glück zwischen »Machsal« und Schicksal
Klaus König
Von der motivierenden Kraft der Träume.
186 Glück gleicht dem Wasser
Martina Schnakenberg-Aßmann
Einige Bausteine zum Thema »Glück« für die Grundschule.
189 Glückserfahrungen im Kirchenraum
Antje Rösener
Wie man mit Erwachsenen dem Geheimnis des Glücks nachspüren kann.
192 Ein Glückszauber gegen Depression, Angst und Kälte
Elisabeth Anker
Harry Potter ist mehr als ein männliches Aschenputtel.
195 Die Religiösen Kinderwochen 2002
Amalia Christl / Matthias Slowik
»Was den Himmel offen hält - Schau nach in Jeshuas Hütte«.
196 Lukas, Porträtmater der Gottesmutter
Günter Lange
Rogier van der Weyden und die fromme Tradition der Malkunst des Lukas.
202 Akzent
Jan Heiner Schneider
Wunden, die nicht heilen dürfen: Nackte Tatsachen.
204 Gefunden und notiert
Tod
206 Last minute: Bedenke, dass du sterben musst
Angela Hiendl/Georg Hilger
Ein Ausstellungsprojekt mit Jugendlichen einer 10. Klasse.
212 Jugendbücher überTod und Sterben im Religionsunterricht
Annegret Langenhorst
Drei Beispiele, die ab Klasse 8 geeignet sind.
218 Lieder für den letzten Tag
Knut Wenzel
Bob Dylon und Leonard Cohen singen über den Tod.
223 Im Blick: Jugendarbeit
Simone Honecker
Projekt: Graffiti-Kreuzweg.
226 Literaturbericht
Dorothee Hölscher
Der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2002.
230 Bücher
234 Impressum
Materialbrief RU 2/2002
Umgang mit Sterben und Tod
Erarbeitet von Heike Schottmüller
Vorschläge und Materialien für eine Stationenarbeit im RU ab Klasse 8.