Liebe Leserin, lieber Leser
Ich erinnere mich, wie schmerzlich es für mich als Kind war, zu lernen, dass die Welt nicht gerecht ist, dass es keinen direkten Ausgleich zwischen Tun und Ergehen gibt, dass Ursache und Wirkung sich nicht berechnen lassen. Das zu realisieren und zu akzeptieren war ernüchternd. Aber als ich jetzt die Beiträge für dieses Heft gelesen habe, war ich erschüttert, mit wie viel Ungerechtigkeit ich mich längst abgefunden habe. Meine Generation wurde gebraucht, wir hatten Arbeit von Beginn an, wir konnten mehr werden als unsere Eltern. Und: Wir hatten es nicht nötig, uns vor jedem »Arschloch« niederzuknien (vgl. dazu den Beitrag von Kuno Füssel) - bloß wegen der Arbeit. Plötzlich, mitten in der Gegenwart, plötzlich wird »Religionspädagogik« konkret: Wie reden wir vom Glauben, wie feiern wir Eucharistie, wie nehmen wir Kinder mit hinein in die Rede vom »Reich Gottes« - in einer ungerechten Welt, in der manche viel haben und andere wenig oder gar nichts? Norbert Mette und Rudolf Englert haben diesen Schwerpunkt gewagt, der gegen den Trend steht: »Gerechtigkeit«. Nicht mein Empfinden und mein Glauben stehen im Vordergrund, sondern: Die Begegnung mit Jesus soll die Augen öffnen für die Ungerechtigkeit in dieser Welt und den Einsatz für Veränderung stärken. Von dieser Notwendigkeit, ohne die Glaube wertlos wird, sprechen Josef Senft und Norbert Mette. Für die Praxis zeigen u.a. Matthias Bahr, Werner Veith und Franz Meurer exemplarisch, wie Engagement konkret wird. Dazu passend der zweite Schwerpunkt: Geiz und Gier - »Todsünden«, wie sie früher hießen, vielfältig dargestellt in der Kunst, in der Theologie. Ich wünsche mir, dass es Ihnen beim Lesen des Heftes geht wie mir: Aufgerüttelt zu werden, damit wir nicht blutleer vom christlichen Glauben reden, damit wir die »Vision« nicht verlieren, die Vision einer gerechteren Welt, in der alle an einem Tisch sitzen und satt werden, in der niemand sich demütigen muss, nur um zu überleben. Vielleicht kein bequemes, aber ein notwendiges Heft.Wir muten es Ihnen zu.
helga Kohler-Spiegel
Schriftleiterin
Inhaltsverzeichnis
THEMA: Anfangen
238 Kleine Anfangs-Beobachtungen zu einem großen Thema
Michael Wedding
Einige Impulse für einen guten Anfang - damit es auch zu einem guten Ende kommt
243 Anfangen lernen: Hilfen für den Berufseinstieg
Kuno Schmid
Wie sich Theorie und Praxis besser miteinander verbinden lassen: Ein Ausbildungskonzept der Universität Luzern
248 Anfänge in der Schule
Gabriele Hüdepohl
Ob Schuljahresanfang oder nur eine neue Stunde: Wie sich Anfänge bewusst wahrnehmen und gestalten lassen
254 Mit Religion anfangen im Religionsunterricht der Grundschule
Freudenberger-Lötz, Petra/Zeeh-Silva, Brigitte
Zwischen Ich-Stärkung und Theologisieren mit Kindern - Beispiele aus der Unterrichtspraxis
260 Vom Anfangen
Ulrich Lüke
Ein philosophisch-theologischer Parcours durch die Möglichkeiten des Anfangs
268 Wie fängt Glauben im Hinduismus an?
Katharina Ceming
Wissenswertes über die drittgrößte Weltreligion, der man nur durch Geburt angehören kann
273 "Das Leben, diese einfache Sache ..."
Rita Burrichter
Eine Komposition von Aleksandr Rodchenko als Weltbild
278 Akzent
Konstantin Lindner
Im Netz: Second Life - ein neuer Himmel. eine neue Erde?
280 Gefunden und notiert
Glaubenskommunikation
282 Paulus - Zur Freiheit berufen
Sebastian SJ Painadath
Was Paulus an Neuem erfuhr, ist auch für uns mehr als aktuell: Sieben Konsequenzen für heute
290 Achtung, Falle!
George Reilly
Das Stichwort "religiöse Kulturhermeneutik" als Aufgabe des Religionsunterrichts ist mit Vorsicht zu genießen
294 Kommunizieren statt demonstrieren
Bernd Lutz
Jenseits von Funktionalisierung: Überlegungen zu einer zeitgemäßen Glaubenskommunikation
299 Im Blick: Jugendarbeit
Sabine Wißdorf
Tendenzen und Konzepte zukünftiger Jugendpastoral
302 Literaturbericht
Sabine Wißdorf
Der Katholische Kinder- und Jugendbuchpreis 2009
306 Bücher
311 Auslese
Günter Lange
Erich Zenger (Hg.): Stuttgarter Altes Testament
312 Impressum
Materialbrief GK 2/2009
Beenden. Den "Schluss" katechetisch gestalten