Liebe Leserin, lieber Leser!
Jemandem heute die Bibel in die Hand drücken mit der Empfehlung »Da findest du, was du brauchst«? Das dürfte kaum mehr funktionieren. Dennoch wirbt die Aktion »2003. Das Jahr der Bibel« bundesweit mit dem Motto: »Suchen. Und finden.« In Zusammenarbeit mit der Arbeitsstelle
für Jugendseelsorge (afj) sind auch die KatBI dabei.
Mit dem Finden ist es allerdings eine eigene Sache. Die Bibel ist kein harmoniesüchtiges Buch. Wir finden in ihr eine ganze Menge Ungeglättetes, Widersprüchliches, Irritierendes eben. Statt diesen Befund beflissen zu verschweigen, wollen wir den Spieß umdrehen und feststellen: Damit ist die Bibel durchaus ein Buch für (post-)moderne Zeiten, sofern Gegensätzliches, Disparates als Chance angesehen wird zum unaufhörlichen Fragen und Weiterfragen. Christian Nürnberger macht es vor. Er liest, blättert und versteht immer weniger. Aber er zieht bei aller Reserve folgende Konklusion:
Menschen, die auf die Bibel setzen, werden immerhin im Streit um die Wirklichkeit nicht kapitulieren.
Wie aber umgehen mit Brüchen und Ungereimtheiten? Eine Empfehlung, die mehrfach in diesem Heft vorkommt, heißt »komplementäres Denken«. K. Helmut Reich verfolgt damit einen pädagogischen Ansatz gestuften Verstehens. Durch logische Widersprüchlichkeiten hindurch gibt es in der Sichtung unterschiedlicher Kontexte einen Weg zur Meta-Logik. Elisabeth Naurath etwa vermittelt offenbar Unvereinbares im lebensgeschichtlichen Kontext bibliodramatischen Geschehens, Markus Schiefer Ferrari paulinische Paradoxien im Kontext moderner poetologischer Sprach- und Wirklichkeitserfahrungen. Dem Anlass des Bibeljahres entsprechend widmet sich diesmal das gesamte Heft dem einen Schwerpunkt »Biblische Irritationen«. Markus Schiefer Ferrari hat es konzipiert und betreut. Aufmerksam machen möchte ich schließlich auf den neuen, von Karsten Henning eingebrachten Akzent »Kurz gefilmt«. In diesem Sinne: Auch 2003 anregende Lektüre für Sie, liebe Leserinnen und Leser!
Das wünscht Ihnen
Wilhelm Albrecht
Schriftleiter
Inhaltsverzeichnis
THEMA: Biblische Irritationen
4 Biblische Irritationen
Christian Nürnberger
Fragen an die Bibel, die hartn?kiger sind als die des Ijob.
8 Es ist nicht logisch, aber doch wahr!
K. Helmut Reich
Anleitung zur Entwicklung eines kontextbezogenen Denkens.
14 Und das steht wirklich (nicht) in der Bibel?
Agnes Wuckelt
Biblische Entdeckungen, wenn man der Versuchung widersteht, die Texte zu glätten.
20 Wenn ich schwach bin, bin ich stark! Paulinische Irritationen
Markus Schiefer Ferrari
Wie viel Paulus mit unserer Wirklichkeitserfahrung heute zu tun hat.
26 Jesusbilder in Bewegung: Bibliodrama und komplementäres Denken
Elisabeth Naurath
Im spielerischen Dialog verfestigte Vorstellungen über Jesus Christus.
33 "Jesus an der Ruhr"
Oliver/Michael Heck/Kowertz
Ein Fotoprojekt der Jugendkirche TABGHA in Oberhausen.
39 Jesus und die "Talente" - lateinamerikanisch gelesen
Michael Fricke
Eine verblüffende Auslegung des Gleichnisses von den Talenten.
44 Mensch. Jesus.
Simone Honecker
Ökumenischer Kreuzweg der Jugend 2003.
45 Sonntag. Es regnet. Ich schlafe aus.
Wilhelm Albrecht
Wie über Rollenspielkarten auch bekannte Perikopen irritieren können.
48 Akzent
Karsten Henning
Kurz gefilmt: Kleingeld
50 Gefunden und notiert
52 Biblische Schöpfungserzählungen in der Grundschule
Guido Kunkel
Eine Unterrichtssequenz über Evolution
59 Die Bibel-Expertenwissen zugänglich gemacht
Hubertus Halbfas/Günter Lange
Eine Diskussion über das Konzept der Bibelausgabe von Hubertus Halbfas.
64 Die Klagen des Jeremias
Karl Heinz König
Übber eine Farblithorgrafie aus dem Bibelzyklus von Marc Chagall.
69 Im Blick: Gemeindekatechese
Michael Künzel
Katechese und Exegese
72 Bücher
78 Impressum
Materialbrief 1/2003
Das Vaterunser, erarbeitet von Günter Siener