Liebe Leserin, lieber Leser
»Wenn die Hormone toben« titelte unlängst eine Zeitung zur Pubertät heute. Der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie zufolge werden in dieser Zeitspanne etwa 100.000 Jugendliche drogenabhängig, 700.000 Mädchen, aber auch immer mehr Jungen leiden unter Essstörungen, die Zahl der Selbstmorde ist mit ca. 4.000 höher als in den USA, Selbstverletzungen wie Ritzen und Piercen, aber auch Alkoholmissbrauch und steigende Gewalttaten vor allem bei Jungen zwischen 14 und 18 Jahren werden genannt. Das betrifft insgesamt etwa 20 % der Jugendlichen. Die gute Nachricht: Bei 80 % von ihnen verläuft die »heiße Phase« ohne gravierendere Krisen, also »normal«. Aber was heißt schon normal in diesem Abschnitt der Lebensentwicklung?, fragen sich geplagte, oft ratlose Eltern, aber auch gestresste Lehrkräfte. Der Heftschwerpunkt, besorgt von Monika Jakobs und Peter Orth, geht gezielt zwei Aspekte an. Im Rahmen heutiger Befunde der Entwicklungspsychologie beleuchtet Gunther Klosinski das geballte Volumen der Entwicklungsaufgaben, das Jugendliche im Ausbalancieren mit ihren Grundbedürfnissen zu bewältigen haben. Dominik Schenker wägt ab, wo Chancen und Grenzen liegen, im schulischen Bereich und im außerschulischen Lebensraum mit Jugendlichen in ein religiöses Gespräch zu kommen. Wie aber suchen Religionslehrkräfte praktisch durch die täglichen Klippen und Stromschnellen pubertärer Unübersichtlichkeit hindurch zu steuern? Beim Lesen der Beiträge von Praktikern fallen mir zwei Ansatzpunkte auf: Religionsunterricht will den SchülerInnen die Spiegel ihres Lebens vorhalten. Und die Lehrkräfte bereiten ein kreatives Feld, das die Jugendlichen verlocken kann, eigene Fragen und Vorstellungen voranzutreiben, gegen das bequeme Versinken in religiöser Sprachlosigkeit. Das alles ist Kärrnerarbeit im Dienst an deren produktiv-kritischen Lebensklärungen - Konflikte mit den Lehrkräften eingeschlossen. Ingo Reuters Beitrag (375ff), im zweiten Themenschwerpunkt stehend, trifft hierzu ins Schwarze.
Wilhelm Albrecht
Schriftleiter
Inhaltsverzeichnis
THEMA: Religion in der Pubertät
316 Es kommt auf die Brille an
Angela Kaupp
Ein zweiter Blick lohnt sich: Wie Religion im Jugendalter sichtbar wird.
320 Was bedeutet eigentlich Pubertät?
Gunther Klosinski
Welche Auswirkungen die psychische Entwicklung auf religiöse Fragestellungen hat.
328 Pubertierende religiös ansprechen?
Dominik Schenker
Ein paradoxes Feld, das sich aber zu »beackern« lohnen kann.
333 Vom Versuch, einen Kaktus zu umarmen
Marlies Fries
Ermutigende Tipps für die »Wüstenzeiten« beim Umgang mit Jugendlichen.
335 Beten mit allen Sinnen
Rolf-Josef Zehe
Ein Projekt mit Schülerinnen und Schülern einer 7. Klasse Hauptschule.
338 Das Unsichtbare sichtbar machen
Felix Rohner-Dobler
Anregungen für einen kreativen Religionsunterricht.
342 »Das Pferd von hinten aufzäumen«
Thomas Dressel
Ein etwas unorthodoxer Unterrichtsversuch zum Thema Gewaltlosigkeit.
346 RU einmal anders: Fächerübergreifende Projekte
Martin Richerzhagen
Unkonventionelle Projektarbeit lohnt sich: Beispiele aus einer 8. Klasse Realschule.
349 Bibelnacht in Niedernburg
Annette und Gerhard Spitzenpfeil
Damit neben den Inhalten die Gemeinschaft nicht zu kurz kommt.
352 Positionen finden - Von Russis Blick auf die Welt
Astrid Brosch
Zu einem Gemälde von Franz Marc.
356 Mit HauptschülerInnen Gott auf der Spur
Claudia Rosenhammer
Theologisieren mit Jugendlichen als Lebenshilfe.
360 Pubertätsritus Firmung?
Frank Meier-Hamidi
Firmung als Initiaton: Chancen und Grenzen.
366 Akzent
Matthias Morgenroth
Geschmacksachen: Mitglied im Soda-Club
368 Gefunden und notiert
Iris und Bernhard Bosold
Berufszufriedenheit
370 »Was hast du in der Hand?«
Michael Wedding
Freude und Zufriedenheit im Beruf sind nicht einfach nur Zufall.
375 An Konflikten lernen
Ingo Reuter
Der produktive Umgang mit »Störfaktoren« hat schon in der Bibel gute Tradition.
381 Im Blick: Jugendarbeit
Eugen Trost
Raum geben statt Angebote machen: Der Mediaktionsansatz
386 Bücher
389 Auslese
Margarete Stenger
390 Impressum
Praxisbeilage: Materialbrief GK 2/2006
Erwachsenenkatechese zur Erstkommunion