Liebe Leserin, lieber Leser!
Wenn Sie erlauben: Die alte story kommt verdammt modern rüber. So bringe ich die Beiträge zum Turmbau zu Babel nach gesammelter Lektüre auf meinen Nenner. Dabei gehört die Sage vom Turmbau zu jenen biblischen Beständen, die wir weiß Gott zu kennen vermeinen. Aber je näher wir zusehen, desto rätselvoller wird sie, verliert an scheinbarer Eindeutigkeit, nicht aber an monumentaler Wucht.
Vielleicht sind Fragen auch hier fruchtbarer als Antworten. Warnt die Geschichte vor menschlicher Hybris, vor sündiger Selbstüberschätzung? Aber: » Ist denn Türmebauen schlecht«?, entgegnen Kinder (Rainer Oberthür, S. 260). Geht es um das Motiv einer Zerstreuung der Menschheit? Um Sprachenverwirrung? Aber unterschiedliche Sprachen sind unersetzliche Kulturträger: »jede Sprache ... öffnet ein eigenes Fenster auf das Leben und die Welt« (George Steiner). Handelt es sich um einen theologisch gebrochenen Mythos oder bereits um ein klar erkennbares hellsgeschichtliches Programm?
Je mehr wir uns einlassen, desto deutlicher entdecken wir in der Geschichte einen Glutkern, der nicht verlöschen will, dessen ausstrahlende Energien noch Deutungen für » das Projekt der Moderne « (Franz W. Niehl, S. 246) freisetzen: Der Turmbau zu Babel als Schlüsselgeschichte auch für das, was uns Heutige - fallweise - hautnah umtreibt.
Agnes Wuckelt (S. 269-273) besichtigt die religionspädagogischen Aktualisierungen der letzten zwanzig bis dreißig Jahre und zeigt die findigen (einander wohl auch relativierenden) Versuche, Biblisches für die Gegenwart anschlussfähig zu machen. Fast sollten Sie, liebe Leserinnen und Leser, mit dieser Musterung ihren Frage-Blick auf Babel eröffnen. Er wird Sie im Durchgang durch die vielfältigen Aspekte der übrigen Beiträge schließlich an der erfreulich aufregenden Interpretationskraft der neueren Exegese (Ulrich Berges, S. 248-253) teilnehmen lassen. - Rudolf Englert hat den Heftschwerpunkt besorgt.
Wilhelm Albrecht
Schriftleiter
Inhaltsverzeichnis
THEMA:
Turmbau zu Babel
238 Von der Sehnsucht nach Verstehen
Kurt Zisler
Verstehen hat nicht nur mit Worten, sondern vor allem mit Beziehung zu tun.
242 DieVerwirrung der Sprache oder der misslungene Turmbau
Franz W. Niehl
Gen 11, 1-9 enthält nach wie vor ein lebendiges Auslegungspotenzial.
248 Die befreiende Gabe der Vielfalt
Ulrich Berges
Eine exgetische Analyse der Erzählung vom Baustopp.
254 »Der Turmbau zu Babel« von Silke Rehberg
Ulrike Ganz
Über eine moderne Bibelillustration mit einer sehr freien Interpretation.
260 Kinder begegnen der Geschichte von Babelturm und Sprachverwirrung
Rainer Oberthür
Erfahrungen aus einem Unterrichtsprojekt in der Grundschule.
269 Annäherungen an die Turmbau-Geschichte in der Sekundarstufe I
Agnes Wuckelt
Ein Streifzug durch Materialien für den Religionsunterricht.
274 Akzent
Jan Heiner Schneider
Wunden, die nicht hellen dürfen: Kalte Ordnung.
276 Gefunden und notiert
Bildung kontrovers
278 Was gibt PISA religionspädagogisch zu denken?
Wilhelm Albrecht
Über die Bedeutung von Lesekompetenz für den Religionsunterricht.
283 Entschiedene Option für das Paradigma Gottesbeziehung
Albert Biesinger
Eine Antwort auf die Anfragen von Anton Bucher in KatBl 2/2002.
286 Naive Theologie als besondere Kompetenz der Kinder
Gerhard Büttner
Kindliche Überlegungen enthalten mehr an Logik, als häufig angenommen wird.
293 Für eine Religionspädagogik ohne Psychologiedefizit
Bernhard Grom
Beobachtungen zu einem blinden Fleck in religionspädagogischen Publikationen.
298 Adam und Eva: Eine Katechese von 1906
Günter Stachel
Ein Kommentar zu einem Fund in einem alten Heft.
301 Im Blick: Gemeindekatechese
Thomas Kiefer
Missionarische Seelsorge versus Gemeindekatechese?
304 Populäre Musik im Religionsunterricht
Arthur Thömmes
Eine elektromusikalische Reise in die Welt der Meditation.
306 Bücher
285 Leserbrief
312 lmpressum
Materialbrief RU 3/2002
Computerspiele im Religionsunterricht
Erarbeitet von Arthur Thömmes