Neulich eine Pressenotiz. Ein Bischof aus der immer noch so genannten Dritten Welt, bei uns zu Besuch, wird gefragt, was seine pastorale Option für Kirche und Zukunft sei. Seine Antwort: Allem voran Aufmerksamkeit und Einsatz für Kinder und Jugendliche. Die Quelle ist mir entfallen, tut nichts. Was gemeint ist, liegt punktgenau im Ziel.
Was macht es indessen so schwierig, uns dahin zu bewegen? Eltern, Lehrer und Erzieherinnen, die Erwachsenengeneration, sind im Horizont der eigenen Lern- und Lebensgeschichte verfangen. Also auch ihre/unsere Maßstäbe zum Umgang, zur "Behandlung", zum Entgegen-kommen Jugendlichen gegenüber. Andererseits nehmen Jugendliche heute den Grundfaktor Freiheit in Anspruch. Sie machen ganz selbstverständlich Gebrauch von Selbstwahl und Selbstverfügung. Das haben wir zu akzeptieren und nicht bloß in Kauf zu nehmen als Ergebnis faktischer Misserfolge mit bisherigen Erziehungs- und Vermittlungskonzepten. Wer pädagogisch handeln will, kommt ferner nicht darum herum, immer wieder das Feld gesellschaftlicher, kultureller und also auch entwicklungsbedeutsamer Voraussetzungen gedanklich durchzuarbeiten. Der Begriff der Identität bildet hierin einen zentralen Baustein. Die Beiträge zu diesem Heftschwerpunkt, den Hans Hobelsberger besorgt hat, verdienen es, auch von handfesten Praktikern gelesen zu werden. Theorie, oft als verstiegen oder als realitätsunwirksam angesehen, entpuppt sich hier als praxisleitend und -belebend. Unsere immer auch geschlechtsspezifischen Wahrnehmungen von Jugendrealität zu überprüfen erscheint um so dringlicher, als weibliche Identitätsgewinnung mittlerweile entschlossen reflektiert wird (Mechthild Kiegelmann, Michaele Gabel), die Identität männlicher Jugendlicher dagegen auf die Verliererseite zu geraten droht (so im Gespräch zwischen Heiner Keupp und Hans Hobelsberger).
Norbert Mattes Ausführungen zur Identität im "Modus" christlicher Glaube bildet die direkte Gelenkstelle zum zweiten Heftschwerpunkt "Jugend und Kirche". Seinen Beitrag mit religionspädagogischer Konzeptspitze verstehe ich als interessante, weiterführende Ergänzung zu den holzschnittnüchtern herausfordernden religionssoziologischen Befunden von Michael N. Ebertz.
Weihnachtliche Versöhnlichkeit will sich auch im kirchenjahrsbezogenen Heftteil nicht recht einstellen. Der genaue Blick auf den Gehalt unserer scheinbar vertrauten Bilder und Worte deutet allemal eher auf Aufbruch denn auf Behaglichkeit. In diesem Sinne: Fröhliche Weihnachten!
Wilhelm Albrecht
Inhaltsverzeichnis
Identität gewinnen
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370 Das Problem der Identität:
Erik H. Erikson
Dieter Funke
375 Kann man heute noch erwachsen werden?
Hans Hobelsberger und Heiner Keupp
381 Religiöses im schrägen Milieu
Wilhelm Albrecht
385 Weibliche Identitäten
Mechthild Kiegelmann
389 Ein eigener Mensch werden
Michaele Gabel
393 Identitätsarbeit - praktisch
Ingrid und Otto Kromer
397 Identitätbildung heute - im Modus christlichen Glaubens
Norbert Mette
Jugend und Kirche
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406 Die sieben "Jugendtabus" der Kirche
Michael N. Ebertz
411 Heilig ist mir
Georg Hilger
413 Jenseits von Konformismus und Ketzerei
Erich Garhammer
419 Verkündigungssendungen und junge Leute
Sieghard Galt
421 Werkstatt:
Religion im Schulprogramm
Weihnachten
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426 Die Heilige Familie
Margarete Luise Goecke-Seischab
431 Nicht weit von seiner Krippe leben:
Angelns Silesius
Udo Körner
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368 Zoom: Kino - Religion:
Lang lebe Ned Devine
Matthias Wörther
387 Bildserie: Die Heilige Familie
(sowie 400, 409, 415, 417, 423, 427)
404 Hoffnungsbilder: Steter Tropfen
Herbert Fendrich
424 Gefunden und notiert
433 Bücher
440 Impressum. MitarbeiterInnen
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Materialbrief RU 4/99
Sie bauten eine Kathedrale
Erarbeitet von Bernhard Bosold