Anke Poenicke
Kolonialismus und Postkolonialismus
Das Beispiel Afrika
Kleine Geschichte ...
Vor vielen Jahren wollte ein engagierter junger Diplomat, der gerade neu war auf seinem Posten in der deutschen Botschaft Jaunde, Kamerun, einkaufen gehen. Er wählte einen der großen Supermärkte, in denen man hauptsächlich die reichen Europäer und Kameruner – oder deren Hausangestellte – traf. Als er fragte, ob der Honig im Regal kamerunisch sei, antwortete der kamerunische Verkäufer „stolz“ (laut überlieferter Interpretation des Diplomaten), es handle sich um französischen Honig. Unser junger Mann darauf ablehnend: „Ich kaufe keine imperialistischen Produkte.“ Nach ein paar Schritten konnte er hinter sich gerade noch hören: „Ils sont fous, les blancs!“ Frei übersetzt: Die spinnen, die Weißen!
Dass der andere spinnt, fanden in dem Moment sicher beide Seiten, und ganz bestimmt hatten beide gute Gründe für ihr Urteil.
... zum Heft
Der Klausurvorschlag, der die vorliegenden Materialien abrundet, setzt sich besonders mit der europäischen Seite des insgesamt nicht einfachen europäisch-afrikanischen Dialogs auseinander.
Befragungen zeigen, dass Afrika den meisten Schülerinnen und Schülern in Deutschland ganz besonders fremd erscheint. Und: Was im Unterricht dazu behandelt wurde, wird offensichtlich besonders schnell wieder vergessen! Dieses Heft zu „Kolonialismus und Postkolonialismus“ möchte durch seine Herangehensweise (auch) dazu beitragen, etwas mehr Vertrautheit, Verständnis und – im besten Fall – Selbstreflexion zu ermöglichen. Das schafft Interesse und hilft im Idealfall, Gelerntes zu behalten.
Im Mittelpunkt der Materialien stehen deshalb diverse Perspektiven afrikanischer Fachleute. Schon die Tatsache, hier auf Wissenschaftler (oder Kabarettisten) aus Ländern Afrikas zu stoßen, wird vielen etwas Neues sein. Multiperspektivität entsteht dadurch, dass die im Heft gewählten afrikanischen wie europäischen Perspektiven sich oft deutlich unterscheiden von den gängigen Perspektiven, welche auch die Lernenden bereits stark geprägt haben: So werden Afrikanerinnen und Afrikaner etwa keineswegs nur als Opfer der Kolonisation dargestellt, gar als passive Spielbälle der Europäer, sondern aktive, eigene Interessen vertretende oder Widerstand leistende Personen kommen hier ins Blickfeld.
Teilweise war es dazu nötig, Texte zu übersetzen, die damit nun zum ersten Mal in deutscher Sprache vorliegen. In manchen Fällen stammen sie aus zentralen Werken der Afrika-Wissenschaften (z.B. Coquery-Vidrovitch, vgl. M 5.3), in anderen Fällen sind sie selbst dort bisher weitgehend unbeachtet geblieben (z.B. letzte Rede von Mongo Beti, vgl. M 6.4), was sich aber sicher noch ändert. Diese Texte gleichen hoffentlich aus, dass in einigen Fällen aus rechtlichen oder anderen Gründen auf interessante Quellen verzichtet werden musste (z.B. auf die Arbeiten des zugleich wichtigen und sehr kontrovers diskutierten senegalesischen Historikers u.v.m. Cheikh Anta Diop).
Wo es sinnvoll erscheint, ist die deutsche Kolonisation der Schwerpunkt. Im Konkreten orientieren sich die Fragestellungen an den Curricula der meisten Bundesländer (bes. Thema Imperialismus oder Außereuropäische Geschichte), aber auch an den Afrika-Wissenschaften und daran -
allerdings als Kontrast -, wie Afrika innerhalb und außerhalb von Schule im Allgemeinen dargestellt wird. Letzteres bedingt z.B. einen stärkeren Akzent auf das städtische Leben in Afrika als auf die Dorfgeschichten; – im Unterricht in einem Land mit so vielen Städten wie Deutschland weckt das vielleicht mehr Interesse. Als ein wesentliches Charakteristikum der Kolonisation akzentuiert diese Unterrichtsreihe die Brutalität dieses historischen Prozesses: In Anbetracht der z.T. grenzenlosen Gewalt und der nachhaltigen negativen Auswirkungen erschien es nicht adäquat, nach positiven Effekten für Einzelne zu suchen (z.B. für den ehemaligen Haus- oder Feldsklaven, der durch die Schule der Missionare zu Bildung oder mehr kam), sondern auf die Ereignisse zu fokussieren, die die überwiegende Mehrheit der afrikanischen Bevölkerung erlebt bzw. erlitten hat. Die Probleme der Kolonisation lagen nicht im Kulturkontakt an sich begründet; nicht das „Neue“ war für die afrikanischen Gesellschaften ein Problem (im Gegenteil: afrikanische Gesellschaften haben sich schon immer und immer wieder Neuem gestellt, es sogar gesucht). Die Kalamität war die Gewalt, eine systematische Gewalt, mit der der eigene Entscheidungs- und Handlungsspielraum der Afrikanerinnen und Afrikaner massiv eingeschränkt wurde.
Wie manches Schulbuch nutzt auch dieses Heft den Komplex Imperialismus/Kolonialismus, um eine erste kleine Einführung in Themen der Geschichte Afrikas zu leisten, ohne die die Kolonisation und ihre Folgen oberflächlich und unverständlich bleiben müssen. […]
Inhaltsverzeichnis
ZUM INHALT 1
MATERIALIEN 5
Grundkurs: Kolonialismus und Postkolonialismus
1. Teil: Was war vorher? 5
M 1.2 Gleich und verschieden 5
M 1.3 Beispiel Wissensvermittlung 5
2. Teil: Kolonisation 5
M 2.1 Die Aufteilung Afrikas 5
M 2.2 Vehemente Ablehnung 6
M 2.3 Brutalität bis zur Völkervernichtung 6
M 2.4 Herero und Nama 7
M 2.5 Plantagenwirtschaft 8
3. Teil: Widerstand und Dekolonisation 8
M 3.1 Widerstand 8
M 3.2 Lumumbas Traum 9
4. Teil. Kolonialismus – und Postkolonialismus? 10
M 4.1 Muepu Muamba: Die Einschleicher 10
M 4.2 Postkolonialismus? 10
M 4.3 Statthaltersystem! 10
M 4.4 Muepu Muamba: Pflicht zur Einmischung 11
M 4.5 Welthandel 11
M 4.6 Afrika-Viertel 11
Aufbaumodul I: Geschichte in Afrika
M 5.2 Gibt es Stämme in Afrika? 12
M 5.3 Geschichtssplitter zu Austausch und Organisation 13
M 5.4 Die Frage der Bevölkerungsdichte 14
M 5.5 Inn Blickpunkt: der Kampf der jungen Männer gegen die Etablierten 15
Aufbaumodul II: Beispiel Kamerun
M 6.1 Kamerun unter den Deutschen 18
M 6.2 Gewinner Woermann 19
M 6.3 Verblasste Erinnerung, verschönert 19
M 6.4 Warum? Und wann hört es auf? 20
M 6.5 „Unsere Vorfahren, die Gallier“ 21
Aufbaumodul III: Afrika und Europa: Postkolonialismus?
M 7.1 Afrikanische Wege und Beziehungen heute 22
M 7.2 Afrika seit der "Unabhängigkeit" 24
M 7.3 Blick des Hamburger Tansaniers David Kyungu auf „Experten“ 25
Folien
M 1.1 Europa stellt Atuka dar Folie 1
M 5.1 Afrika 1 500 bis 1300 Folie 2
Klausurvorschlag
Europäische Herangehensweisen an Afrika 26
UNTERRICHTSVERLAUF 27
LITERATUR 3. Umschlagseite
Verlagstext
"Geschichte betrifft uns" bietet Planungsmaterial für einen modernen und interessanten Geschichtsunterricht in der Sek. II unter Berücksichtigung der Klassen 9 und 10. Jede Ausgabe enthält: eine Einführung ins Thema, kopierfertige Vorlagen der Texte, Übersichten, Schaubilder, Karikaturen und Fotos, Vorschläge für den Unterrichtsverlauf, Tafelbilder und einen Klausurvorschlag. In jeder Mappe finden Sie außerdem zwei farbige OH-Folien.