Silke Egbers
Die Kunst und das Erinnern
Der Umgang mit dem Nationalsozialismus in der Kunst nach 1945
„Denn nur wer sich erinnert, auch wenn er keine eigene Schuld auf sich geladen hat, kann verantwortungsbewusst mit der Geschichte umgehen“, sagte Bundeskanzler Gerhard Schröder zum 50-jährigen Bestehen der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem (in Jerusalem) bei einem Festakt in der Deutschen Oper in Berlin. Unmittelbar nach Kriegsende stand jedoch der Völkermord an den Jüdinnen und Juden nicht im Mittelpunkt der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. In Westdeutschland wollte man so schnell wie möglich zurück zur „Normalität“, während in der DDR das Postulat vom „antifaschistischen Staat“ und die Ablehnung des Staates Israel zu einem völligen Stillstand in der Auseinandersetzung mit dem Holocaust führte.
Theodor W. Adorno stellt in seinem 1951 erschienenen Essay „Kulturkritik und Gesellschaft“ die Frage nach der Legitimation und Möglichkeit der Darstellung nach den grauenhaften Ereignissen des Nationalsozialismus. Adorno revidiert später seine Auffassung; die Frage aber, was die Darstellbarkeit des Holocaust als ein so gravierendes, scheinbar unmögliches Unterfangen ausmacht, bleibt. Es scheint vor allem die Unfassbarkeit des Geschehenen zu sein, Ausmaß und Intensität der Verbrechen, die es zunächst unmöglich erscheinen lassen, sie bildnerisch umzusetzen und darzustellen.
Erst Ende der 50er-Jahre wurde die bundesrepublikanische Bevölkerung mit den Dimensionen des Holocaust konfrontiert, ausgelöst durch antisemitische Demonstrationen und die Prozesse gegen ehemalige NS-Kriegsverbrecher.
Die Staatsführung der ehemaligen DDR nutzte die große Zahl der westdeutschen Kriegsverbrecher für eine gezielte Kampagne gegen die Regierung der BRD. Zu einer Aufarbeitung der eigenen Geschichte und einer Verurteilung der NS-Verbrecher innerhalb der Staatsgrenzen der DDR kam es nicht. 1958 schuf sich die DDR mit der Eröffnung der „Nationalen Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald“ einen Erinnerungsort, der durch seine Konzeption den Umgang mit der Vergangenheit entscheidend prägte. Eine Vielzahl von Vorstellungen und Entwürfen zeigt deutlich, dass es nicht nur um Vergangenheitsbewältigung ging, sondern dass die Erinnerung an den Nationalsozialismus als Legitimationsgrundlage für die Existenz der DDR als antifaschistischer Staat genutzt wurde.
In der BRD blieb die Mehrheit der Künstler zunächst stumm oder unfähig, das Geschehen bildnerisch auszudrücken. Die Vergangenheit wird nicht thematisiert. Alexander und Margarete Mitscherlich weisen noch 1967 in ihrem Buch „Die Unfähigkeit zu trauern“ auf die „hartnäckig aufrechterhaltene Abwehr von Erinnerungen“ hin.
Abwehr und Verdrängung des Nationalsozialismus und des Holocaust bestimmen zunächst die Arbeiten, die versuchen, sich mit den Ereignissen des Krieges auseinanderzusetzen. Dargestellt werden in aller Regel Leiden, Trauer, Ohnmacht, Resignation und Verzweiflung. Oftmals sind es mythische oder christliche Symbole wie Höllenfahrten, Visionen der Apokalypse oder allegorische Figuren, die das Unfassbare des Krieges ausdrücken sollen. Der Umgang mit dem Nationalsozialismus wird zu einem mit besonderer Emotionalität behafteten Thema für alle Beteiligten: Opfer, Täter und Mitläufer.
Einen markanten Einschnitt im Umgang mit dem Völkermord in der BRD stellt die Ausstrahlung des US-Mehrteilers „Holocaust“ im Jahr 1979 dar. Die Auseinandersetzung mit dem Massenmord an den Juden erfolgt nun auf breiter Basis und führt zu einer größeren Berücksichtigung der Schicksale der Opfer.
Anlässlich des 50. Jahrestages des Novemberpogroms 1988 entwickelt sich eine lang anhaltende Debatte, in deren Mittelpunkt die Frage nach einem angemessenen öffentlichen Umgang mit der historischen Schuld steht. Immer wieder entwickeln sich Diskussionen – ausgelöst z.B. durch das Buch „Hitlers willige Vollstrecker“ von Daniel Jonah Goldhagen, die Ausstellung „Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht“ oder die umstrittene Rede Martin Walsers anlässlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels 1998 in der Paulskirche in Frankfurt. Vor allem in dem mittlerweile über ein Jahrzehnt andauernden Streit um das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ spiegelt sich die sowohl in ästhetischen wie auch politischen Kategorien brisant geführte Kontroverse wider, in der das wiedervereinigte Deutschland um seine Position zur eigenen Geschichte ringt. Auch 60 Jahre nach Ende des Krieges und des Genozids besteht keine Einigkeit über die Formen des Erinnerns. Fragen und Anregungen über die Rückkehr zur „Normalität“ werden gestellt – war alles Bisherige unnormal? Vor allem stellt sich aber inzwischen die Frage, wie sich eine nach dem Holocaust aufgewachsene Generation an Ereignisse erinnern bzw. sie darstellen soll, die sie nicht selbst erfahren hat.
Und was ist mit der Schuldfrage – kann sie verjähren? „Verjähren kann nur ein staatlicher Strafanspruch. Schuld verjährt niemals, sie kann allenfalls vergeben werden. Aber es werden in diesem Lande eines Tages keine Menschen mehr leben, die an den Nazi-Verbrechen schuldig oder mitschuldig geworden sind. […]
Inhaltsverzeichnis
ZUM INHALT 1
MATERIALIEN 5
Grundkurs: Verantwortung übernehmen?
1. Teil: Art Spiege/man: Maus. Ein ungewöhnliches Beispiel? 5
M 1 Auszug aus Band I: Mein Vater kotzt Geschichte aus 5
2. Teil. Das „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ – politisch verordnetes Gedenken? 7
M 2.2 Ansichten 7
M 2.3 Lageplan 7
M 2.4 Jens Jessen: Gegen das Denkmal 8
M 2.5 Volker Beck: Für das Denkmal 9
M 2.6 Karla Sachse: „Das große Denkmal“ (1995) 10
3. Teil. F. C. Flick Collection: fehlendes Verantwortungsbewusstsein? 11
M3.1 Offener Brief des Sammlers F. C. Flick 11
M3.2 Salomon Korn antwortet 11
M3.3 Hilde Schramm – Tochter von Albert Speer, Hitlers Architekten 13
Aufbaumodul: Kunst in Deutschland nach 1945 – zwei Beispiele
M 4.1 Lea Grundig - Jüdin, Kommunistin, Deutsche 15
M 4.2 Grafische Arbeiten 18
M 4.3 Grafiken 18
M 4.4 Lea Grundig und ihr Verhältnis zum Westen 19
M 4.5 Anselm Kiefer - Der Vergangenheit stellen 20
M 4.7 Besetzungen 22
M 4.8 Kunst als Provokation 23
Projektmodul: „Stolpersteine“
M5.1 Entwicklung des Projekts 24
M5.2 Verlegen der Stolpersteine 24
Folien
M 2.1 Modell: „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ Folie 1
M 4.6 Anselm Kiefer: Besetzungen Folie 2
Klausurvorschlag
Kinder haften für ihre Eltern? 25
UNTERRICHTSVERLAUF 27
LITERATUR 3. Umschlagseite
Verlagstext
"Geschichte betrifft uns" bietet Planungsmaterial für einen modernen und interessanten Geschichtsunterricht in der Sek. II unter Berücksichtigung der Klassen 9 und 10. Jede Ausgabe enthält: eine Einführung ins Thema, kopierfertige Vorlagen der Texte, Übersichten, Schaubilder, Karikaturen und Fotos, Vorschläge für den Unterrichtsverlauf, Tafelbilder und einen Klausurvorschlag. In jeder Mappe finden Sie außerdem zwei farbige OH-Folien.