Inhaltsverzeichnis
ZUM INHALT 1
MATERIALIEN 5
Einstiegsmodul: Fragen zum "Zeitgeist" einer Epoche 5
M 1.1 Interview mit dem Hamburger Historiker Axel Schildt (2009) 5
M 1.2 "Nivellierte Mittelstandsgesellschaft" 7
M 1.3 Glossar: Narrative Logik des Comics 7
M 1.6 Erich Kästner: Heinrich Heine und wir (1956) 8
M 1.7 Karikatur zur "Ära Adenauer" (1965) 8
Grundkurs: Kultur und Gesellschaft der 50er-/60er-Jahre 9
1. Teil: Ehe, Familie und Geschlechterrollen 9
M 2.1 "Die gute Ehe" (1954) 9
M 2.2 Ute Frevert: "Umbruch der Geschlechterverhältnisse?" 9
M 2.3 Männliche Vorbildrollen 10
M2.4 Methodenkarte zur Analyse historischer Kino-Werbespots 11
2. Teil: Jugend und Erziehung 12
M 3.1 Jugendkultur und Rock 'n' Roll 12
M 3.2 Kommentar (1956) 12
M 3.3 Interview: Heimerziehung in den 50er- und 60er-Jahren 13
M 3.4 Karteikarte eines Heimzöglings (1969) 14
3. Teil: Konsum, Freizeit und Massenmedien 15
M 4.1 Ausstattung der Haushalte mit ausgewählten Gebrauchsgütern 15
M 4.2 Traum vom guten Leben 15
M 4.3 Edgar Wolfrum: Wertewandel - Werbung als kulturgeschichtliche Quelle 18
M 4.4 Leitmedium Fernsehen 19
4. Teil: Politisierung: kritische Öffentlichkeit und öffentlicher Protest 20
M 5.1 Zeitungskommentar zur "Spiegel"-Affäre (1962) 20
M 5.2 Hans-Ulrich Wehler: "Die Entstehung einer kritischen Öffentlichkeit..." 21
Erweiterungsmodul: Umgang mit der NS-Vergangenheit 22
M 6.1 Norbert Frei: "Vergangenheitspolitik" 22
M 6.2 "Schlussstrich"? 22
M 6.3 Claudia Fröhlich: "Skandalisierung der versäumten Aufarbeitung ..." 23
Urteilsmodul: "Ära Adenauer" - eine Periode "aufregender Modernisierung"? 24
M 7.1 Hans-Peter Schwarz zur Ära Adenauer (1981) 24
M 7.2 Christoph Kleßmann (1985) 25
Folien
M 1.4 Geschichtscomic: "Aus alter Gewohnheit" (Isabel Kreitz) Folie 1
M 1.5 Geschichtscomic: "Heimkehr der Zehntausend" (Isabel Kreitz) Folie 2
Klausurvorschlag
Ralf Dahrendorf: "Exkurs über Humanität und Unmenschlichkeit" (1965) 26
UNTERRICHTSVERLAUF 27
LITERATUR 3. Umschlagseite
Verlagstext
"Geschichte betrifft uns" bietet Planungsmaterial für einen modernen und interessanten Geschichtsunterricht in der Sek. II unter Berücksichtigung der Klassen 9 und 10. Jede Ausgabe enthält: eine Einführung ins Thema, kopierfertige Vorlagen der Texte, Übersichten, Schaubilder, Karikaturen und Fotos, Vorschläge für den Unterrichtsverlauf, Tafelbilder und einen Klausurvorschlag. In jeder Mappe finden Sie außerdem zwei farbige OH-Folien.
Leseprobe
Jochen Pahl
Die Bundesrepublik Deutschland in den 50er-/60er-Jahren
Wenig pompös ist im Jahr 2009 der sechzigste Geburtstag der Bundesrepublik Deutschland gefeiert worden. Einer der Höhepunkte des Staatsakts am 23. Mai, dem Jubiläum des Inkrafttretens des Grundgesetzes: ein fünfzehnminütiger Film, der „Unsere 60 Jahre" betitelt war. Ein Titel, der auch den Geburtstagsfilm auf der heimeligen Familienfeier bei Tante Hilde zieren könnte. Die bescheidenen Feierlichkeiten scheinen den Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler in seiner Diagnose zu bestätigen, dass die deutsche Nachkriegsära nicht mehr den großen Atem hatte, um kollektive Mythen zu produzieren. In seinem Buch „Die Deutschen und ihre Mythen" (Reinbek: Rowohlt 2009) konstatiert er eine eher "dünne" Staatssymbolik der Bundesrepublik, in der nicht einmal der 17. Juni 1953 (Volksaufstand in der DDR) oder der Mauerfall von 1989 nachhaltige Spuren hinterlassen haben. Dennoch gebe es "Gründungserzählungen", zu denen Währungsreform, "Wirtschaftswunder" und Leistungsstolz zu zählen seien.
So wird kaum ein Zeitabschnitt der Geschichte der "alten" Bundesrepublik derart mystifiziert und verklärt wie die beiden Jahrzehnte des "Wirtschaftswunders" - eine Phase der volkswirtschaftlichen Hochkonjunktur, die bis in die frühen 1970er-Jahre andauerte. Das Buch Ludwig Erhards "Wohlstand für alle" aus dem Jahr 1957 erscheint in der Rückschau geradezu als das verheißungsvolle "konsumgeschichtliche Grundgesetz der Bonner Republik" (Hartmut Berghoff), das die massiven gesellschaftlichen Konfliktlagen entschärfte.
Die Probleme, die bewältigt werden mussten, waren enorm: Mehr als neun Millionen Kriegstote, zwölf Millionen Flüchtlinge und Vertriebene, etliche Millionen heimkehrender Kriegsteilnehmer und eine junge Demokratie, die 6,5 Millionen Mitglieder der NSDAP (Stand: Kriegsende) „integrieren" musste. Der Weg zu einer liberalen, demokratischen und pluralistischen Gesellschaft war nicht selbstverständlich vorgezeichnet. Dass die Geschichte der Bundesrepublik als unzweifelhafte Erfolgsgeschichte erzählt werden kann, liegt auch an der loyalitätsstiftenden Erfahrung des Massenkonsums, die in diesen beiden Dekaden begründet wurde.
Der "Zeitgeist" einer Epoche
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und sozialen Umbrüche standen ungeahnte Neuerungen und beharrende Kräfte in einem Spannungsverhältnis. In der vorliegenden Unterrichtseinheit sollten vor allem die Besonderheiten der Epoche den Schülerinnen und Schülern deutlich werden. Den im "wiedervereinigten" Deutschland geborenen Teenagern müssen die Werte und Vorstellungen der 1950er- und 1960er-Jahre fremd erscheinen. Mit dem (zugegebenermaßen unscharfen) Begriff „Zeitgeist" werden die divergenten Denk-, Empfindungs- und Verhaltensweisen der Menschen jener Zeit gleichsam „eingefangen", die sich unter anderem in den Vorstellungen von Ehe und Familie, dem kulturellen Muster der Geschlechterbeziehungen oder in den Erziehungsgrundsätzen manifestieren. In den 1950er-Jahren kommen allerdings gesellschaftliche Entwicklungen in Gang, die sich in den 1960er-Jahren geradezu in Boom-Form ausprägen. Der Hamburger Historiker Axel Schildt, der als Interviewpartner für die vorliegende Ausgabe von "Geschichte betrifft uns" gewonnen werden konnte (siehe M 1.1 und DVD-Beilage), hat diese Entwicklung der westdeutschen Gesellschaft auf die Formeln "Modernisierung im Wiederaufbau" für die 1950er-Jahre und "Dynamische Zeiten" für die 1960er-Jahre gebracht.
Dass die "Zusammenbruchsgesellschaft" der ersten Nachkriegsjahre in raschem Tempo zivilisatorische Standards erreichte, die jene der Vorkriegszeit übertrafen, nahm der von Helmut Schelsky (1912-1984) geprägte Begriff der "nivellierten Mittelstandsgesellschaft" auf. Dieser Begriff war jedoch auch ideologisch gefärbt und kaschierte zudem bestehende soziale Ungleichheiten (siehe M 1.2). ...