Inhaltsverzeichnis
ZUM INHALT 1
MATERIALIEN 4
Einstiegsmodul: Kontroversen - theoretische und methodische Grundlagen 4
M 1.1 „Der Eindringling" (Karikatur, 1996) 4
M 1.2 Was sind (Historiker-)Kontroversen? 4
M 1.3 Kann Geschichte objektiv sein? 5
M 1.4 Prozess der historischen Urteilsbildung 5
M 1.5 Methode: eine Historiker-Kontroverse untersuchen 6
M 1.6 Der Nationalsozialismus in der öffentlichen und historischen Diskussion 7
M 1.7 Der Nationalsozialismus - Ergebnis eines "deutschen Sonderwegs"? 6
Grundkurs: Kontroversen um den Nationalsozialismus
1. Teil: Der Holocaust - "Vergangenheit, die nicht vergeht"? Der Historikerstreit 1986/87 8
M 2.1 Orientierungswissen zur Kontroverse 8
M 2.3 Alexander Solschenizyn (1973): Der Archipel GULAG 8
M 2.4 Der "rote Terror" 9
M 2.5 Massenverbrechen im Stalinismus 9
M 2.6 Kriterien zum Vergleich historischer Massenverbrechen 10
M 2.7a Joachim Fest: "Die geschuldete Erinnerung" 10
M 2.7b Jürgen Kocka: "Hitler sollte nicht durch Stalin und Pol Pot verdrängt werden" 11
M 2.8 Methode: Analyse und Vergleich kontroverser Historikerpositionen 12
M 2.9 Karikatur zur deutschen Geschichte, 1985 12
M 2.10a Ernst Nolte: "Vergangenheit, die nicht vergehen will" 13
M 2.10b Jürgen Habermas: "Eine Art Schadensabwicklung" 13
2. Teil: Die Deutschen: Hitlers "willige Vollstrecker"? Die Goldhagen-Debatte 1996 14
M 3.2 Orientierungswissen zur Kontroverse 14
M 3.3a Zwischen Emanzipation und Ausgrenzung - Juden und Judentum in der deutschen Geschichte zwischen Vormärz und Nationalsozialismus 15
M 3.3b "Auszug der Juden aus Deutschland!" (Plakat, 1896) 18
M 3.3c Götz Aly über sein Buch "Europa gegen die Juden. 1880-1945" 18
M 3.4a Daniel Goldhagen untersucht den Antisemitismus in der deutschen Geschichte 19
M 3.4b Hans-Ulrich Wehler: Wie ein Stachel im Fleisch 19
M 3.5 Wer waren die Täter? Täteranalyse am Beispiel des Reserve-Polizei-Bataillons 101 20
M 3.6 Auszüge der Briefe des Polizeisekretärs Walter Mattner an seine Frau 20
M 3.7 Zeugenaussage des ehemaligen Angehörigen des Reserve-Polizei-Bataillons 91 Friedrich Hermann über eine Massenerschießung im Februar 1942 21
M 3.8a Daniel Goldhagen über die Täter und ihre Motive 21
M 3.8b Norbert Frei: Ein Volk von "Endlösern"? 22
Vertiefungsmodul: Historiker-Kontroversen - bedeutsam für Geschichtswissenschaft und Geschichtskultur? 23
M 4.1 Interview mit dem Historiker und Geschichtstheoretiker Klaus Große Kracht 23
Folien
M 2.2 Anne Bobdorff-Hajal: Darling Godsonny Stalin Folie 1
M 3.1 Titelseite der "Spiegel"-Ausgabe vom 20.5.1996 Folie 2
Klausurvorschlag
Eine Neuauflage des Historikerstreits? 24
UNTERRICHTSVERLAUF 25
LITERATUR 3. Umschlagseite
Verlagstext
"Geschichte betrifft uns" bietet Planungsmaterial für einen modernen und interessanten Geschichtsunterricht in der Sek. II unter Berücksichtigung der Klassen 9 und 10. Jede Ausgabe enthält: eine Einführung ins Thema, kopierfertige Vorlagen der Texte, Übersichten, Schaubilder, Karikaturen und Fotos, Vorschläge für den Unterrichtsverlauf, Tafelbilder und einen Klausurvorschlag. In jeder Mappe finden Sie außerdem zwei farbige OH-Folien und eine CD-ROM.
Leseprobe
Andreas vom Heede
Historiker-Kontroversen um die deutsche Geschichte: der Nationalsozialismus
Zum Begriff
Was genau eine Historikerkontroverse ist und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um überhaupt von einer solchen sprechen zu können, darüber liegen unterschiedliche Ansichten vor, die wohl selbst Gegenstand, zumindest einer fachintern geführten Debatte sein könnten. Weitgehend einig ist man sich darüber, dass Meinungsdifferenzen, Kritiken oder persönliche Rivalitäten alleine noch keine hinreichenden Bedingungen für eine Kontroverse darstellen (vgl. M 1.2). Denn darüber hinaus müssen auch erhebliche Widersprüche zwischen den Thesen bestehen, außerdem muss sich der Streit auf einen bedeutenden Gegenstand der Geschichte beziehen und schließlich muss er, zumindest in Teilen, vor den Augen der Öffentlichkeit ausgetragen werden. Die Auseinandersetzung darf sich eben nicht allein im „Elfenbeinturm der Fachzeitschriften und Akademieabhandlungen abspielen" (Repgen, 1988) ein Bild, das der Zeichner Luis Murschetz treffend in einer Karikatur zur Goldhagen-Debatte umsetzt (vgl. M 1.1). Ein weiteres charakteristisches Merkmal besteht für Hartmut Lehmann (2001) darin, dass sich Historiker-Kontroversen dadurch auszeichnen, "dass in ihnen nicht eigentlich über das debattiert wird, was scheinbar im Vordergrund der Kontroverse steht, dass also hinter der strittigen Sachfrage andere strittige Komplexe stehen, die in der Kontroverse nicht ausdrücklich thematisiert werden, obwohl sie für Inhalt, Verlauf und Ergebnis der Kontroverse von großer Bedeutung sind". Die in diesem Heft thematisierten Kontroversen, der Historikerstreit von 1986/87 und die Goldhagen-Debatte von 1996, bilden dabei keine Ausnahme. Wurde in ihnen zwar auch über Sachfragen gestritten, etwa darüber, wie "gewöhnliche Deutsche" zu Mördern werden konnten, so ging es in beiden Kontroversen doch vor allem um eine Verortung der NS-Vergangenheit innerhalb der deutschen Geschichte und darum, wie man mit diesem "Erbe" umgehen sollte, eine Frage, die auch heute noch unter den Schlagworten "Verdrängung", "Bewältigung" und "Aufarbeitung" lebhaft diskutiert wird.
Relevanz von Kontroversen
Weil sich die Gesellschaft mit Geschichte und auch mit dem Umgang mit ihr auseinandersetzt, was sich an immer wiederkehrenden Streitigkeiten um Gedenkstätten, Ausstellungen oder Gedenktage etc. zeigt, stellen auch öffentlich ausgetragene Kontroversen zwischen Historikern einen wichtigen Aspekt der Geschichtskultur dar. Wie der Zeithistoriker und Geschichtstheoretiker Große Kracht in einem Interview betont (vgl. M 4.1), kommen Kontroversen auch wichtige gesellschaftliche und geschichtskulturelle Funktionen zu. So stellen sie ein bedeutsames Forum dar, um fachwissenschaftliche Erkenntnisse überhaupt einem breiteren Publikum vermitteln zu können, und sie können einen wichtigen Beitrag zur politisch-moralischen Orientierung gegenüber der eigenen Vergangenheit leisten. So verweist Große Kracht darauf, dass durch den Historikerstreit ein geschichtskultureller Konsens über den Umgang mit der NS-Vergangenheit hergestellt werden konnte und dass die Debatte über die Thesen Goldhagens gezeigt habe, dass dieser auch weiterhin Bestand habe. Die Bewertung des Stellenwerts solcher Historikerstreite muss aus der Perspektive der Fachwissenschaft dagegen zwiespältiger ausfallen. Zwar sind gerade Debatten und Kontroversen ein wesentlicher Bestandteil historischer Arbeit und eine Voraussetzung dafür, dass es in der Geschichtsforschung überhaupt zu Fortschritten kommt (Ian Kershaw, 2015). Allerdings wurde gerade für die oftmals polemisch und emotional geführten Kontroversen um den Nationalsozialismus das Ausbleiben fachwissenschaftlicher Erträge beklagt. Hinzu kommt, dass sich solche scharf geführten Kontroversen auch negativ auf die Forschungsarbeit auswirken können, weil der fachwissenschaftliche Diskurs auf diese Weise mit außerwissenschaftlichen Argumenten vermengt wird (vgl. M 4.1).
Kontroversität im Geschichtsunterricht
Neben der Multiperspektivität ist auch die Kontroversität ein grundlegendes Prinzip des Geschichtsunterrichts. Denn Schülerinnen und Schülern soll in der Auseinandersetzung mit Geschichte auch immer wieder bewusst werden, dass auch die "Wissenschaft Geschichte" nur Deutungen, aber keine Widerspiegelung der Vergangenheit hervorbringen kann (Klaus Bergmann, 2007). Unter Kontroversität versteht der bekannte Geschichtsdidaktiker, dass Historiker unterschiedliche Deutungen über gleiche Sachverhalte vorlegen, weil sie die Quellen und frühere Darstellungen aus unterschiedlichen Sichtweisen betrachten. Wie weitreichend sich die zahlreichen Einflussfaktoren auf den Standort des Historikers und seine Geschichtsschreibung auswirken können, hat Thomas Nipperdey bereits 1979 eindrucksvoll in einem Aufsatz aufzeigen können (vgl. M 1.3). [...]