Liebe Leserin, lieber Leser
Wer heute ein wenig auf sich hält, macht auf »ästhetisch«, etwa auf: hochglanz-verschönert. Es kommt auf Inszenierungen an. Aber das ist hier nicht gemeint. Ästhetik im Umfeld von Bildung hat anderes vor. Es geht darum, aufmerksam und wach zu werden, damit die Sinne Sinn zugänglich machen. Ästhetik als »Wahrnehmungslehre«, als Zugangsweise des Menschen zur Wirklichkeit in allseitigen sinnlichen Erfahrungen. Auch im Glauben geht es »weniger um ›Übersinnliches‹ als um den Sinn des sinnenhaft Zugänglichen« (Hans-Joachim Höhn, S. 243). So gesehen verwundert es nicht, dass auch die Religionspädagogik an die Ästhetik-Debatte anknüpft und sie für sich fruchtbar gemacht hat. Peter Orth zeichnet den bisherigen Rezeptionsweg nach – nicht ohne einige bedenkenswerte Anmerkungen zu machen (249ff). Zusammen mit Hans Hobelsberger hat er diesen Heftschwerpunkt besorgt. Film, Mode, Pantomime und Heftgestaltung – das sind die griffigen Beispiele, an denen ästhetische Zugänge durchexerziert werden. Stutzen werden Sie vielleicht bei der Empfehlung von Marcus Minten und Martin Ostermann, populäre Unterhaltungsfilme nicht auszusparen. Noch gewöhnungsbedürftiger mag Ihnen Marius Stelzers Eingehen auf Graffiti vorkommen, die ärgerlichen Wandschmierereien allüberall. Was daran, bitte schön, soll ästhetisch sein? Wo liegt der Sinn von Sprayen und soap operas? Aber der ästhetische »sensus« ist mehr als das Streben nach Hochkultur und das Darbieten vorgefertigter ästhetischer Ausdrucksformen. Es ist eine Grundhaltung: zu begreifen, was Menschen ergreift, wie Menschen verschiedener Altersstufen und in unterschiedlichen Zeiten auf Wirklichkeit zugreifen, sie verstehen, verarbeiten, ihre Kritik einbringen, sich selbst ausdrücken. Unter demokratischen Vorzeichen ist das allemal für Überraschungen gut. Überraschungen auch, wie Religion und Glaube darin zur Sprache kommt. Möglicherweise stehen uns hier Zumutungen bevor, die uns selber in Lernprozesse verwickeln.
Wilhelm Albrecht
Schriftleiter
Inhaltsverzeichnis
THEMA: Eine Frage der Ästhetik?
238 Free your mind - den Geist zu Gott erheben
Marius Stelzer
Erfahrungen aus einem Projekt mit jugendlichen Sprayern.
242 "Zeig's mir!" Theologie zwischen Ethik und Ästhetik
Hans-Joachim Höhn
Drei Gedanken über die Anforderungen an eine theologische Ästhetik.
249 Ästhetischer Religionsunterricht
Peter Orth
Über die Bedeutung der Ästhetik für die Religionspädagogik.
255 "Komm und sieh!"
Marcus/Martin Minten/Ostermann
Filme bieten ein unausgeschöpftes religiöses Erfahrungspotenzial.
259 Mode -Das Äußere zählt!
Matthias Sellmann
Mode ist für junge Leute weit mehr als Mode.
264 Pantomime: Der Körper erzählt, was die Seele versteht
Gabriele Wanger
Eine kleine Einführung in die Kunst der Pantomime.
269 Projekt "Ich-Buch"
Hans Mendl
Eine Chance zu individuellem Lernen, das nicht "nach Schule riecht".
273 Kreative und ästhetische Heftgestaltung
Elisabeth Buck
So entstehen Unterrichtshefte mit multisensorischen Erlebnisqualitäten.
278 Kriterien für die Gestaltung ästhetischer Lernwege
Peter Orth
Anregungen zu einer ästhetisch ansprechenden Lernkultur im Religionsunterricht.
280 Begegnung mit dir - mit mir - mit allen
Rita Burrichter
Katsura Funakoshi gestaltet lebensgroße Figuren aus Kampferholz.
286 Akzent
Karsten Henning
Kurz gefilmt: Father and Daughter
288 Gefunden und notiert
Religionsunterricht konkret
290 Abduktive Korrelation: der dritte Weg
Stefan/Hans-Georg Heil/Ziebertz
Ein Ausweg aus dem Dilemma von deduktiver und induktiver Korrelation.
298 Wenn SchülerInnen Probleme haben: Schritte der Gesprächsführung
Franz Trautmann
Was ist bei Gesprächen in Problem- und Krisensituationen zu beachten?
303 Im Blick: Jugendarbeit
Peter Deckert
Jugendchöre zwischen pastoralem Konzept und Gemeindewirklichkeit.
306 Bücher
312 Impressum
Materialbrief RU 3/2003
Kreuzzeichen. Erarbeitet von Günter Siener