„Ist Gott auch hier?“ Zwei braune Kinderaugen schauen mich an. Ich bin total perplex, denn von Gott war gerade keine Rede. Die Kinder der Kindertagesstätte ziehen ihre Matschsachen an, es soll raus auf den Spielhof gehen. Die religionspädagogische Stunde ist zu Ende, ich helfe nur noch hier und da beim Anziehen. Da ich nicht sofort reagiere, setzt Klara nach: „Wo hat er hier denn Platz?“ Sie zeigt auf das Chaos von Handschuhen, Mützen, Schals und Schuhen, in dem 14 Kinder stehen. „Was meinst du denn, wo er hier sein könnte?“, frage ich zurück. „Vielleicht ist er zu groß für das Haus. Gott ist ja sooo groß.“ Zwei Kinderärmchen zeigen eine Spanne auf. „Das denke ich auch“, antworte ich. „Gott ist so groß. Aber komm mal mit.“ Wir gehen zu Krippe im Eingangsbereich. Es ist kurz vor Weihnachten. Da liegt das Christuskind in der winzigen Futterkrippe. „Gott kann aber auch so klein sein. So klein wie das Jesusbaby, in dem er zur Welt gekommen ist.“ „Und so klein, dass er in meinem Herzen wohnen soll“, meint Klara. Wir schauen noch wenige Sekunden die Krippenfiguren an. Dann dreht sich die Kleine um und rennt zu den anderen Kindern nach draußen. „Tschüss!“ Weg ist sie. Ich bleibe noch einen Augenblick stehen und denke nach. So groß und gleichzeitig so klein? Wo hat Gott hier überhaupt Platz in unserem Leben? Wenn ich ihn suche, wo finde ich ihn? Wohl nicht in der Holzkrippe im Flur der Kita. Oder doch? Die kleine Klara war irgendwie schneller mit der Frage fertig. Zumindest für heute, denn letztlich gibt es für die Frage nach Gott keine abschließende Antwort. Und auch in unserem Leben finden wir ihn an immer wieder anderen Orten. Der Theologe Karl Barth schreibt: „Gott! Wir wissen nicht, was wir damit sagen. Wer glaubt, der weiß, dass wir es nicht wissen.“ Die Fragen bleiben. Ein Leben lang. Wie gut, dass Kinder mich mit ihren Fragen immer wieder daran erinnern. Gott lässt sich nicht auf eine einfache Antwort festlegen.
Als Religionspädagogin erlebe ich mich gemeinsam mit Kindern auf einem Weg der Suche nach Gott. Im Angesicht der Welt Gott entdecken, ist auch eine Aufgabe, die immer wieder neu im Religionsunterricht auftaucht. „Menschen fragen nach Gott und reden von Gott, weil sie ihr Leben und ihre Welt umfassend zu verstehen versuchen: deren Ursprung, Verfassung und Bestimmung, unter Einbeziehung auch jener Widerfahrnisse, die scheinbar oder tatsächlich dieses Verständnis der Wirklichkeit in Frage stellen.“ 1
(Nadine Hofmann-Driesch)
LIEBE LESERINNEN UND LESER,
das vorliegende Heft möchte dazu beitragen, das Fragen nach Gott in der religionspädagogischen Arbeit wach zu halten und auch Orte benennen, an denen man gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen etwas dazu entdecken kann. So nimmt uns der Grundsatzartikel mit auf die Reise des dogmatischen Fragens und Suchens. Von welchem Gott reden wir denn eigentlich? So auch der Tiefgang: Ist Gott eine Niete oder ein Zyniker? Passen Vorstellungen von Gott in einen Koffer? Oder wohnt er in Brüssel? Und wer braucht schon Gott, wenn doch das Internet allwissend und omnipräsent ist? Ist Gott ein alter Hut oder eher der weiße Mann?
Wir hoffen, dass die vorliegenden Ideen Sie ansprechen und zum Ausprobieren anregen. Die Bilder des Kollegen Peter Kristen, die Sie im Heft finden, stehen ebenso wie die meisten Artikel und Materialseiten auch online zur Verfügung
(www.rpi-impulse.de).
Inhaltsverzeichnis
Inhalt:
Titel
Inhalt
Editorial
Personen und Projekte
Aus Kirche und Staat
Grundsatzartikel: Von welchem Gott reden wir eigentlich? (Cornelia Richter)
Der Gotteskoffer (Angela Kunze-Beiküfner)
Gott hat viele Namen (Beate Wiegand)
Wie spricht Gott zu Menschen? Und: woher wissen wir eigentlich, dass es Gott ist, der spricht (Regina Günther-Weiß, Insa Rohrschneider)
Wozu Gott, wenn es das Internet gibt? (Karsten Müller)
Was meinen wir, wenn wir "Gott" sagen? (Jochen Walldorf)
Das brandneue Testament "Gott existiert - er lebt in Brüssel" (Christine Weg-Engelschalk, Andreas Engelschalk)
Konfirmandenarbeit
Filme zum Thema / Lit-Tipps / Reformation aktuell
Tiefgang (Michael Dorhs)
Rückseite