Liebe Leserinnen und Leser,
»Reformation und Politik«, so lautetdas Thema dieses Jahres in der »Reformationsdekade« der EKD, die auf das große Jubiläum »500 Jahre Reformation « im Jahr 2017 vorbereiten soll. Wie die EKHN sich darauf vorbereitet, können Sie in unserer Rubrik »Kirche & Staat« nachlesen. Im politischen Gedenkjahr 2014 (100 Jahre Erster Weltkrieg, 70 Jahre D-Day) bietet sich das Thema »Reformation und Politik« direkt an.
Es ist ein ambivalentes Thema. Ohne Reformation hätte es keinen 30-jährigen Krieg gegeben, mit einer verheerenden Bevölkerungsabnahme in Deutschland von 22 auf 13,5 Mio. Ohne Reformation hätte es keine Hugenotten und keine Bartholomäusnacht in Paris gegeben. Ohne Reformation hätte man die drei Täufer in Münster nicht lebendig in einem Käfig am Kirchturm verhungern lassen. Ohne Reformation wäre der katholische Arzt Michael Servet nicht im reformierten Genf ermordet worden.
Aber auch: ohne Reformation wäre Europa kein religiös und kulturell differenzierter Kontinent geworden. Dies hat das private und öffentliche Leben, die Wirtschaft, das Recht und die Wissenschaft stark geprägt. Der Augsburg Religionsfrieden von 1555 (cuius regio, eius religio) ist ein Modell geworden, um mit religiöser Pluralität zu leben. Die Reformation förderte mit ihrer »Priesterschaft aller Gläubigen« und mit der Betonung der Freiheit (die »Unvertretbarkeit« ; Ich
stehe alleine vor Gott) die Demokratisierung und die Aufklärung. Und auch wenn die Unterscheidung von Kirche und Staat gewiss nicht immer ausreichend eingehalten wurde, hat die Reformation doch die Basis für Grundrechte wie Religionsfreiheit und Gewissensfreiheit gelegt.
In diesem Heft wollen wir das Thema in unsere Zeit ziehen und den Ambivalenzen von evangelischem Glauben und Politik im 20. und im beginnenden 21. Jahrhundert nach - gehen.
Im ersten Beitrag stellt Thorsten Latzel die Frage : »Welchen Beitrag leistet ein evangelisches Menschenbild zur politischen Streitkultur ?« Hier geht es nicht um eine Funktio - nalisierung von Glauben, sondern um die Frage, inwiefern das Selbstverständnis eines evangelischen Christen zur politischen Streitfähigkeit beiträgt. Im zweiten Beitrag geht Hans-Günter Heimbrock der Frage nach, wie evangelischer Religionsunterricht zum Dialog befähigen kann. Gelingt Dialogfähigkeit durch die Organisationsform des RU, durch bestimmte Inhalte des Unterrichts, liegt es an Beziehungsformen und Lernarrangements oder hängt die Vermittlung dieser wichtigen Kompetenz an der Grundhaltung der Lehrkräfte ? Das Jahr 2014 markiert auch den Beginn des erste Weltkriegs vor hundert Jahren : »The Great War«, »La Grande Guerre« – die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts. Michael Landgraf bietet in seinem Artikel Frieden lernen und an den Krieg erinnern.
Unterrichtsmaterialien für dieses Thema. Er plädiert für eine Wiederbelebung der Friedenspädagogik und skizziert, wie sie heute in unterschiedlichen Altersstufen aussehen kann. Insbesondere zeigt er, wie man in der Klassenstufe 7- 11 mit seinem Jugendbuch »Felix zieht in den Krieg« als Ganzschrift arbeiten kann.
Die Rolle der Kirchen im Dritten Reich und der Kirchenkampf sind feste Themen im Religionsunterricht. Sie können an Relevanz gewinnen, wenn Personenbezug und Ortsbezug hergestellt werden. Dazu dient der Artikel von Harmjan Dam, Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus in der Landeskirche Nassau-Hessen 1933-1945.
Der Beitrag von Petra Hilger, Christen als Minderheiten im Nahen Osten, zeigt mit hoher Aktualität, wie die religiös aufgeladenen Konflikte und Kriege im Nahen Osten die christlichen Minderheiten in große Schwierigkeiten bringen. Am Beispiel der »rum-orthodoxen Kirche« in Syrien bietet Hilger konkrete Unterrichtsideen und -materialien für das Halbjahr Q4 in der Oberstufe des Gymnasiums. Wir hoffen, mit diesen Beiträgen Ihnen neue Impulse für das brisante Thema Reformation und Politik vorgelegt zu haben.
Inhaltsverzeichnis
Dam, Harmjan; Martini, Uwe: Editorial
Personen, Praxis, Projekte
"Karan würde uns fehlen", sagt seine Klasse o "Mein Opa, meine Oma, meine Zukunft und ich" - Schüler beschäftigen sich mit der Vielfalt von Religionen und Lebensentwürfen o Zauberwort "Region" : Das neue religionspädagogische Institut von EKKW und EKHN
Aus Kirche und Staat
Zwischen Wittenberg u. Worms. Zum Stand der Reformationsdekade in der EKHN o Neuer Lehrplan Oberstufe Gymnasium Hessen o Konfirmandenarbeit : Ein Erfolgsmodell mit Optimierungsmöglichkeiten - Zwischenergebnisse der zweiten bundesweiten Konfi-StudieDiskussionspapier zur "Inklusion"
Fachdidaktische Impulse zum Thema "Evangelischer Glaube und Politik"
Latzel, Thorsten: Welchen Beitrag leistet ein evangelisches Menschenbild zur politischen Streitkultur ?
Heimbrock, Hans-Günter: Wie kann evangelischer Religionsunterricht zum Dialog befähigen ?
Landgraf, Michael: Frieden lernen und an den Krieg erinnern
Weg-Engelschalk, Christine: Wegzehrung - Ich bin vergnügt, erlöst, befreit
Dam, Harmjan: Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus in der evangelischen Landeskirche Nassau-Hessen 1933-45
Hilger, Petra: Christen als Minderheit im Nahen Osten - Unterrichtsideen für Q 4
Service
Grassmann, Irina: Filme aus der Medienzentrale Lutherdekade : Themenjahr Reform und Politik
Dinkelaker, Veit: Aus dem Bibelhaus Luther in aller Munde ? - Eine Ausstellung 2015 im Bibelhaus Erlebnis Museum soll ganz auf Schule zugeschnitten sein
Knoche, Andrea: Aus der Konfirmandenarbeit "Meine Wahl ! - Kirchenvorstand 2015 " Bausteine und Entwürfe für die Konfirmandenarbeit
Dam, Harmjan: Neue Bücher aus der EKHN Globalisierung der Kirchen - Katharina Kunther, Annegret Schilling (Hg.)
Dettmar, Volker: Lit Tipps Der lebendige Gott und die Fülle des Lebens o Bibel - etwas für mich ? o Das Gedankenexperiment
Die Regionalstruktur des neuen Religionspädagogischen Instituts von EKHN und EKKW