Editorial:
Abraham, Sara und Isaak, Hagar und Ismaei. Eine kleine Familie schaut uns auf dem Bild auf der Vorderseite dieses Schönberger Heftes an. In starken, kontrastierenden Farben hat die indische Künstlerin Lucy d'Sousa-Krone sie gemalt. Abraham umarmt die beiden Frauen und Kinder und umfasst damit das Judentum und den Islam. Er ist auch der Stammvater des Christentums. Alte drei sitzen unter dem blauen Sternenhimmel, Sinnbild für die unendliche Weite Gottes und für sein Versprechen, uns Menschen eine Zukunft in Fülle zu schenken. Dieses Versprechen ist der Segen, der uns gemeinsam ist. Oder wie Gott in 1. Mose 12,2 b zu Abraham sagt: »An dir soll sichtbar werden, was es bedeutet, wenn ich jemanden segne.«
In diesem Schönberger Heft geht es um »Anderes entdecken, Eigenes vergewissern« in der Grundschule. Im letzten Jahr erschien in unserer Reihe »Schönberger Impulse - Praxisideen Religion« ein Heft unter diesem Titel (Diesterweg 2008, Braunschweig). Hier waren keine Unterrichtsbeispiele für die Grundschule aufgenommen, was wir mit diesem Schönberger Heft nachholen möchten. Das Anliegen ist das Gleiche: Wir wollen Bausteine für einen pluralitätsfähigen Religionsunterricht vorlegen. Um Schülerinnen und Schüler zum Umgang mit Pluralität zu befähigen, muss eine Bewegung zwischen dem Eigenen und dem Anderen vollzogen werden. Der Religionsunterricht soll Innen- und Außensicht vermitteln, Heimat und Reise in die Fremde bieten. In den Beiträgen dieses Schönberger Heftes wird gezeigt, wie dies in der Grundschule gelingen kann.
Im ersten Artikel stellt Anne Klaaßen vier Geschichten und Personen aus Bibel und Koran vor: Abraham, Josef, Mose, Jona. Abraham - Ibrahim ist Vater der 3 Buchreligionen. Die Geschichte von Josef -Yusuf, die schönste Novelle in Bibel und Koran. Mose - Musa, der mit Gott sprach und im Auftrag Allahs handelte. Jona - Yunus, der im Christentum und Islam einer der bekanntesten Propheten ist. Der zentrale Beitrag dieses Hefts, auch von meiner Kollegin Anne Klaaßen, bezieht sich auf den gemeinsamen Stammvater der drei monotheistischen Weltreligionen und seine zwei Frauen: Abraham, Sara, Hagar. Es geht hier um den »Segen, der uns gemeinsam ist«. In dieser etwas längeren Unterrichtseinheit spielen die vielfarbigen Bilder von Lucy d'Souza-Krone eine zentrale Rolle. Aus diesem Grund sind sie auf vier farbigen Seiten in der Mitte des Heftes groß abgedruckt. Dadurch können Sie sie gut als Farbfolie kopieren. Die Bilder können auch als Poster im Klassensatz bei der Künstlerin bestellt werden. An den Schüleräußerungen, die Anne Klaaßen immer wieder aufnimmt, zeigt sich, wie die Kinder in der Grundschule hier gelernt haben, mit Verschiedenheiten umzugehen und zu entdecken, wie Gottes Segen allen Menschen gilt.
Der zweite Schwerpunkt für die Begegnung von Islam und Christentum in der Grundschule ist der gegenseitige Besuch der Gotteshäuser. In dem Beitrag von Andreas Roller »Und wann besuchen wir meine Kirche?« entdecken Drittklässler einer Schule im Nordosten Frankfurts eine evangelische Kirche, eine katholische Kirche und eine Moschee. Interessant ist einerseits, wie die Kinder kirchenpädagogisch die Inneneinrichtungen der Gotteshäuser erkundeten, andererseits, wie die Eltern, in das Projekt einbezogen wurden. Für nachhaltiges interreligiöses und interkulturelles Lernen ist dies fast zur Bedingung geworden. Für die Eltern, die in einem Eiternabend informiert wurden und zum Teil an den Besuchen teilgenommen haben, war es wichtig, dass ihre Kinder zwar Unterschiede erfahren durften, aber die Identifikation mit ihrer eigenen religiösen und konfessionellen Heimat nicht verlieren.
Auch das gelungene Offenbacher Projekt »Erzähl mir was von Gott« zeigt, wie sogar christliche, muslimische und jüdische Kinder aus dem letzten Jahr des Kindergartens durch den Besuch von Kirche, Synagoge und Moschee für die Verschiedenheit von Religion sensibilisiert werden können. Patricia Pascalis beschreibt, wie diese Fünf- und Sechsjährigen an der Entstehung eines Buches mitgearbeitet haben. Ein Projekt zum Nachmachen!
Im letzten Beitrag zum Thema finden Sie eine Auswahl an Büchern, die Ihnen helfen können, sich auf das Unterrichten von interreligiösen Themen vorzubereiten und insbesondere den Islam zu verstehen.
In der Wegzehrung geht Karin Frindte-Baumann auf die Aktualität von Lessings Ringparabel ein. Es ist gleichzeitig ihr Abschiedsbeitrag. In dem Artikel Die Herausforderungen für den Religionsunterricht im multireligiösen Frankfurt blicke ich näher auf ihr Wirken in unserer Landeskirche zurück. Vieles, was hier für Frankfurt genannt wird, gilt über diese Stadt hinaus. Der Beitrag zeigt auf, wie Religion in seiner Vielfalt im Religionsunterricht und im Schulleben Gestalt gewinnen kann.
Wir wünschen Ihnen viele fruchtbare Entdeckungen in diesem Schönberger Heft.
Harmjan Dam
Inhaltsverzeichnis
- Editorial -- Harmjan Dam
- Geschichten und Personen in Bibel und Koran entdecken -- Anne Klaaßen
- Abraham, Sara, Hagar - Vom Segen, der uns gemeinsam ist Eine Unterrichtseinheit zu Bildern von Lucy d'Souza-Krone -- Anne Klaaßen
- »Und wann besuchen wir meine Kirche?« Kinder einer 3. Klasse entdecken verschiedene Gotteshäuser -- Andreas Roller
- »Nathans Kinder« , Ein Hörspiet von Ulrich Hub, frei nach Lessing -- Anne Klaaßen
- »Erzähl mir was von Gott« Bilderbuch über eine Spurensuche in christlichen, muslimischen und jüdischen Gotteshäusern mit Vorschulkindern -- Patrizia Pascalis
- Bücher, die helfen, den Islam zu verstehen -- Sandra Abel, Anne Klaaßen, Harmjan Dam
- Schönberger Materialien: Religion von Anfang an; Erste Hilfe für das 1. Schuljahr - Anne Klaaßen
- Wegzehrung für Religionspädagogen -- Karin Frindte-Baumann
- Die Herausforderung für den Religionsunterricht im multireligiösen Frankfurt im Blick: Studienleiterin Karin Frindte-Baumann geht in den Ruhestand -- Harmjan Dam