Liebe Leserinnen und Leser,
neulich sagte ein Schüler : »Ich liebe Mathe, da gibt es immer nur eine richtige Antwort, da weiß man immer, ob etwas wahr oder falsch ist.« Dieser Junge wird es im Religionsunterricht schwer haben. Das Mädchen auf dem Umschlagbild dieses Schönberger Heftes hat es hier leichter. Sie scheint zu ahnen, dass das eins plus eins nicht immer zwei ist, dass horizontal und vertikal nicht immer ein Pluszeichen ergeben, und dass das Kreuz viele Fragen aufwirft. Beide werden aber in der Schule entdecken müssen, dass es mehrere Zugänge zur Wirklichkeit gibt. Darum gibt es dort auch mehrere Fächer. Über Sprache, über soziale und historische Zugänge, über Naturwissenschaften, über Sport,
Kunst und Musik und eben auch über Religion, Ethik und Philosophie wird unterschiedlich auf die Lebenswirklichkeit vorbereitet. Die letzten drei Fächer stellen die Fragen hinter den
Fragen und haben darum in der Schule einen festen Platz.
Wie weit kann aber das Erkunden der Wirklichkeit und was dahinter steckt für ein ordentliches Schulfach wie den Religionsunterricht gehen ? Wenn Religion darauf steht, wie viel
Religion ist dann auch drin ? Ist Religion in seiner Praxis nicht eher verortet in Kirchen und Tempeln ? Wie viel Religiosität darf und kann in der Schule gelehrt und gelebt werden? Andererseits muss bedacht werden, dass man Religion nicht verstehen kann, wenn sie nur von außen, als Gegenstand, betrachtet wird.
Um kompetent mit Religion umgehen zu können, brauchen Schülerinnen und Schüler die Innen- und die
Außensicht. Ohne Innensicht kann man Religion nicht verstehen ; ohne Außensicht liegt sie jenseits der Rationalität und droht fundamentalistisch zu werden.
In den Bildungs standards für den RU wird darum auch die Vermittlung von Kommuni ka tionskompetenz, Gestaltungskompetenz und Entscheidungskompetenz gefordert, die der Innen- und Außenperspektive bedürfen. (Siehe SH 2/11, S. 8). Aber wie weit kann und darf man in der Schule
damit gehen ? Wie soll dies methodisch geschehen ?
Hiermit sind wir mitten im Thema dieses Heftes : Beteiligungs- bzw. Partizipationskompetenz :Wie viel Religiosität ver trägt der Religionsunterricht ? Wie kann religiöse Gestaltungskompetenz vermittelt werden?
Anlass des Heftes war ein Briefwechsel mit der Fachschaft des Kaiserin Friedrich Gymnasiums in Bad Homburg, die unser Plädoyer für mehr Spiritualität im RU hinterfragte: »Wie weit kann und soll Spiritualität in der Schule stattfinden ?« Im Juni 2012 sind wir dann in einem Fachtag
ins Gespräch gekommen. Mehrere Beiträge aus dem Team des RPI gehen auf diesen Fachtag zurück:
– Christine Weg-Engelschalk, »Religion lernen«
– Harmjan Dam, »Was kann mit ›Teilhabe-Kompetenz‹ im RU gemeint sein ?«
Vorangestellt ist aber ein Beitrag von Bärbel Husmann: »Gestalteter Glaube – Performanz und Partizipationskompetenz«. Insbesondere der performative Religionsunterricht plädiert
für erlebbare religiöse Elemente im Unterricht. Husmann klärt, was mit dieser heftig umstrittenen konzeptionellen Neuorientierung gemeint und nicht gemeint ist. Husmanns Fazit ist, dass man als Lehrkraft Unterrichtsprozesse begleitet und zeigt, »was man liebt«. Um auskunftsfähig zu sein in der Frage, wie evangelische Christen ihrem Glauben Ausdruck verleihen, müssen sie die
Innenperspektive des Glaubens kennen und kommunizieren können.
Um die verschiedenen Facetten der Diskussion abzubilden haben wir vier Stellungnahmen in dieses Heft aufgenommen, in denen einige Beteiligten des Fachtags ihre persönliche Sicht auf das Thema darlegen. Sie wurden gefragt nach Chancen und Grenzen der Beteiligungs -
kompetenz:
– Christian Schlaudt, Martina Diefenbach: »Eine deutliche Unterscheidung von Unterricht und religiöser Praxis ist nötig.«
– Brigitte Jahn-Lennig: »Jeder Lernprozess muss handlungsorientiert sein.«
– Thorsten Moos: »Religionsunterricht nicht auf intellektuelle Reflexion beschränken.«
– Kyra Wachsner: »Spannungsfeld zwischen drohender Missionierung und der Begegnung mit dem
christlichen Glauben«
Zur konkreten Praxis haben wir drei Beiträge aufgenommen:
– Anne Klaaßen, »Performative Elemente im Religionsunterricht der Grundschule«
– Harmjan Dam, »Anfangsrituale für Religionsstunden«
– Salborgh von Ketelhodt-Kuznik, »Die Perlen des Glaubens«
Auch in den festen Rubriken dieses Heftes wird zum Teil auf das Thema Bezug genommen.
Wir hoffen mit diesem Heft einen Beitrag zu einer zentralen Frage für die Gestaltung des RU geliefert zu haben und freuen uns auf Ihre Reaktionen.
Mit herzlichen Grüßen,
Harmjan Dam, Uwe Martini
Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
Editorial
Personen, Praxis, Projekte
Jahreskonferenz Schulseelsorge Sabine Roth-Nagel Unser Gesangbuch Merry Birthday
Aus Kirche und Staat
Stellungnahme Konvent Schulseelsorge zur Pfarrstellenbemessung Theologie studieren - Neue Tendenzen an Unis Schulleiterbegegnungstagung Berufsschule Islamischer RU in Hessen Arbeitsbericht RPI 2011-12
Fachdidaktische Impulse
- Bärbel Husmann: Gestalteter Glaube - Performanz und Partizipationskompetenz
- Christine Weg-Engelschalk: Religion lernen
- Christian Schlaudt, Martina Diefenbach, Brigtte Jahn-Lenning, Thorsten Moos, Kyra Wachsner: Vier Stellungnahmen zu »Chancen und Grenzen der Beteiligungskompetenz«
- Harmjan Dam: Was kann mit »Teilnahme-Kompetenz« im RU gemeint sein
- Anne Klaaßen: Performative Elemente im Religionsunterricht der Grundschule
- Harmjan Dam: Anfangsrituale für Religionsstunden
- Salborgh v. Ketelhot-Kuznik: Die Perlen des Glaubens. Erfahrungen aus dem Religionsunterricht der 4. - 6. Klasse
Aus der Medienzentrale
Irina Grassmann: Koran-Kinder Schulreporter In dem Alter stirbt doch keiner !
Aus dem Bibelhaus
Veit Dinkelaker: Das Evangelium vom Kaiser Augustus ? - Nein, vom Christkind !
Aus der Konfirmandenarbeit
»Lust auf Konfirmandenarbeit« Unser Gesangbuch - Eine Freiarbeit Weihnachten in der Konfi-Arbeit Newsletter Konfirmandenarbeit
Aus dem Web
Dossier : Advent und Weihnachten
Little Drummer Boy
Advent und Weihnachten im rpi-virtuell
Heilige Gestalten in der Zeit vor Weihnachten
W wie Weihnachten
Lissy Weidner: Ein Retter, der stinkt, und Herodes, der sein Geld verschenkt ?
Lena Kuhl: Das Geschehen rund um die Krippe miterleben
Kristina Augst: Wegzehrung - Es ist genug, dass jeder Tag seine Plage hat
Harmjan Dam: Neue Bücher aus der EKHN - Katharina Kunter : 500 Jahre Protestantismus
Volker Dettmar: LitTipps
Gabriella Ambrosio: Der Himmel über Jerusalem Jostein Gaarde : Fragen fragen Esther Maria Magnis: Gott braucht dich nicht - Eine Bekehrung
Veranstaltungshinweise aus unserem Jahresprogramm
Beilage:
Bildungsgerechtigkeit als Leitbegriff kirchlichen Handelns