Liebe Leserin, lieber Leser
Mit diesem Heft verabschiede ich mich von meinem Engagement
als Redaktor der Zeitschrift und bedanke mich für
Ihr Interesse. Nach Nummern zu Weihnachten (3/07 «Maria
– Madonna») und Ostern (1/08 «Auferstehung»), wollte
ich zum Schluss noch ein Heft zu Pfingsten konzipieren.
Damals, am fünfzigsten Tag nach Ostern, wurden am
Schawotfest in Jerusalem Menschen aus verschiedensten
Völkern und Kulturkreisen plötzlich vom Geist Gottes erfasst
und verstanden sich, obwohl «jeder in seiner eigenen
Sprache redete». Doch noch im selben Bericht heisst es am
Ende auch, dass die Herumstehenden zueinander gesagt
hätten, die vom Geist Erfassten seien wohl betrunken («voll
des süssen Weins»). Denn die menschliche Realität ist oft
von der geradezu entgegen gesetzten Erfahrung geprägt:
dass man sich nicht versteht, obwohl man – wenigstens
vordergründig – dieselbe Sprache spricht. Darum das
Thema «über setzen». Es interpretiert das Pfingstwunder
als Vision einer grenzüberschreitenden Verständigung, die
in der Realität oft mühsame Übersetzungsarbeit erfordert.
Die einzelnen Beiträge handeln von Übersetzern – von
Menschen, die in zwei Welten beheimatet sind und daher
die Aufgabe übernehmen, zwischen getrennten Welten
zu
vermitteln. Ein Urbild eines solchen Übersetzers ist der
Fährmann: Er setzt Menschen im wörtlichen Sinn über den
Fluss. Der Fluss selbst ist in diesem Bild doppeldeutig: eine
Grenzzone, welche die Welten trennt – und doch auch ein
Ort, wo Eingefahrenes wieder «in Fluss kommen» kann, wo
Grenzen undeutlich werden oder gar verschwimmen: ein
«Zwischenraum oder Niemandsland, wo sich Unerklärliches,
Seltsames und auch Wunderbares ereignen kann»,
wie es im Beitrag zum Heiligen Christophorus heisst.
Letztlich ist es – christlich betrachtet – die Kraft des Heiligen
Geistes, die solches Übersetzen möglich macht und
mit dem Übersetzen die Erfahrung, dass sich Menschen
über ethnische und kulturelle Grenzen hinweg verständigen
können. Doch wenn dies so ist, so kann auch das Christentum
diesen Geist nicht mehr nur für sich reklamieren. Er
wäre ein Geist, der jede kulturelle Tradition und Religion
zur Öffnung, zum Dialog und zur Übersetzung auffordert:
ein heilender Geist für alle Menschen.
Michael Zangger
Inhaltsverzeichnis
›››› Zum Thema
Michael Zangger
Keines von beiden 3
›››› Unterrichtsbeiträge
US
Prisca Senn
Christophorus – 6
der Heilige, der über den Fluss führt
MS/OS
Hansjakob Schibler
«Verzell du das èm Fäärimaa!» 12
OS
Hansjakob Schibler
Von der Notwendigkeit des Übersetzens 20
OS
Ursula Schweizer
Wer ist hinter – und wer vor – dem Zaun? 23
OS
Michael Zangger
Brücken 27
›››› Religion und Kultur
Michael Zangger
Die Liebe geht durch den Bauch 30
– so auch der Dialog
Interview mit Cebrail Terlemez 31
›››› Filmtipps zum Thema
Promises / Bilder im Kopf / Da unten 34