Liebe Leserin
Lieber Leser
Im Gedanken an das vorliegende Heft beobachtete ich beim Velounterstand der Schule eine 15-Jährige und zählte zusammen: eine Tasche Marke «Freitag» (250.-), Hosen von « Miss-Sixty » (119.-), ein Lederjacket (ca. 300.-), ein T-Shirt von «Zimtstern» (39.-), Schuhe von "Buffalo" (79.-) + Schmuck. Als ich die junge Frau auf ihrem Mountainbike von «Wheeler» (1000.-) davonfahren sah, trällerte es in mir den Song «Material Girl» von Madonna mit dem eingängigen Refrain: «You know, we live in a material world, and I am a material girl.» Ein unangenehmes Erlebnis, nicht nur weil das banal-dumme Lied von Madonna hochkam, sondern weil ich aufgrund eigener Shopping-Erfahrung in etwa die i'Vlarkeii identifizieren und entsprechende Preise beziffern konnte: Ich bin Teil des Kultsystems Geld; und so stark ich das Geld kritisiere, ich komme nicht um es herum, es ist mein Alltagsmedium: mitmachen, mitlaufen, mitkaufen.
Wir sind uns alle einig: Geld allein macht nicht glücklich und auch die wahre Liebe ist mit keinem Geld der Welt zu kaufen. Du und kein anderer, für kein Geld der Welt. Doch sind diese Spriiclie wirklich mehr als Lippenbekenntnisse, mehr als Aufhänger für plumpe Werbung? Entscheidend ist letztlich doch der zweite Teil des Slogans: «Es gibt Dinge, die kann man nicht kaufen. Für alles andere gibt es EUROCARD. » Sein und Haben ist angesagt und die Werbung macht klar, dass der Weg zum Sein über das Haben führt: zuerst ALLES andere, der Rest stellt sich ein.
Die herrschende Allmacht und Allgegenwart des Geldes gibt zu denken, umso mehr als bereits Friedrich Schiller mit Blick auf die Börse in London die Diagnose stellte: «Und es herrscht der Erde Gott, das Geld.» Man kann noch weiter gehen: Geld sellist ist spirituell geworden. Es ist wie ein metapliysischer Regenschirm, der uns vor den Gefahren des Lebens schützen soll: Bankbüchlein, Aktien, Liegenschaften, Versicherungen, Pensionen...
Die Kinder und Jugendlichen bekommen früh die Bedeutung von Geld in unserer Gesellschaft zu spüren: Beim täglichen Vergleich in Sachen Hobbys, Ferien, Kleider, Computer, Handys etc. erfahren sie die Gnadenlosigkeit des Geldes und seines Zahlencodes: 700.-/50.-/15.-. Hinzu kommt, dass das Sackgeld notgedrungen zu klein bemessen ist angesichts der unendlichen Welt der Waren, die um ihre Gunst buhlen. Sie lernen zu sparen, ja einige werden geizig, ohne dass sie es wollen: das Geld, seine Zahlen und seine Knappheit haben ihren Kopf besetzt. Deshalb dieses Heft.
Frohe Weihnachten und ... Vergelt's Gott!
Andreas Kessler
Inhaltsverzeichnis
Geld und Geiz
>>>> Zum Thema
Christoph Weber-Berg
Geld und Geiz
>>>> Bibel AT/NT
US
Franziska Schneider-Stotzer
Die Gabe der armen Witwe und Sterntaler
OS
Hansjakob Schibler
Kann man Geld auch kaufen?
OS
Andreas Kessler
Geld als Weltreligion und der verlorene Sohn
>>>> Mensch und Umwelt
MS/OS
Stefan Graber
Der spendable Geizhals
MS/OS
Beat Schüpbach
Über den Wert exotischer Früchte und welker Blumen
>>>> Impressum