Zu diesem Heft
Heinz Schmidt
Mystik und Spiritualität treten heute oft an die Stelle von Glauben und Frömmigkeit. Sie signalisieren eine Aufhebung von Trennungen und die Integration vernachlässigter Erfahrungsdimensionen. Glaube soll nicht nur Einsicht bzw. Verstehen betreffen, sondern Leib und Seele mit dem Ganzen verbinden. Spiritualität bezieht sich nicht nur auf Gesinnung und Verhalten, sondern meint eine integrale Lebenspraxis mit allen geistig-geistlichen und psycho-sozialen Konnotationen. Dem Thema Spiritualität hat diese Zeitschrift bereits ein Heft gewidmet (2/1991). Mystik verspricht noch mehr, z.B. die Erfahrung des Göttlichen schlechthin und die Befreiung von irdischen Restriktionen. Eingangs lässt Gabriele Klappenecker über den Umgang Jugendlicher mit ihrem Körper nachdenken und verweist auf quasi mystische Intentionen. Im Kennwort klären Christoph Bochinger und Martin Engelbrecht die Bedeutungsvielfalt und zeigen den engen Zusammenhang von Erleben und normativen Gehalten. Es gibt keine Erfahrung ohne Lehre, mithin keine Mystik ohne implizierte Dogmatik. Gebhard Löhr zeigt Analoges an den Schwierigkeiten mit dem Mystikbegriff in religionswissenschaftlichen Diskursen und deckt vorschnelle Theologisierungen auf. Auch im Neuen Testament, genauer bei Paulus und Johannes, finden sich – so Hans-Christoph Meier – bereits mehrere Arten mystischer Erfahrung, eng verbunden mit Theologumena wie Rechtfertigung und Heilsgegenwart. Ute Mennecke-Haustein gibt einen, umständehalber kursorischen, Überblick, der zugleich das Spezifikum christlicher Mystik, die unio mit Gott, herausstellt, demgegenüber Gebhard Löhr auf anders geartete mystische Erfahrungen außerhalb des Christentums hinweist. Unter Aufgaben der Mitteilung untersucht Johannes Eurich Zusammenhänge zwischen Mystik und Popularmusik bei Jugendlichen und ergänzt in dieser Hinsicht den Beitrag von G. Klappenecker. Ulrich Löffler gibt eine Fülle didaktischer Anregungen für den Unterricht in der Mittel- und Oberstufe. Die Lesehinweise von Volker Herrmann und Gottfried Adam beschäftigen sich mit zwei aktuellen Praxisbüchern für Mystik (Jörg Zink) und Lehre (Evang. Taschenkatechismus.)
Inhaltsverzeichnis
Zu diesem Heft 101
ZUM NACHDENKEN
Gabriele Klappenecker
Zwischen Körperkult und Selbstauslöschung
Formen jugendlicher Ersatzmystik? 102
KENNWORT
Christoph Bochinger/Martin Engelbrecht
Mystik oder Dogmatik?
Empirische und religionshistorische Zugänge zur religiösen Gegenwartskultur 114
THEOLOGISCHE KLÄRUNG
Hans-Christoph Meier
Mystik im Neuen Testament. Das Johannesevangelium und Paulus im Kontext früher jüdischer Mystik 124
Ute Mennecke-Haustein
Christliche Mystik
Ein kirchenhistorischer Überblick 136
Gebhard Löhr
Mystik in den Religionen
Zum Problem einer Definition des Mystikbegriffes 151
AUFGABEN DER MITTEILUNG
Johannes Eurich
Ein Leben irdischer Erlösung am Rande des Himmels
Mystische Erfahrungen Jugendlicher in der Popularmusik 165
IMPULSE FÜR DIE PRAXIS
Ulrich Löffler
"Meine Stimme in mir" oder "Die Begegnung mit Gott"?
Materialien und Erschließungsvorschläge 178
LESEHINWEISE
Volker Herrmann
Jörg Zink: Unter dem großen Bogen 190
Gottfried Adam
Evangelischer Taschenkatechismus, hrsg. v. Hinrich C.W. Clasen, Michael Meyer-Blank, Günter Ruddat 192