Zu diesem Heft
Heinz Schmidt
Die Beschäftigung mit Geschichte kann verschiedene Gründe haben, z.B. Spannung, Unterhaltung, Verunsicherung oder Orientierungssuche. Hinter derartigen Motiven verbirgt sich ein Gefühl des Ungenügens der Alltagserfahrung oder sogar die Einsicht, dass wir den Alltag nicht selbst erfinden und auch nicht frei gestalten können. Gesetze, Konventionen, Verhältnisse und Mentalitäten sind geworden, jedoch bilden sie keine einheitliche Welt. Die Geschichte der Moderne hat viele Möglichkeiten hervorgebracht, die zu einer Wahl der eigenen Vorfahren und Zugehörigkeiten nötigen. Überlieferte Lebensformen können nicht einfach übernommen, sie müssen kritisch angeeignet und neu gestaltet werden. Freilich ist das Bewusstsein solcher Geschichtlichkeit nicht einfach vorhanden, noch stellt es sich mit den Jahren von selbst ein. Erziehung, Literatur und öffentliche Medien sollen für Geschichte öffnen und zu eigenständiger Auseinandersetzung befähigen. Dies scheint neuerdings schwieriger geworden zu sein, was in einigen Beiträgen dieses Heftes anklingt. Das KENNWORT von Antje Roggenkamp will angesichts reduktionistischer Tendenzen in der Geschichtsdidaktik deren Mehrdimensionalität erneuern. Martin Greschat lenkt den Blick auf den kulturellen Reichtum der Christentumsgeschichte im Unterschied zu einer institutionsfixierten Kirchengeschichte. Heidrun Dierk empfiehlt, geschichtliche Zusammenhänge von existenziellen Orientierungsfragen her zu erschließen. Auch der biographische Zugang, für den Gerhard Büttner und Jörg Thierfelder, Letzterer in zwei Beiträgen, plädieren, verbindet geschichtliche »Vorbilder« mit individuellen Zugängen. Eberhard Röhm und Thierfelder machen mit dem Münchner Laienbrief ein zeitgeschichtliches Dokument zugänglich, das von mutigen Personen für ihre Kirche und zugleich gegen einige ihrer Autoritäten verfasst wurde. Am Beispiel des KZ Leonberg zeigt Röhm zudem, dass Erinnerung über Orte erschlossen und durch deren Verschweigen eliminiert werden kann. Susanne Ziegler regt durch das Beispiel eines Lerngangs auf einen jüdischen Friedhof dazu an, die geschichtlichen Orte in pädagogischer Absicht aufzusuchen. Schließlich empfiehlt Christoph Mutschler das siebenbändige Werk von Eberhard Röhm und Jörg Thierfelder »Christen-Juden-Deutsche« als ein Fortbildungsangebot für kirchenhistorisch Interessierte.
Inhaltsverzeichnis
Zu diesem Heft
Heinz Schmidt
3
Kennwort
Antje Roggenkamp
Lernort Geschichte
4
Theologische Klärung
Martin Greschat
Christliche Zeitgeschichte
15
Eberhard Röhm / Jörg Thierfelder
Der Münchner Laienbrief
25
Gespräch zwischen Disziplinen
Heidrun Dierk
Kirchengeschichte elementar unterrichten – an Kirchengeschichte elementar lernen
34
Eberhard Röhm
Erinnerungskultur – am Beispiel der KZ-Gedenkstätte Leonberg
46
Impulse für die Praxis
Björn Mensing / Jörg Thierfelder in Zusammenarbeit mit Barbara Fox-von Thadden und Joachim Perels
Vorbilder für Zivilcourage
58
Gerhard Büttner / Jörg Thierfelder
Warum heute das Thema »Märtyrer« in der Schule?
70
Susanne Ziegler
Die Schwelle überschreiten
Begehung eines jüdischen Friedhofes
81
Zur Weiterarbeit
Bernhard Mutschler
Lernort Nationalsozialismus – ein Fortbildungsangebot
94