ZU DIESEM HEFT
Bildung ist das Thema der Stunde. Seit die Pisa-Studie auf Leistungsund Integrationsmängel des deutschen Bildungswesens aufmerksam machte, sollen Kinder früher gefördert und Schulen effektiver werden. Die Armutsforschung hat aber gezeigt, dass alle Maßnahmen wenig ausrichten, wenn es nicht gelingt, Armutskreisläufe, wie sie Ernst—Ulrich Huster und Johann Daniel Schütte in diesem Heft beschreiben, zu unterbrechen und die hier gewachsenen Mentalitäten zu verändern. Es geht nicht nur um eine Verbesserung von Lernmethoden, sondern um eine Pädagogik, die junge Menschen zum Lernen motiviert und damit zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigt. Damit greift dieses Heft Fragen auf, die einst unter dem Einfluss einer zum Teil aristotelisch geprägten Ethik an die Einzelnen gestellt wurden und auf deren Motivation zielten, aber unter dem Einfluss der Sozialwissenschaften die Verhältnisse kritisch betrachteten, die es Menschen anscheinend unmöglich machen, sich neu zu orientieren und ihre Lebensführung zu verändern. Wo ist in den Armutskreisläufen verändernd einzusetzen: bei den Mentalitäten (der alte Weg, hier am Pietismus aufgewiesen und heute zum Teil erfolgreich vor allem von den Pfingstkir-chen weltweit praktiziert) oder bei möglichst vielfältiger sozialer Unterstützung (hier vor allem an Gerechtigkeitsvorstellungen aufgewiesen)? Offenbar sollen heute beide Wege koordiniert werden, um einen sozialstaatlichen Patriarchalismus zu vermeiden.
Zu den Maßnahmen gehören auch Projekte der Wohn- und Umweltgestaltung, Hilfen für Eltern vom ersten Lebenstag an, das Setzen lohnender Ziele, Förderung von Selbständigkeit und Eigeninitiative usw., aber auch die theologischen und bildungstheoretischen Horizonte, die Heinrich Bedford-Strohm eingangs unter Kennwort beleuchtet. Die ethischen Perspektiven von Bildung werden von Wolfgang Maaser unter dem Titel „Tugend zwischen Sozialerziehung und Integration" expliziert. Gottfried Adam zeigt am Beispiel Chr. G. Barths, wie in der Zeit der Erweckung wirksame Bildungsprozesse durchgeführt werden konnten. Dass Bildung als diakonische Aufgabe erkannt wurde, erläutert Lothar Bauer am Wirken Gustav Werners, der Bildung als Teil der industriellen und sozialen Entwicklung konzipiert und realisiert hat. Aktuelle Aufgaben und Möglichkeiten der Arbeit mit benachteiligten Kindern erörtert Anita Müller-Friese am Beispiel von Kindern mit Lernbehinderungen, während sich Carola Rieger den besonderen Herausforderungen einer Hauptschule im sozialen Brennpunkt stellte. Abschließend empfiehlt Christian Oelschlägel zur Wei-
terarbeit den kürzlich erschienenen Band „Bildung als diakonische Aufgabe", der umfassend die evangelische und diakonische Bildungsdiskussion dokumentiert und zahlreiche Verbesserungsimpulse enthält.
H. Schmidt
Inhaltsverzeichnis
Thema: Bildung und Teilhabe
Heinz Schmidt / Christofer Frey
Zu diesem Heft
3
Kennwort
Heinrich Bedford-Strohm
Bildung und Teilhabe
5
Theologische Klärung
Wolfgang Maaser
Tugenden zwischen Sozialerziehung und Integration
21
Gottfried Adam
Erweckung und Bildung am Beispiel von Christian Gottlob Barth
34
Gespräch zwischen Disziplinen
Ernst-Ulrich Huster und Johannes Daniel Schütte
Armutskreisläufe. Soziale Ursachen einer »Vererbung« von Armut
48
Anita Müller-Friese
»... also die Zukunft, die muss unbedingt was werden«. Zur Bildungsteilhabe benachteiligter Kinder und Jugendlicher
60
Lothar Bauer
Diakonie verwirklicht sich durch Bildung. Gustav Werner als Pädagoge – visionär und pragmatisch
72
Impulse für die Praxis
Carola Rieger
Leitbilder der Gerhart-Hauptmann-Schule. Schule im sozialen Brennpunkt Reutlingens
84
Zur Weiterarbeit
Christian Oelschlägel
Helmut Beck / Heinz Schmidt (Hg.): Bildung als diakonische Aufgabe: Befähigung – Teilhabe – Gerechtigkeit (2008)