Zu diesem Heft
Christofer Frey
Geld scheint zum beinahe wichtigsten Anliegen der Lebensführung geworden zu sein. Die Einführung des EURO hat zu großen Diskussionen geführt. Sie berühren vor allem die psychologische Konstitution der Deutschen, weil sich durch mehrere Generationen die Angst vor der Inflation fortgesetzt hat.
Geld sollte aber auch unter anderen als psychologischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Konten machen Leute; die Kleider 'machen Leute' (des geflügelten Wortes) kommen von selbst hinzu. Die soziale Wirkung des Geldes zählt.
In einer extrovertierten Gesellschaft zaubert das Geld eine Konsumästhetik hervor, die von manchen als Religion betrachtet wird. Die Ökonomie gestaltet das Leben; aber die Frage nach den ökonomischen Zusammenhängen wird selten gestellt. Geld bedeutet Macht, vor allem gegenüber den Armen der Dritten Welt, die angesichts der Folgen des zunehmend offenen Welthandels ohnmächtig sind. Die Wirtschaftsseiten der Zeitung und ihre scheinbar so abstrakten Ziffern verdecken das Geschick vieler Menschen in der Gesellschaft, die hinausdefiniert werden. Haben Arbeitslose noch ein Recht auf gesellschaftlich produzierte Güter, die mittels Geld zu erwerben sind?
D. Rothardt, Pfarrer am Sozialamt der Evangelischen Kirche von Westfalen, gibt unter der Rubrik "Zum Nachdenken" Hinweise auf den Zusammenhang von sozialen Rollen und Geld. Der Kennwortartikel eines der Herausgeber versucht, über die individualethische Betrachtung des Geldes hinauszugehen. Er weist darauf hin, wie schwierig es war, die radikale individuelle Distanz zum Geld, wie sie u.a. in der älteren Christentumsgeschichte vorkam, zu einem sozialen Ethos zu gestalten. Auf der anderen Seite deutet er auf die mit der Globalisierung verbundenen Probleme: Wo finden sich globale Steuerungsleistungen, die über partikulare Interessen hinausgehen können? Die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Welthandels und vor allem der internationalen Finanzmärkte stellen die Frage nach dem Träger der Verantwortung.
Angesichts der Probleme einer auf Globalisierung hin geöffneten Welt wird es immer schwieriger, sich auf die Tradition zu beziehen. H. Balz, Neutestamentler an der Ruhr-Universität in Bochum, stellt verschiedene Haltungen zum Geld im biblischen Umfeld vor. Sie werden in den Gemeinschaftsbeziehungen Israels und damit im tätigen Glauben an den Gott des Bundes bewährt. Die weisheitliche Kritik des Geldes konnte sich in apokalyptischen Bewegungen besonders in neutestamentlicher Zeit durchsetzen. Ganze Gemeinden übten einen diakonischen neuen Lebensstil ein. Mit dem Hinweis auf apokalyptische Hintergründe schließt dieser Aufsatz an Themen des zuletzt veröffentlichten Heftes dieser Zeitschrift an. Der ebenfalls in Bochum lebende Kirchengeschichtler Ch. Strohm zeigt, wie biblische Aussagen in der Geschichte der Kirche weiterwirken. An welchen Stellen setzte sich eine differenzierte Beurteilung durch? Vor allem sind die Hinweise auf die Reformatoren von Interesse: Luther erkannte Geld nicht als produktives Kapital an, während sich Calvin diesem Gedanken öffnete. Am Anfang der Neuzeit zeigt sich bei Bodin eine moderne Geldtheorie.
Was ist aus den langen Auseinandersetzungen in den Kirchen geworden? W. Stierle, Assistent am Lehrstuhl für Ökumenische Theologie in Bochum, geht auf die ökumenische Diskussion ein, die mit dem Konzept der verantwortlichen Gesellschaft beginnt. Was bedeutet der Umgang mit Geld, wenn eine Option für die Armen gilt und sich Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung als fundamentale Normen empfehlen? Besonders wichtig ist der Hinweis auf den Realismus des indischen Ökonomen S. Parmar.
Die Abhängigkeit vom Geld wurde in den Kirchen in den vergangenen Jahren eher verhalten diskutiert, bis ein Einbruch bei dem Kirchensteuern zur Umkehr zwang. Die Betriebswirtschaftler B. Fischer und P. Hartmann beim Evangelischen Oberkirchenrat in Karlsruhe diskutieren, was gerechte Entlohnung in der Kirche heißt und wie Planung unter dem Gesichtspunkt der Budgetierung durchgeführt werden kann. Das kameralistische System ist zu ersetzen durch Controlling. Der mit dem Religionsunterricht an beruflichen Schulen befaßte Dozent P. Cleiß aus Karlsruhe diskutiert Fragen, die sich im Berufsschulunterricht stellen können. Psychologische Gesichtspunkte, aber auch soziale Rollen in ihrer Verbindung zum Geld sollen die Aufmerksamkeit der Schüler finden. Der Religionsunterricht sollte sich fragen lassen, ob auch die Probleme des Weltfinanzmarktes berücksichtigt werden können.
Ein ethisches Urteil muß die vielfältigen Funktionen des Geldes in psychologischer, sozialwissenschaftlicher, ökonomischer und politischer Perspektive berücksichtigen.
Inhaltsverzeichnis
Zu diesem Heft 93
ZUM NACHDENKEN
Dieter Rothardt
Keine guten Ratschläge vom Spielfeldrand 95
KENNWORT
Christofer Frey
Geld regiert die Welt 101
THEOLOGISCHE KLÄRUNG
Horst Balz
Geld in der Bibel 110
Christoph Strohm
Götze oder Gabe Gottes? 129
Wolfram Stierle
Ökumene und Wirtschaft - Offene Rechnungen 141
AUFGABE DER MITTEILUNG
Beatus Fischer und Peter Hartmann
Betriebswirtschaft im Unternehmen Kirche 156
IMPULSE FÜR DIE PRAXIS
Peter Cleiß
"Mehr als Geld hasse ich nur, keins zu haben!" 168
LESEHINWEIS
Heinz Schmidt
Peter Ulrich, Integrative Wirtschaftsethik 181
Hartmut Rupp
Rolf Markwort, Soziale Gerechtigkeit 183