Das vorliegende Heft der Religionspädagogischen Beiträge dokumentiert Plenumsvorträge und Posterbeiträge des Kongresses der Arbeitsgemeinschaft Katholische Religionspädagogik und Katechetik (AKRK), der vom 26. bis 29. September 2010 in Leitershofen stattfand und unter dem Thema "Vergessene Zusammenhänge — notwendige Entdeckungen. Auf der Suche nach einer Religionspädagogik, die an der Zeit ist" stand.
Die Tagung eröffneten Kurzvorträge, die das Thema im Rückblick auf vergangene Jahrzehnte persönlich erlebter Religionspädagogik fokussieren.(1) Wolfgang Nastainczyk bilanziert in drei pointierenden Thesen die Entwicklung der katholischen Religionspädagogik im deutschsprachigen Raum seit 1945. Gottfried Bitter nimmt in einer "kleinen religionspädagogischen Topografie" — dem "‘Themenstrom’ Erfahrung und Glaube" folgend — eine konzeptionelle Vermessung dieser Entwicklung vor.
Grundsatzfragen thematisiert der Beitrag von Saskia Wendel, der einen systematisch-theologischen Blick auf zentrale Begriffe der Religionspädagogik richtet und das Profil einer Theologie und einer Religionspädagogik konturiert, "die auch in einer Gesell- schaft der reflexiv gewordenen Moderne an der Zeit sein will".
Stefan Altmeyer untersucht in einer sprachempirischen Studie mit Hilfe korpuslinguistischer Methoden zehn Jahrgänge religionspädagogischer Forschungsbeiträge in den Religionspädagogischen Beiträgen unter der Fragestellung, welche Begriffe sich in diesem Zeitratum als prägend erweisen und wie sie miteinander in Verbindung stehen.
Drei weitere Beiträge erwuchsen aus Statements, die in prospektiver Orientierung — "auf der Suche nach einer Religionspädagogik, die an der Zeit ist" — eine Podiumsdiskussion eröffneten, die den Abschluss des Kongresses bildete. Joachim Kunstmann pointiert die ,,Vernunft einer ästhetisch orientierten Religionspädagogik", die in der religiösen Sensibilisierung durch eine in der Begegnung mit Ausdrucksgestalten der Religion angestoßene Förderung der Wahrnehmungs- und Gestaltungsfähigkeit die grundlegende religionspädagogische Bildungsaufgabe sieht. Sabine Pemsel-Maier plädiert für ein "‘kritisch-konstruktives Wechselspiel"‘ zwischen Systematischer Theologie und Religionspädagogik mit Blick auf gemeinsam verbindende und für beide Disziplinen zentrale Fragestellungen und Herausfordertmgen. Burkard Porzelt skizziert in seinem Beitrag "Weder Empirismus noch Dilettantismus noch Instrumentalisierung" drei Fallstricke, die es im Hinblick auf eine auch in der Zukunft unverzichtbare empirisch fundierte Religionspädagogik zu vermeiden gilt, und formuliert als Desiderat eine Verstetigung empirisch-religionspädagogischer Forschung zu Kernthemen religiöser Sozialisation, Bildung und Erziehung.
Wiederum bot eine ‘Forschungsbörse’ Nachwuchswissenschaftler/innen die Möglichkeit, mittels Postern ihre aktuellen Forschungsarbeiten vorzustellen. Die sechs Posterbeiträge dieses Heftes (Linda Caggegi, Patrik Häring, Mara Juen, Julia Naab, Cordula Straub, Edda Strutzenberger) geben einen facettenreichen Einblick in die Werkstatt gegenwärtiger religionspädagogischer Forschung. Der Beitrag von Claudia Gärtner entstammt nicht dem Kongresszusammenhang. Er skizziert und entfaltet in exemplarischen Konkretisierungen die sich aus einem "triadischen Medienbegriff" ergebenden anregenden Folgerungen für eine religionspädagogische Medientheorie und für die Praxis des religionspädagogischen Handelns.
Die 1972 von Hans Zirker — dem ersten Schrifleiter dieser Zeitschrift — vorgelegte wegweisende Studie "Sprachprobleme im Religionsunterricht" unterzieht Georg Langenhorst in der Rubrik ,,Neu gelesen" einer Relecture. Er bedenkt die seinerzeit gezogenen Konsequenzen im Horizont aktueller religionsdidaktischer Herausforderungen. Wiederum werden im Rezensionsteil des Heftes zwölf neuere wissenschaftliche Fachveröffentlichungen vorgestellt und besprochen.
Die Publikation dieses Heftes der Religionspädagogischen Beiträge fällt in eine Zeit, in der zwei traditionsreiche Zeitschriften - Christlich Pädagogische Blätter und Religionsunterricht an höheren Schulen — ihr Erscheinen einstellen mussten. Wir bedauern diesen schmerzhaften Verlust beider für die öffentliche Diskussion und den fachlichen Diskurs der Religionspädagogik wichtigen Foren. Als unabhängige Periodika, die differenzierten, innovativen und kontroversen Forschungsbeiträgen Raum boten, werden sie unserer scientific community fehlen.
Eine letzte Mitteilung in eigener Sache: Verschiedene Gründe haben in den vergangenen zehn Jahren dazu geführt, dass sich die termingerechte Fertigstellung einzelner Hefte der Religionspädagogischen Beiträge verzögerte, sodass das nun vorliegende Heft 66/2011 erst im März 2012 erscheint. Um wieder zeitliche ‘Pünktlichkeit’ zu erreichen, wird daher für das Jahr 2011 nur ein Heft publiziert (und berechnet werden), wofür wir die Leser/innen um Verständnis und Nachsicht bitten. Für 2012 werden wieder regulär zwei Hefte der Zeitschrift veröffentlicht.
Mainz / Regensburg, im März 2012
Werner Simon und Burkard Porzelt
(1) Der autobiographisch geprägte Rückblick von Günter Lange erschien in Grundzügen bereits in: ders., Religion und Kunst: sehr gut, in: Rainer Lachmann / Horst F. Rupp (Hg.), Lebensweg und religiöse Erziehung. Religionspädagogik als Autobiographie. Bd. 2, Weinheim l989, 171-192. Religionspädagogische Beiträge 66/2011
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 2
Vergessene Zusammenhänge — notwendige Entdeckungen.
Auf der Suche nach einer Religionspädagogik, die an der Zeit ist
W0h”gang Nastainezyk, War es das? Thesen und Überlegungen zum ‘Gedächtnis
der Religionspädagogik auf dem AKRK-Kongress am 26.09.2010 5
Gottfried Bitter, Erfahrung und Glaube. Eine kleine religionspädagogische Topo-
grafie 1 1
Saskia Wendel, Wieder mal eine Gmndsatzdiskussion?! Ein systematisch-theolo-
gischer Blick auf zentrale Begriffe der Religionspädagogik 17
Stefan Altmeyer, ‘Deine Sprache verrät dich.’ Schlüsselbegriffe der Religionspäd-
agogik im Spiegel ihrer Wissenschaftssprache 31
Joachim Kunstmann, Die Vemunit einer ästhetisch orientierten Religionspädago-
gik. Zeitgemäße Anbahnungen und unbewusste Verhinderungen religiöser
Bildimg 47
Sabine Pemsel—Maier, Jenseits von Dogmatismus und radikalem Konstruktivis-
mus. Perspektiven aus der Systematischen Theologie 61
Burkard Porzelt, Weder Empirismus noch Dilettantismus noch Instrumentalisie-
mng. Wegmarken einer empirisch fundierten Religionspädagogik 71
Aktuelle Forschungsprojekte
Linda Caggegi, Engelvorstellungen als zentraler Aspekt im Gottesbild von Grund-
schüler! innen. Ein Beitrag zur empirischen Unterrichtsforschung 79
Patrik C. Häring, Firmung — Sakrament zwischen Zuspruch und Anspruch. Eine
sakramententheologische Untersuchung in praktisch-theologischer Absicht 83
Maria Juen, Die ersten Minuten des Unterrichts. Skizzen einer Kairologie des
Anfangs aus kon1munikativ—theol0gischer Perspektive 87
Julia Naab, Das Wirken Gottes innerhalb eines evolutiven Weltbildes. Systemati-
sche Theologie, Naturwissenschaft rmd Religionspädagogik im Dialog 91
Cordula Straub, Religiosität junger Eltern. Forschrmgsprojekt zu religiöser El-
ternbildung im Kontext religiöser Erwachsenenbildung 95
Edda Strutzenberger, Religion: eine Perspektive in der Schulentwicklung 99
Allgemeine Beiträge
Claudia Gärtner, ‘The message is medium’. Medientheoretische Grundfragen als
religionspädagogische Grundfragen 103
Buchbesprechungen 1 17
Georg Langenhorst, ‘Neu ge1esen’: Hans Zirker, Sprachprobleme im Religions- 139
unterricht (1972)