‘Im Blickpunkt‘ des vorliegenden Heftes der Religionspädagogischen Beiträge stehen Fragen ethischen Lernens und ethischer Bildung. Die vier diesen Schwerpunkt entfaltenden Beiträge gehen auf Vorträge zurück, die beim 17. deutsch-italienischen Religionspädagog/innentreffen gehalten wurden, das vom 18. bis 22. September 2011 in Rom stattfand und unter dem Thema „Ethisches Lernen im Religionsunterricht“ stand.
In einem „Systematisierungsversuch“ rekonstruiert Konstantin Lindner den jüngeren deutschsprachigen Forschungsdiskurs zu Fragen der Wertebildung im Religionsunterricht. Empirische Fokussierungen lenken den Blick auf für ethisches Lernen relevante Wertorientierungen Heranwachsender und Lehrender, hermeneutische Fokussierungen thematisieren Fragen nach dem Proprium und nach Intentionen ethischer Bildung im Religionsunterricht.
„Ethik im Religionsunterricht?“ – unter dieser Überschrift problematisiert und präzisiert Ulrich Kropač den „Beitrag der christlichen Religion zu ethischer Bildung“. In einer Verschränkung nicht-theologischer Außenperspektiven und theologischer Binnenperspektiven arbeitet er die Konturen des ‘Eigenwertes’ christlicher Ethik und christlich-ethischen Handelns heraus und gewinnt didaktische Orientierungen für „Wege christlich-ethischen Lernens“.
Angela Kaupp informiert in einem problemanzeigenden Literaturüberblick über religionspädagogische Forschungsbeiträge zum ethischen Lernen an außerschulischen Lernorten (Erwachsenenbildung, Jugendarbeit, Katechese) und in der Schulpastoral. Sie markiert Forschungslücken und formuliert Desiderate für zukünftige Untersuchungen.
Roberto Romio eröffnet einen differenzierten und informativen Einblick in die aktuellen Debatten über die Moralerziehung in italienischen Schulen und den Beitrag des Religionsunterrichts zu diesem fächerübergreifenden Aufgabenfeld schulischer Bildung. Sein Beitrag fokussiert die Thematisierung der Moralerziehung in den neuen italienischen Lehrplänen und entfaltet das Prozessmodell einer entwicklungsbezogenen und am Ziel moralischer Reife Maß nehmenden erzieherischen Begleitung ethischen Lernens im didaktisch-methodischen Arrangement schulischen Unterrichts.
Drei weitere Beiträge lenken die Aufmerksamkeit auf gleichermaßen aktuelle Herausforderungen
und Problemstellungen des religionspädagogischen Diskurses. Michael Quisinsky setzt in seinem Artikel Impulse für das interdisziplinäre Gespräch zwischen Bibeldidaktik und Dogmatik. Er fragt nach den Bedingungen eines theologisch und didaktisch angemessenen Umgangs mit bibeldidaktisch generierten „‘dogmatischen’ Fragen“ im Unterricht und nach den in diesem Zusammenhang geforderten Kompetenzen.
Boris Kalbheim und Hans-Georg Ziebertz gewinnen unter Zugrundelegung eines mehrdimensionalen Kirchenbegriffs und unter Auswertung empirischer Daten differenzierende Antworten auf die Frage nach den Gründen für die Kirchendistanz Jugendlicher. Sie ziehen daraus Schlussfolgerungen für das Modell einer „einladenden Kirche“, in der die lebendige Gemeinde vor Ort durch die Institution Unterstützung erfährt.
Der Beitrag von Rudolf Englert geht auf einen Vortrag beim Katholisch-Theologischen Fakultätentag
zurück. Er erkundet das mit der Rede vom Religionslehrer als „Zeuge des Glaubens“ eröffnete und durch kontroverse Diskussionslagen bestimmte Problemfeld. Beobachtungen zur konzeptionellen Entwicklung des Religionsunterrichts, zum beruflichen Selbstverständnis von und zu Kompetenzerwartungen an Religionslehrer/innen, Befunde der religionspädagogischen Unterrichtsforschung und Einblicke in den theologischen wie didaktischen Diskussionskontext präzisieren die Bedingungen für eine religionspädagogisch sinnvolle Rede vom Religionslehrer als Glaubenszeugen.
In der Rubrik „Neu gelesen“ unterzieht Thomas Nauerth das 1984 veröffentlichte Buch „Theorie der Religionspädagogik“ von Ulrich Hemel einer Relecture. Die in diesem Werk vorgetragenen Überlegungen zur wissenschaftstheoretischen Grundlegung der Disziplin bleiben weiterhin aktuell.
Nauerths Artikel bildet den Abschluss der in Heft 49/2002 eröffneten Rubrik „Neu gelesen“, in der letztlich 19 religionspädagogische Grundlagenwerke aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts besprochen worden sind.
Im Rezensionsteil des vorliegenden Heftes schließlich werden neun neuere wissenschaftliche
Fachveröffentlichungen vorgestellt und besprochen.
Mit Ausgabe 68/2012 der Religionspädagogischen Beiträge endet die Zeit unserer gemeinsamen Schriftleitertätigkeit, während derer wir für 23 Hefte der Zeitschrift verantwortlich zeichnen durften. Binnen zwölf Jahren erschienen 245 wissenschaftliche Beiträge, die von 156 Autor/innen verfasst wurden. Seit Einführung des Rezensionsteils in RpB 50/2003 wurden zudem 206 Buchbesprechungen publiziert, an denen 125 Rezensent/innen beteiligt waren. Trotz mancher Strapazen blicken wir überaus dankbar auf eine bereichernde (Zusammen)Arbeit zurück, in der wir viel lernen durften und uns vom Vertrauen der Fachkolleg/innen unterstützt wussten. Für die Zukunft wünschen
wir der Zeitschrift von Herzen, dass in der scientific community der Religionspädagogik die Bereitschaft wachsen möge, die Religionspädagogischen Beiträge auch privat zu abonnieren, was gerade im akademischen Mittelbau und auch bei evangelischen Kolleg/innen keineswegs selbstverständlich ist. Wenn sich die Religionspädagogik als wissenschaftliche Disziplin konsolidieren soll, bedarf es dazu wissenschaftlicher Periodika, die jenseits vordergründiger Anwendungsinteressen Raum bieten für hintergründiges Fragen und Forschen. Dankbar, die Schriftleitung in hoch qualifizierte Hände übergeben zu können, wünschen wir unseren beiden Nachfolgern, Ulrich Kropač und Georg Langenhorst, Gottes Segen, redaktionelles Geschick und ein herzliches ‘Glückauf’!
Mögen die Religionspädagogischen Beiträge weiterhin ein Forum darstellen für innovative und kontroverse Reflexionen im Felde vielgestaltiger religiöser Bildung auf Höhe heutiger Zeit, Kultur und Wissenschaft!
Mainz / Regensburg, im Januar 2013 Werner Simon und Burkard Porzelt
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1
‘Im Blickpunkt’: Ethisches Lernen
Konstantin Lindner, Wertebildung im religionspädagogischen Horizont. Ein Systematisierungsversuch
5
Ulrich Kropač, Ethik im Religionsunterricht? Der Beitrag der christlichen Religion
zu ethischer Bildung
19
Angela Kaupp, Ethisches Lernen außerhalb des Religionsunterrichts – eine Spurensuche.
Überblick über aktuelle Literatur
35
Roberto Romio, Zur aktuellen Debatte um die Moralerziehung in italienischen
Schulen
43
Allgemeine Beiträge
Michael Quisinsky, Dogmatik in der Bibeldidaktik? 57
Boris Kalbheim / Hans-Georg Ziebertz, Terra incognita – Reflexionen über Jugendliche,
die der Kirche fernbleiben
65
Rudolf Englert, Der Religionslehrer – Zeuge des Glaubens oder Experte für Religion?
77
Buchbesprechungen
89
Thomas Nauerth, ‘Neu gelesen’:
Ulrich Hemel, Theorie der Religionspädagogik
(1984)
107