Vorwort
Das vorliegende Heft 55/2005 der Religionspädagogischen Beiträge gibt wiederum Einblicke in die Vielfalt religionspädagogischer Forschungen und Arbeitsfelder. Den Reigen der Beiträge eröffnet Gerd Buschmann. Er stellt die Ergebnisse einer statistischen Untersuchung von religiösen Zitaten und Anspielungen in Werbeanzeigen vor und verdeutlicht deren religionsdidaktische Relevanz im Kontext eines kulturhermeneu-tisch profilierten Ansatzes religionspädagogischen Handelns.
Die beiden folgenden Beiträge setzen die in RpB 53/2004 begonnene Diskussion über Bildungsstandards und Kompetenzmodelle fort. Rudolf Englert gibt einen Überblick zum Stand des in der Erziehungswissenschaft und in der Pädagogischen Psychologie geführten Diskurses über 'Lehrerkompetenzen' und schlägt Brücken zu den fachspezifischen Kompetenzen von Religionslehrer/innen. Mirjam Schambeck macht das im Rekurs auf Meister Eckhart gewonnene theologisch akzentuierte Bildungsverständnis als kritisches Potenzial für die gegenwärtige Bildungsdiskussion fruchtbar. Sie formuliert als These: „Bildung ist mehr als Kompetenzen und Qualifikationen". Einen Beitrag zur religionspädagogischen Gender-Forschung dokumentieren die Ergebnisse der empirischen Studie von Angela Kaupp. Ausgehend von autobiographischen Interviews mit jungen Frauen untersucht sie das in diesen Interviews zu Tage tretende Verhältnis von religiöser und gesellschaftlicher Identität.
Klaus Kießling wendet sich in seinem Beitrag zur Taufkatechese einem Aufgabenfeld der Katechetik zu. Mit Blick auf aktuelle situative Herausforderungen und auf der Grundlage einer theologischen Vergewisserung gewinnt er handlungsorientierende Perspektiven für die katechetische Praxis.
Dem Kontext des 14. Deutsch-Italienischen Religionspädagogentreffens, das vom 18. bis 22. September 2005 in Berlin stattfand, entstammen die vier folgenden Beiträge. Das Treffen stand unter dem Thema „Kulturelles Gedächtnis in den Religionen im Horizont eines vereinten Europa". Salvatore Currd entwickelt im Anschluss an Überlegungen von Emmanuel Levinas das Konzept einer „Pädagogik der Spur", das er in einer Hermeneutik der Erinnerung grundlegt und verankert. Reinhold Boschki fragt nach den Bedingungen und Möglichkeiten einer „anamnetischen Kultur". In einem Mehr-ebenenmodell entfaltet er individuelle, soziale und politische Aspekte einer Kultur des Erinnerns und gewinnt in diesem Zusammenhang Perspektiven und Optionen für das (religions)pädagogische Handeln. Maria Luisa Mazzarello informiert über neuere religionspädagogische Entwicklungen und Ansätze in Italien angesichts von Herausforderungen durch kulturelle Veränderungen, die überkommene Formen der Tradierung des Glaubens in Frage stellen. Sie verweist auf die Bedeutung der Kunst als eines privilegierten Mediums erinnerung$geleiteten Lernens. Herbert Zwergel verknüpft in seinem Tagungsbericht wissenschaftsgeschichtliche und grundsätzliche Überlegungen zum 'kulturellen Gedächtnis in den Religionen' mit einer zusammenfassenden Bündelung der Vorträge und Diskussionen des Treffens.
Auch dieses Heft der Religionspädagogischen Beiträge enthält einen umfangreichen Rezensionsteil. 16 Rezensent/innen besprechen 17 wissenschaftliche Fachveröffentlichungen.
In der Rubrik „Neu gelesen" unterzieht Ulrich Kropac den von Alex Stock herausgegebenen Sammelband „Religionspädagogik als Wissenschaft" einer Relecture, welcher die Beiträge des AKK-Kongresses von 1974 zum Thema „Religionspädagogische Wissenschaftstheorie" dokumentiert. Die Gegenüberstellung mit dem AKRK-Kongresses von 2002 zum gleichen Thema macht in erhellender Weise Kontinuitäten und Entwicklungen unseres Faches sichtbar.
Mainz / Münster, im März 2006
Werner Simon und Burkard Porzelt
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 1
Gerd Buschmann,
Die Verlagerung des Heiligen in die Werbung. Religiöse Zitate und Anspielungen in der Print-Werbung - eine statistisch-empirische Untersuchung in religionspädagogischer Absicht 3
Rudolf Englert,
Welche Kompetenzen brauchen (Religions)Lehrer/innen heute?
Ein Überblick über den Stand der erziehungswissenschaftlichen Diskussion 21
Mirjam Schambeck,
Bildung ist mehr als Kompetenzen und Qualifikationen. Ein religionspädagogischer Diskussionsbeitrag zur Debatte um Bildungsstandards 37
Angela Kaupp,
Religiöse und geschlechtliche Identität in autobiographischen
Interviews - am Beispiel junger Frauen 51
Klaus Kießling,
Taufkatechese. Statistische Daten, theologische Grundierung,
konsequente Praxis 69
Salvatore Currd,
Die Wiedererlangung der Erinnerung in der religiösen Erziehung.
Die Pädagogik der Spur 89
Reinhold Boschki,
Bedingungen und Möglichkeiten einer anamnetischen Kultur in Europa.
Individuelle, gesellschaftliche und religionspädagogische Aspekte des Gedenkens 99
Maria Luisa Mazzarello,
Glaubensvermittlung heute in der Kirche in Italien. Ein Überblick 113
Herbert A. Zwergel,
Kulturelles Gedächtnis in den Religionen im Horizont eines vereinten Europa 129
Buchbesprechungen 143
Ulrich Kropac, 'Neu gelesen':
Alex Stock (Hg.), Religionspädagogik als Wissenschaft (1975) 175