Die Angelsachsen sind Pragmatiker. Wenn sie von „philosophy“sprechen, dann würden wir das eher mit „Leitlinien“ oder „Grundsätze“ übersetzen. Unsere Philosophie für den Religionsunterricht heißt diesmal „Philosophieren mit Kindern“.
Schon Immanuel Kant, der auch für einen feinsinnigen Spaß zu haben war („einer melkt den Bock, der andere hält ein Sieb unter“), stellte in seiner „Kritik der reinen Vernunft“ klar, dass es die Philosophie eigentlich gar nicht gebe, sondern nur das Philosophieren. Philosophie ist eine Tätigkeit für alle Menschen. Die großen philosophischen Fragen bleiben keinem erspart. Wer gelernt hat, effizient vorzugehen, wird diese großen Fragen, als welche Kant die Fragen nach Gott, Freiheit und Unsterblichkeit bezeichnet, eher umgehen. Denn diese Fragen haben es an sich, dass sie nicht endgültig beantwortet werden können, so wie am Ende einer Rechnung eine befriedigende Lösung steht. Was wir ausrechnen können, darüber brauchen wir nicht zu philosophieren. Aber die Wirklichkeit ist nun einmal keine Rechenaufgabe und die großen Fragen wirken mitten im Leben.
Wer einmal ein ganzes Menschenleben in den Blick nimmt, wird beobachten, dass die philosophischen Fragen eine biographische Hochkonjunktur im Kindes- und Jugendalter haben. Kindern ist das Fragen noch nicht abdressiert worden, sie haben die Lizenz zum Fragen. Große Fragen sind manchmal auch ganz einfach. Es gibt Situationen, wo die Frage: „Glaubst Du an Gott?“ nur mit, „ja“ oder „nein“ beantwortet werden kann. Ausweichmanöver helfen da nicht.
Dabei ist die Hochschätzung der Philosophie und der Vernunft keine Spezialität von uns Katholiken, sie reicht bis in die Ursprünge des Monotheismus zurück, der
ohne die Kritik an selbst gemachten Göttern kaum seinen Weg gemacht hätte. Biblische Aufklärung und Weisheit gehören zum Kernbestand nicht nur des Christentums. Sie weisen zurück bis tief ins Alte Testament. Inzwischen sehen wir auch, dass der Gegensatz einer jüdischen und einer griechischen Tradition weitgehend einem künstlichen Abgrenzungsdenken zu verdanken ist. Das Bemühen, den Glauben und die Vernunft in einen gemeinsamen Horizont
zu bringen, kennt viele Höhepunkte in der Kirchengeschichte, von Anselm von Canterburys Devise: „fides quaerens intellectum“, der Glaube sucht die Vernunft, über das „lumen naturale“, das „Licht der natürlichen Vernunft“, das allein schon ausreicht, um zu einer Gotteserkenntnis vorzudringen (Vatikanum I), bis zur Enzyklika „Fides et ratio“ lässt sich eine lange Linie durchziehen. Das ist alles nicht neu.
Ungewohnt ist freilich für viele der Versuch, schon mit jüngeren Kindern in der Grundschule erste Gehversuche im Philosophieren zu machen. Das Philosophieren mit Kindern ist außerhalb der Religionspädagogik inzwischen schon eine eigene Disziplin geworden, die auch ihren „Sitz im Leben“ hat. Sie hat sich an den Universitäten etabliert. Neben der Perspektive auf eine „Mystagogie“, d.h. Alphabetisierung und Einweisung in die besondere Sprache, die für den Umgang mit dem göttlichen Geheimnis gelernt werden kann, stellen wir sehr bewusst die komplementäre Perspektive auf das Philosophieren mit Kindern im Religionsunterricht. Ähnlich wie beim Stichwort Mystagogie gibt es keine großen didaktischen Traditionen, aber ein Experimentierfeld, das sich zu betreten lohnt.
Dr. Eckhard Nordhofen
Inhaltsverzeichnis
BEITRÄGE
Philosophie und Philosophieren mit Kindern
im Religionsunterricht
Linus Hauser / Matthias Werner 72
Große Fragen – Kleine Kinder
Susanne Nordhofen 79
„Neles Buch der großen Fragen“ –
Über die Entstehung eines philosophisch-theologischen Entdeckungsbuchs für Kinder
und mit Kindern
Rainer Oberthür 83
„Papa, warum hat Gott Vulkane geschaffen?“
Helmut Müller 88
Das Böse in der Welt und die Ordnung im Kopf
Eckhard Nordhofen 90
UNTERRICHTSPRAXIS
Die Wirklichkeit der Wirklichkeiten
Eckhard Nordhofen 95
LITERATUR & MEDIEN
Literaturübersicht 101
Rezensionen 102
INFOS & AKTUELLES
Zur Person
Religionslehrer mit Georgsplakette geehrt 115
Interview mit Dr. Johann E. Maier 116
Erster Juniorprofessor für Katholische Theologie 120
Grundlagenplan für den katholischen Religionsunterricht 120
Neues Projekt: Schule soll sich zur Gemeinde hin öffnen 121
Lust auf fremde Länder, Kulturen und Menschen 123
INFO online 124
INFO Einzelheftbestellung 125
Weltjugendtag 2005 126
Kunst – Ein Kinderspiel 132
Dokumentation zu Mel Gibsons „Die Passion Christi“ 133
Studienführer Katholische Theologie 134
Religionslehrer/-in – ein Beruf für Sie? 135
Veranstaltungen 135
SONSTIGES
Übersicht der Autoren/-innen und Rezensenten/-innen 137
Adressen Dezernat und Ämter 138
Leseprobe
Die gesamte Ausgabe als PDF (Link auf die Webseite des Schuldezernates Limburg)