Ständig sind wir hinter dem Willen Gottes her. „Dein Wille
geschehe!“ Hier wäre Religion jedenfalls intellektuell einmal ganz
einfach. Auf die berühmte Frage Kants. „Was soll ich tun?“ hatte Jesus
schon die einfache Antwort gegeben – den Willen des Vaters, nicht
mehr und nicht weniger: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so
auf Erden.“
Wenn es weiter nichts ist – so seufze ich manchmal –, wenn wir das
wirklich wüssten, worum wir immer beten! Die schlimmste Häresie
der Frommen ist die Verwechselung des eigenen Willens mit dem
Willen des Vaters. Je länger und je inbrünstiger einer um die Erkenntnis
dieses göttlichen Willens gebetet hat, umso mehr könnten die
Zweifel verschwinden und umso leichter wird es, den eigenen Willen
mit dem göttlichen zu verwechseln. Gegen diese Häresie der Frommen
steht die Szene am Ölberg, in der Matthäus Jesus selbst beten lässt:
„Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.
Aber nicht wie ich will, sondern wie Du willst.“ Wo sonst sind wir
Jesus näher als in der Angst vor Gottverlassenheit. Wenn selbst Jesus
die Differenz zwischen dem göttlichen und dem eigenen Willen zum
Thema macht, sollten wir vor dieser Verwechselung gewarnt sein.
Im Jahr der Bibel denken wir auch einmal sehr grundsätzlich
darüber nach, was uns dieses Buch der Bücher bedeutet. Ehrwürdige
Titel wie „Heilige Schrift“, „Wort Gottes“ – enthalten
sie nicht das Versprechen oder doch wenigstens die
Aussicht, hier den Willen Gottes schlicht nachlesen zu
können? Was wüssten wir nicht alles gerne, Gottes
Willen, unser Schicksal, das, was uns in Zukunft erwartet.
Wie willkommen wäre doch der eine oder andere
Hinweis, der uns dort, wo sich der Weg teilt und wir uns
entscheiden müssen, nur einen winzigen Wink gäbe ob
rechts oder ob links.
Von Goethes Mutter wissen wir, dass sie eine routinierte
Bibelstecherin war: Mit einer Nadel in das geschlossene
Buch stechen und eine Stelle aufspießen, die dann zur
persönlichen Botschaft wird. Wer diese Methode
praktiziert, braucht keine Wahrsagerin und keine Tarot-
Karten mehr. Nehmen wir einmal an, die Nadel landet im
Buch Jesaja im 55. Kapitel, Vers 8-9: „Meint Gedanken
sind nicht eure Gedanken und eure Wege sind nicht meine
Wege, Spruch des Herrn. So hoch der Himmel über der
Erde ist, so hoch erhaben sind meine. Wege über eure
Wege, und meine Gedanken über eure Gedanken.“ Die Bibel ist das
gewaltige Dokument eines Gottes, der sich offenbart, indem er sich
entzieht. ER offenbart sich als einer, der nicht verfügbar ist, auch nicht
in Buchstaben.
Dr. Eckhard Nordhofen
– Dezernent –
Inhaltsverzeichnis
BEITRÄGE
Gottes dunkle Seiten? Biblische Notizen wider die Verharmlosung der Gottesrede /
Klaus Scholtissek 84
UNTERRICHTSPRAXIS
Lernstraße „So wurde die Bibel“ /
Christa Kuch 92
Szenisches Lesen von Bibeltexten im Religionsunterrichtder Grundschule /
Gabriele Theuer 123
Drehbuch: Bibel – Biblische Geschichten als Filmerzählungen /
Franz Günther Weyrich 127
LITERATUR & MEDIEN
Literaturübersicht: Bibelausgaben 133
Internet-Links zum Jahr der Bibel 137
Rezensionen 137
INFOS & AKTUELLES
Zur Person 148
Coole Jungs und ein schmunzelnder Engel 149
Neuer Fachbericht der Kultusministerkonferenz
zum Katholischen Religionsunterricht 150
Sonderheft „Bibeljahr 2003“ 150
Bibel weltweit in 2.300 Sprachen 151
Mit der Bibel groß werden 151
Wissenswertes zur Bibel 151
Katholischer Kinder- und Jugendbuchpreis 2003 152
Im Dienst der Kirche 152
INFO-Einzelheftbestellung 154
Veranstaltungen 155
SONSTIGES
Übersicht der Autoren/-innen und Rezensenten/-innen 157
Adressen Dezernat und Ämter 158
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