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Schule und Sexualität Pädagogische Beziehung, Schulalltag und sexualerzieherische Potenziale
Schule und Sexualität
Pädagogische Beziehung, Schulalltag und sexualerzieherische Potenziale




Julia Kerstin Maria Siemoneit

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EAN: 9783837654929 (ISBN: 3-8376-5492-3)
336 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Februar, 2021

EUR 45,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Im Sozialraum Schule werden sexualitätsbezogene Inhalte sowohl implizit als auch explizit vermittelt – etwa durch Interaktionen auf Schulhöfen, während der Pausen oder im Unterricht. Julia Kerstin Maria Siemoneit untersucht das Verhältnis zwischen der Thematisierung von Sexualität und professionellem Selbstverständnis sowie der pädagogischen Beziehung von Lehrer*innen und Schüler*innen. Grundlage ihrer Studie sind Befragungen von Lehrkräften an Gymnasien, aus denen Deutungsmuster zum Umgang mit Körpern, Begehren und Begehrensformen entwickelt und in den Kontext ihrer professionstheoretischen Bedeutung für den Lehrer*innenberuf gestellt werden.

Julia Kerstin Maria Siemoneit (Dr. phil.), geb. 1985, lehrt am Arbeitsbereich Historische Bildungsforschung mit Schwerpunkt Gender History der Universität zu Köln und praktiziert als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen in der sexuellen Bildung, der (sexual-)pädagogischen Professionalisierung von Pädagog*innen, der Prävention von sexueller Gewalt in pädagogischen Institutionen sowie in der Diagnostik und Psychotherapie von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen.
Rezension
Zwei Momente haben das Verhältnis zwischen Pädagogik und Sexualität nach Auffassung der Autorin im vergangenen Jahrzehnt besonders beleuchtet: Die Vorfälle sexueller Gewalt an der reformpädagogischen Odenwaldschule, die mit ihren demokratischen und familiennahen, gemeinschaftlichen Lebensformen nahezu ein Jahrhundert lang als Vorzeigeinternat galt, entzogen die Gewissheit, dass Schule als sicherer Ort für das Aufwachsen gelten könne. Zweitens die Debatte über eine angebliche »Frühsexualisierung« von Kindern und deren Protest. Die Debatte formierte sich im Zuge der Institutionalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe in Frankreich und mobilisierte auch ultrakonservative bis rechtskonservative Gruppierungen in Deutschland. Im Wesentlichen geht es insgesamt um die Frage, welche Vorstellungen von Geschlecht, Begehren, Beziehung und letztlich auch Familie Heranwachsenden in Bildungseinrichtungen vermittelt werden sollen. Diese beiden Ereignisse haben den Themenkomplex ›Schule und Sexualität‹ auf ihre je spezifische Weise in die öffentliche Debatte gebracht. Während sich die Protestbewegungen vor allem gegen die Inhalte des Sexualkundeunterrichts wenden, rücken die Vorfälle sexueller Gewalt die Machtverhältnisse an Schulen, innerhalb von pädagogischen Beziehungen und deren Grenzen, in den Vordergrund. Die bundesweite Einführung des fächerübergreifenden Sexualaufklärungsunterrichts im Jahr 1968 durch die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) war stets von Deutungskämpfen darüber begleitet, wer die nachwachsende Generation wie, über was und vor allem wie umfangreich sexuell aufklären darf und soll. Doch bis heute regt sich immer wieder Widerstand gegenüber schulischer Sexualaufklärung, wenn etwa 2011 fünf baptistische Familien versuchten, ihre Kinder vom Sexualaufklärungsunterricht aus religiösen Gründen befreien zu lassen. - Die hier anzuzeigende Studie mißt dem ganzen Ort Schule eine »sozio-sexuelle Bedeutung« für die sexuelle Entwicklung und Sozialisation von Heranwachsenden bei, nicht nur dem sexualkundlichen Unterricht; denn im Sozialraum Schule werden sexualitätsbezogene Inhalte sowohl implizit als auch explizit vermittelt. Grundlage der Studie sind Befragungen von Lehrkräften an Gymnasien, aus denen Deutungsmuster zum Umgang mit Körpern, Begehren und Begehrensformen entwickelt werden.

Oliver Neumann, lehrerbibliothek.de
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung 7

2. Sexualität: Begriffs- und wissensgeschichtliche Annäherungen 19

2.1 Begriffsgeschichte und Entstehung der Sexualwissenschaft 20
2.2 Sexualität zwischen ›Natur‹ und Kultur: Körper, Geschlecht und Begehren 33
2.3 Das sexuelle Subjekt und Sozialität 41

3. Zur pädagogischen Bearbeitung von Sexualität im Kontext Schule 47

3.1 Historische Skizze der Pädagogisierung von Sexualität 49
3.2 Sexualpädagogische (Aus- und Fort-)Bildung von Lehrkräften 64
3.3 Institutionalisierter Handlungs- und Adressierungsrahmen 66
3.4 Schule und das Asexualitätsparadigma oder: sexuelle Akteur*innen in der asexuellen Schule 68
3.5 Verborgene Wissensbestände 81

4. Die pädagogische Beziehung: Zum Verhältnis von Profession, Generation, Geschlecht und (Berufs-)Biografie von Lehrer*innen 91

4.1 Antinomische Spannungsverhältnisse des strukturtheoretischen Professionsparadigmas 92
4.2 Die pädagogische Beziehung im generationalen und geschlechtlichen Verhältnis 108
4.3 Das Verhältnis von Biografie, Sexualität und Profession 117

5. Forschungskonzeption und methodisches Vorgehen 121

5.1 Wissenssoziologische Implikationen des Sprechens über Sexualität und Schule durch
Expert*innen 121
5.1.1 Adressierung von Lehrkräften als Expert*innen 121
5.1.2 Sprechen – Macht – Schule 125
5.1.3 Interpretatives Paradigma 129
5.2 Erhebung der Daten 131
5.2.1 Leitfadenkonzeption, Interviewform und Interviewführung 131
5.2.2 Sample und Feldzugang 139
5.3 Deutungsmusteranalyse 146
5.3.1 Merkmale von Deutungsmustern und eigene Verortung 146
5.3.2 Methodisches Vorgehen bei der Textanalyse 151
5.3.3 Reflexion des Forschungsprozesses und der eigenen Positionierung 155

6. Deutungsmuster zu Begehren jenseits von Heteronormativität 159

6.1 Nicht-heteronormatives Begehren und Geschlecht als Unterrichtsgegenstand 160
6.2 Heterosexistische Schule: Mangel an positiver Repräsentation 177
6.3 LG-Lehrkräfte und Schule 183
6.3.1 Begehrens- und Lebensweisen von LG-Lehrkräften innerhalb des Kollegiums 183
6.3.2 Diskriminierung von Lehrer*innen durch Schüler*innen 188
6.3.3 Begehren von Lehrkräften: Zur Pädagogisierung einer Privatsache 194
6.4 Die pädagogische Bearbeitung von Homofeindlichkeit 200
6.4.1 Vorbildfunktion von Lehrkräften 200
6.4.2 (Wunsch nach) Erziehung und Disziplinierung diskriminierenden Sprechens 203
6.5 Theoretisierende Zusammenfassung I 214

7. Deutungsmuster zu Körpern in der Schule 221

7.1 Sprechen über Schüler*innenkörper 223
7.1.1 Der verdächtig(t)e Lehrer: Zum Verhältnis von Lehrer(-blick) und Schülerinnenkörper 223
7.1.2 Disziplinieren und Neutralisieren: Die Bearbeitung des Schülerinnenkörpers 234
7.2 Sprechen über Lehr(er*innen)körper 254
7.2.1 Vergeschlechtlichte Lehrer*innenkörper 254
7.2.2 Vorbildliche Lehr(er*innen)körper 261
7.2.3 Lehr(erinnen)körper im Spannungsverhältnis von öffentlicher und privater Sphäre 264
7.3 Theoretisierende Zusammenfassung II 272

8. Resümee 279

Dank 291
Literaturverzeichnis 293
Transkriptionslegende 333