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Ausgrenzungsapparat Schule Wie unser Bildungssystem soziale Spaltungen verschärft
Ausgrenzungsapparat Schule
Wie unser Bildungssystem soziale Spaltungen verschärft




Stefan Wellgraf

Transcript
EAN: 9783837653076 (ISBN: 3-8376-5307-2)
242 Seiten, paperback, 14 x 23cm, 2021, Klappbroschur, 2 SW-Abb.

EUR 20,00
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Wieso werden Ungleichheitsverhältnisse auch von jenen reproduziert, die sie eigentlich überwinden wollen? Basierend auf Feldforschungen an Berliner Schulen schildert Stefan Wellgraf die subtilen Ausgrenzungsmechanismen, die hinter dem Rücken der Akteur*innen politisch wirksam werden. Muslimische Jugendliche sollen »integriert« werden, doch der institutionelle Umgang mit Differenz führt zu neuen Verwerfungen. Lehrer*innen müssen Bildungshierarchien durchsetzen, ohne emanzipative pädagogische Ideale zu verraten. Schulreformen scheitern und es entstehen projektartige Formen des sozialen Engagements an »Problemschulen«, die sich jedoch in grundlegenden Widersprüchen verfangen. Dies macht deutlich, dass es nicht die einzelnen Personen sind, sondern der Ausgrenzungsapparat Schule selbst, der soziale Spaltungen verschärft – obwohl er als vorgebliches Ziel gerade deren Überwindung propagiert.

Stefan Wellgraf (PD Dr.), geb. 1979, arbeitet im Rahmen einer Heisenbergförderung am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt-Universität zu Berlin. Er studierte Sozial- und Kulturwissenschaften in Berlin und Frankfurt/Oder und war anschließend Kollegiat am Graduiertenkolleg »Berlin-New York« an der TU Berlin. Er war Visiting Scholar an der New York University und der Goldsmith University London. Weitere Stationen führten ihn als wissenschaftlichen Mitarbeiter an das Johann Jacobs Museum in Zürich und an die Universität Hamburg. Zu seinen Forschungsinteressen zählen Exklusion, Migration sowie Populär- und Medienkultur.
Rezension
Schule als zentrale Bildungsinstitution soll in der der Demokratie eigentlich für Durchlässigkeit in allen Gesellschaftsschichten und Gesellschaftsgruppierungen sorgen, soll Ungleichheitsverhältnisse ausgleichen und Inklusion und (Bildungs-)Gerechtigkeit herstellen, Schule soll die Gräben in der Gesellschaft schließen und "Klassen"schranken überwinden. Die Bildungssoziologie stellt aber regelmäßig das Gegenteil fest: Der "Ausgrenzungsapparat Schule" (Buchtitel) verschärft soziale Spaltungen. Wieso aber werden Ungleichheitsverhältnisse, die von gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe ausschließen, selbst von jenen reproduziert, die sie eigentlich überwinden wollen? Das Buch macht deutlich, dass es nicht die einzelnen Personen sind, sondern der Ausgrenzungsapparat Schule selbst, der soziale Spaltungen verschärft – obwohl er als vorgebliches Ziel gerade deren Überwindung propagiert. So spiegelte die lange übliche Trennung zwischen Gymnasien, Realschulen und Hauptschulen auch die sozialen Spaltungen zwischen bundesdeutscher Ober-, Mittel- und Unterschicht wider. Im gegenwärtigen Siegeszug des Gymnasiums und der Tendenz zur Fusion von Haupt- und Realschulen lassen sich ebenfalls gesellschaftliche Entwicklungen wiedererkennen: die kulturelle Führungsrolle der akademischen Klasse, der Bedeutungsverlust der alten, nichtakademischen Mittelschicht und die zunehmende Polarisierung der Sozialstruktur. Der übliche Ruf nach »mehr Bildung« greift demnach zu kurz. Die Institution Schule ist nicht einfach die Lösung für zunehmende gesellschaftliche Spaltungen, sondern selbst Teil des Problems.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Bildung, Schule, Hauptschule, Soziale Ungleichheit, Klasse, Islam, Lehrer*in, Diskriminierung, Klassismus, Rassismus, Bildungshierarchie, Schulalltag, Bildungspolitik, Bildungssoziologie, Bildungsforschung, Pädagogik, Soziologie
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 7

Institution Schule 8
Ausgrenzungsapparat. Bildung und soziale Ungleichheiten 16

Stigmatisierung. Islam als oppositionelle Schulkultur 23

Doppelte Stigmatisierung. Niedrigqualifizierte und Muslime 26
Attraktivität und Tragik der Counter School Culture 33
Alternatives Curriculum. Die Hinwendung zum Islam 38
Auf Konfrontationskurs. Religiös aufgeladene schulische Konflikte 44
Kopftuch. Machtvolle Zuschreibungen und divergierende Praktiken 50
Ethnische Identifikationen. Palästina-Berlin 58
Gelungene Integration? Zur Abkehr vom Islam in der Post-Adoleszenz 68

Rechtfertigung. Alltagsmoral und berufliche Dilemmata im pädagogischen Bereich 75

Am Abgrund. Abstiegsnarrative und Anpassungsversuche 77
Selbstheroisierung. Helden des Chaos 84
Am Limit. Überlastung und Burnout 88
Rechtfertigungsordnungen. Meritokratie und kulturalisierende Zuschreibungen 96
Sozialarbeit in der Krise 108
Richtige Rezepte? Psychologisierung und Pathologisierung 112

Problematisierung. Mediale Skandalisierung und politische Reformrhetorik 123

Moral Panics. Von »Brandbriefen« und »Totschlägern« 127
Politische Agenden. Die Berliner Schulreform 136
Kritik der Schulreform. Bildungspolitische Interessensverbände 143
Stille Transformationen. Privatisierung und Vermarktlichung 148
Politische Rhetorik. Zeremonielle Fassaden und leere Signifikanten 158

Positivierung. Ambivalenzen des sozialen Engagements an »Problemschulen« 169

Bildungsprojekte. Teach First, Rock your Life! und School Turnaround 173
Empowerment und Coaching 183
Auswirkungen. Impulse im Schulalltag 192
Aneignungen und (Selbst-)Kritik 202
Politische Projekte 210

Literatur 217