Liebe Leserin, lieber Leser,
was ist Sinn und Ziel eines Unterrichts über »Vorbilder«? Wohl kaum, einer Person der Geschichte oder Gegenwart in allen Details »gerecht« zu werden - wenn das überhaupt möglich wäre. Vielmehr geht es um die Suche nach dem Exemplarischen, das für heute eine Auseinandersetzung lohnt, Denk- und Lernanstöße gibt, die sonst nicht zur Verfügung stünden. Für den Religionsunterricht ist dabei vor allem von Bedeutung, was von einer besonderen religiösen und ethischen »Qualität« ist. Diese Qualität wird entdeckt vor allem in alternativen Handlungsweisen, die »uns in der Beantwortung der offenen Fragen einer offenen Gesellschaft auf originelle Weise vorausgehen«, wie Konstanze Lepel formuliert. Dass damit eine Provokation dem Gewohnten gegenüber einhergeht, scheint unvermeidlich. Mahatma Gandhi, Albert Schweitzer, Sophie Scholl, Mutter Teresa und Rigoberta Menchü, die im Beitrag »Nur Licht kann die Dunkelheit vertreiben« behandelt werden, verbindet diese Provokation - dass sie nämlich für das, was sie als richtig und notwendig erkannten, Belastungen auf sich nahmen, vor denen viele zurückscheuen. Besonders erleben wir diese Provokation bei Elisabeth von Thüringen, der im 800. Geburtsjahr der Beitrag »... das habt ihr mir getan«, gewidmet ist. Ihr »Abstieg« von der Fürstin auf der Wartburg zur Schwester der Armen und Kranken liegt quer zu allen Verhaltensmodellen, die »mehrheitsfähig« wären. Niemand hätte etwas gegen Nächstenliebe im »rechten Maß«. Elisabeth aber, so scheint es, hat maßlos übertrieben: mit der Aufgabe ihrer Familie und Kinder, mit dem Küssen von ansteckend Kranken, mit der Weigerung, ihr anspruchloses Leben wenigstens in der Ordnung eines Klosters zu führen, mit dem Verzicht auf Sicherung ihres Wohlstands und sogar des eigenen Lebens. Dass die Nachwelt mit ihrem Beispiel überfordert war und ist, zeigt sich daran, dass man aus der Schwester der Benachteiligten doch wieder eine verehrungswürdige fürstliche »Heilige« (und ein touristisches Pilgerziel ...) gemacht hat, wie der Essay »Szenen und Trug-Bilder« verdeutlicht. Umso mehr gilt: Um dieses Leben zu verstehen, kommt man um die religiöse Motivation, den Aspekt der Nachfolge Christi, ja des biblischen Glaubens insgesamt, nicht herum. Dann kann unter der Provokation und dem Ärgernis ihrer »Lebensgestaltung« das Fundament deutlich werden, auf dem dies möglich war: Die Grundaussage der Bibel, dass niemand, der gibt, nicht umso mehr empfängt, dass Angst und Sorge um das eigene Leben überwunden werden können im Vertrauen auf den, der es geschaffen hat.
So lädt dieses Heft dazu ein, am Beispiel von »Vorbildern« mit den Schülerinnen und Schülern über die »Schätze des Lebens« nachzudenken, »die weder von Motten noch vom Rost gefressen werden« (Mt 6,20) - und damit über die Kräfte, die zu einem wirklich »menschlichen« Leben befähigen.
Bernhard Böttge
Inhaltsverzeichnis
zum thema
Konstanze Lepel
Vorbilder - Die heimliche Sehnsucht nach Orientierung 2
medienbeitrag
Iris Kramer u. Brigitte Weißenfeldt
... das habt ihr mir getan Annäherung an die heilige Elisabeth - Unterrichtsbausteine für Grundschule und Sek I 5
Unterrichtsentwurf
Konstanze Lepel u. Bernhard Böttge
Nur Licht kann die Dunkelheit vertreiben
Unterrichtsbausteine zum Thema »Vorbilder« für Sek I 20
essay
Burkhard zur Nieden
Elisabeth - Szenen und Trug-Bilder 36
Elisabeth - damals und heute
Informationen zur Weiterarbeit 40
rezension 41
filmtipp 42
materiatien 44