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Die Verschwörung der Massenmedien Eine Kulturgeschichte vom Buchhändler-Komplott bis zur Lügenpresse
Die Verschwörung der Massenmedien
Eine Kulturgeschichte vom Buchhändler-Komplott bis zur Lügenpresse




John David Seidler

Transcript
EAN: 9783837634068 (ISBN: 3-8376-3406-X)
372 Seiten, paperback, 15 x 23cm, Februar, 2016, zahlr. z.T. farb. Abb.

EUR 39,99
alle Angaben ohne Gewähr

Umschlagtext
Die Geschichte der Verschwörungstheorie ist auch eine Geschichte der Medien. Im Fokus der Studie von John David Seidler steht nicht die Frage nach der Rolle von technischen Verbreitungsmedien, sondern die Reflexion über Medien als Gegenstand von Verschwörungstheorien selbst. Er zeigt: Massenmedien sind nicht erst seit der Re-Popularisierung des Slogans von der »Lügenpresse« zentraler Verdachtsgegenstand verschwörungstheoretischer Erzählungen. Unter Rückgriff auf die Verdachtstheorie des Medienphilosophen Boris Groys analysiert die Studie anhand historischer Konjunkturen moderner Verschwörungstheorien im deutschsprachigen Raum erstmals systematisch Geschichte und Funktion der verschwörungstheoretischen Rede über Medien seit dem 18. Jahrhundert.

John David Seidler (Dr. phil.), geb. 1977, lehrt am Institut für Kommunikations- und Medienforschung der Deutschen Sporthochschule Köln. Für seine Arbeit zu Verschwörungstheorien erhielt er ein Stipendium des Departments »Wissen – Kultur – Transformation« der Interdisziplinären Fakultät der Universität Rostock.
Rezension
Ob nun 11. September (9/11), Mondlandung oder John F. Kennedy-Attentat: Verschwörungstheorien haben Konjunktur. „Weltweit vernetzte Freimaurer-Logen und andere Geheimorganisationen, international agierende Großkonzerne, und ein kleiner Kreis von Superreichen: Glauben Sie, dass es eine Art geheimer Weltregierung gibt?“ Auf diese Frage antworteten bei einer Umfrage von TNS Emnid im Jahr 2010 knapp 40% der Befragten mit ‚Ja‘ ... Diese medienwissenschaftliche Dissertation beantwortet die Frage, was es mit Verschwörungstheorien in Mediengesellschaften auf sich hat; sie behandelt Tradition, Definition und den strategischen Einsatz von Verschwörungstheorien. Sie begreift die Geschichte der Verschwörungstheorie auch als eine Geschichte der Medien, sie diskutiert nicht das ‚für und wider‘ von Verschwörungstheorien sondern fragt nach den ‚Bedingungen der Möglichkeit‘ von Verschwörungstheorien. Speziell fragt die Studie, inwiefern die ‚Medialisierung unserer Gesellschaft‘, also die Zunahme von lediglich medial erfahrbarem Wissen, eine solche Bedingung der Möglichkeit von Verschwörungstheorien darstellt.

Dieter Bach, lehrerbibliothek.de
Verlagsinfo
Schlagworte:
Verschwörungstheorie, Mediengesellschaft, Massenmedien, Geschichte, Journalismus, Propaganda, Medienphilosophie, Medien, Kulturgeschichte, Mediengeschichte, Geschichtswissenschaft, Medienwissenschaft
Adressaten:
Medienwissenschaft, Kulturwissenschaft, Cultural Studies, Mediengeschichte, Narratologie, Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Wissenssoziologie, Diskursforschung, Protest- und Bewegungsforschung, Extremismusforschung, Antisemitismusforschung

Autoreninterview
... mit John Seidler

1. Warum ein Buch zu diesem Thema?
Das Buch hat einen Titel, einen Untertitel und einen Klappentext. Selbst eine Leseprobe soll online stehen. Aber das wirkliche ›Warum‹ bleibt offenbar dennoch im Dunkel verborgen. Ist das Buch Teil einer gezielten Medienkampagne gegen ›Verschwörungstheoretiker‹? Teil einer Verschwörung? Oder die Arbeit von ›nützlichen Idioten‹? Derlei Spekulationen sind fester und aktuell sehr auffälliger Bestandteil unserer Medienkultur. Ein Fach namens Medienwissenschaft muss fragen, weshalb das so ist.

2. Welche neuen Perspektiven eröffnet Ihr Buch?
Verschwörungstheorie kann man als ›evil twin‹ von Medientheorie begreifen. Wohl auch deshalb, hat sich Medienwissenschaft traditionell eher um Abgrenzung bemüht, anstatt zu fragen, was es mit der Verschwörungstheorie in der Mediengesellschaft auf sich hat. Wenn wir moderne Verschwörungstheorie aber erstmal auch als Effekt von Mediengesellschaft einordnen und historisch untersuchen, können wir die Tradition, die Definition aber auch den strategischen Einsatz von Verschwörungstheorien anders begreifen.

3. Welche Bedeutung kommt dem Thema in den aktuellen Forschungsdebatten zu?
Das, was man aktuell als Verschwörungstheorieforschung fassen kann, krankt an einem Mangel an eigentlicher Forschung einserseits und andererseits an einem Hang zu einem naseweisen Relativismus aus dem letzten Jahrhundert. Diese Forschungsdebatte braucht ein Update.

4. Mit wem würden Sie Ihr Buch am liebsten diskutieren?
Mit meinen Studenten.

5. Ihr Buch in einem Satz:
Verschwörungstheorie ist auch nur das kulturelle Erbe, das dir Leute eingebrockt haben, von denen du auch nicht regiert werden willst.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort | 9

1. EINLEITUNG | 13

1.1 Gegenstand und Ziele der Arbeit | 15
1.1.1 Zum Aufbau der Arbeit | 25
1.2 Klärung des Begriffs ‚Verschwörungstheorie‘ | 27
1.2.1 Strenger Wortsinn | 28
1.2.2 Pejorativum | 29
1.2.3 Akademische Begriffsbestimmungen | 30
1.2.4 Arbeitsdefinition: Verschwörungstheorie als Narrativ | 32
1.2.5 Zusammenfassung der Begriffsdefinition | 40
1.3 Forschungsstand: Elemente des Konspirationismus | 43
1.3.1 Zur Historiographie der Verschwörungstheorie | 47
1.3.2 Verschwörungstheorie als ‚moderne Verschwörungstheorie‘ | 50
1.3.3 Feind- und Wunschbild: Verschwörungstheorie in Propaganda und Ideologie | 54
1.3.4 Verschwörungstheorien als Effekt gesellschaftlicher Krisen und Umbrüche | 58
1.3.5 Individuelle Krisen als psychologischer Faktor des Glaubens an Verschwörungstheorien | 61
1.3.6 Verschwörungstheorie als Produkt des ‚Verschwörungsdenkens‘ | 63
1.3.7 Verschwörungstheorie als Produkt der ‚Verschwörungsindustrie‘ | 64
1.3.8 Verschwörungstheorie und Verschwörungsfiktion in Formaten der Populärkultur | 66
1.3.9 Die Medien der Verschwörungstheorie | 68
1.3.10 Die ‚Medien-Verschwörungstheorie‘ | 73
1.4 Zur Forschungsstrategie | 79
1.4.1 Medienkulturwissenschaft als Forschungsprogramm | 79
1.4.2 Theoretischer Rahmen: Das Unbehagen in der Medienkultur | 82
1.4.3 Der medienontologische Verdacht und der submediale Raum | 88
1.4.4 Thesenbildung | 95
1.4.5 Methodisches Vorgehen | 100

2. UNTERSUCHUNGSTEIL I:
AUFKLÄRUNG ALS MASSENBETRUG? ZU DEN ARCHETYPEN MODERNER VERSCHWÖRUNGSTHEORIE | 115

2.1 Medialer Kontext
Vergesellschaftungswut und Printexplosion | 117
Vergesellschaftungswut als strukturelle Vorbereitung neuer Öffentlichkeit | 117
Print-Explosion | 127
Entwicklungslinien der Print-Öffentlichkeit in Frankreich | 129
Printmedien in den deutschsprachigen Territorien | 133
2.2 „Sonderlich hatte ich Büchertrödler im Verdacht“
Vorstellungsbilder des Medialen in Verschwörungstheorien um 1800 | 137
Zu Genese und Urheberschaft klassischer Verschwörungstheorie um 1800 | 137
Quellenanalyse: Ernst August von Göchhausen: Enthüllung des Systems der Weltbürgerrepublik (1786) | 144
Quellenanalyse: Anonymus: Nachrichten von einem großen aber unsichtbaren Bunde gegen die christliche Religion und die monarchischen Staaten (2. Auflage, 1797) | 147
Quellenanalyse: Eudämonia oder Deutsches Volksglück.
Ein Journal für Freunde von Wahrheit und Recht (1795-1798) | 155
Quellenanalyse: Augustin Barruel: Denkwürdigkeiten zur Geschichte des Jakobinismus (vier Bände, 1800-1804) | 161
Quellenanalyse: Johann August von Starck: Triumph der Philosophie im achtzehnten Jahrhunderte (zwei Bände, 1803/1804) | 165
2.3 Zwischenergebnis und Reflexion | 168

3. UNTERSUCHUNGSTEIL II:
DIE ANTISEMITISCHE VERSCHWÖRUNGSTHEORIE IM LANGEN 19. JAHRHUNDERT | 175

3.1 Medialer Kontext
Aufstieg der Massenpresse | 181
Weißes Papier: Mediale Öffentlichkeit nach 1848 | 181
Die Meinungs-, Partei- und Tendenzpresse | 184
Presse und Judentum | 188
Generalanzeiger: Die ‚Kapitalisierung‘ der Presse | 191
Media control 1848: Zur Entstehung moderner Pressepolitik | 194
Die Elektrisierung der Presse | 198
Pressepolitik im Kaiserreich | 202
3.2 „Durch die Presse kamen wir zu Einfluß, und blieben doch selbst im Schatten“
Vorstellungsbilder des Medialen in antisemitischen Verschwörungstheorien des langen 19. Jahrhunderts | 207
Quellenanalyse: Sir John Retcliffe: Biarritz (1868), Auf dem Judenkirchhof | 212
Quellenanalyse: Osman Bey: Die Eroberung der Welt durch die Juden (1873) | 218
Quellenanalyse: Karl Wilmanns: Die ‚goldene Internationale‘ (1876) | 221
Quellenanalyse: Theodor Fritsch: Antisemiten-Catechismus (1887) | 223
Statt einer Quellenanalyse: Anmerkungen zu den Protokollen (ab 1920) | 226
Paratexte | 227
Quellenanalyse: Theodor Fritsch d. J.: Der jüdische Zeitungspolyp (1921) | 230
3.3 Zwischenergebnis und Reflexion | 233

4. UNTERSUCHUNGSTEIL III:
QUELLE: INTERNET
ZUR VERSCHWÖRUNGSTHEORIE UM 2000 | 243

4.1 Medialer Kontext
Dominanz des Fernsehens und Aufstieg des Internets | 253
Fernsehen als zentrales Medium um 2000 | 254
Formatentwicklungen und neue Medienwirklichkeiten | 256
Desert Sessions: Die CNN-isierung von Kriegswirklichkeit | 260
Under attack: Fernsehen am 11. September | 262
Dunkle Zukunft: Das Internet um 2000 als publizistisches Medium | 267
The Internet is for Conspiracy | 274
Zu Genese und Urheberschaft von Verschwörungstheorien zum 11. September 2001 | 278
4.2 Vorstellungsbilder des Medialen in Verschwörungstheorien zum 11. September 2001 | 287
Quellenanalyse: Mathias Bröckers: The WTC Conspiracy (2001-2002)
und Verschwörungen, Verschwörungstheorien und Geheimnisse des 11.9. (2003) | 288
Quellenanalyse: Robert Stein: 9/11 Mega-Ritual | 292
Quellenanalyse: Ken Jebsen: KenFM.de | 299
Ergänzende Bemerkungen | 308
Reflexion | 312

SCHLUSSTEIL | 315

Fazit | 317
Verschwörungstheorie heute | 322
Quellen | 327
Literatur | 333
Danksagung | 367